Großfamilie Zu fünft in einem Bett: Ist der neuste Trend beim Schlaf gesund?
Wer das Baby bei sich im Bett schlafen lässt, steht im Verdacht, sein Kind zu verwöhnen. Dabei ist das Familienbett eine bequeme Lösung – etwa für die Reinickes aus Dessau-Roßlau.

Halle/MZ/VS. Ehe ihre Tochter auf der Welt war, war für Carolin Scholkofsky klar: „Sie soll drei Monate im Beistellbett bei uns im Schlafzimmer schlafen und dann in ihr eigenes Zimmer umziehen. Aber mein Mann und ich wurden eines Besseren belehrt“, sagt Scholkofsky, die mit ihrer Familie in Kemberg im Landkreis Wittenberg wohnt. Als Frühchen brauchte ihre Tochter viel Nähe. „Und weil sie nachts immer viel trinken wollte, habe ich sie in unserem Bett in die Mitte gelegt“, so die Mutter. „Das war für mich einfacher.“
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Nach einigen Monaten wollte sie das Baby wenigstens für den Mittagsschlaf an das Bett im eigenen Zimmer gewöhnen. Keine Chance. Also hat ihr Mann eine weitere Liegefläche aus Holz für eine Babymatratze angebaut und somit das Elternbett in ein Familienbett verwandelt.
Die Kommentare aus dem Umfeld ließen nicht lange auf sich warten: „Freunde – auch solchen mit Kindern – sagten, dass unsere Tochter anfängt zu klammern und unsere Ehe kaputtgeht, wenn ich sie in unserem Bett schlafen lasse“, erzählt Scholkofsky und wird nachdenklich: „Bei anderen klappt das schließlich auch: Zum Beispiel das Baby meiner besten Freundin schläft praktisch seit dem ersten Tag im eigenen Bettchen durch.“
Guter Schlaf für Babys: Muss es das eigene Bett sein?
Auch Martina Klautzsch sagt: „In der westlichen Gesellschaft ist es verpönt, dass die Mutter das Kind mit ins Bett nimmt.“ Klautzsch ist nicht nur zweifache Mutter und gelernte Kinderkrankenschwester, sondern arbeitet von Kemberg aus als zertifizierte Schlafberaterin.
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Dabei orientiert sie sich an den Leitlinien des Vereins für ganzheitlichen Baby- und Kinderschlaf. „Hinter dem Gedanken, dass ein Kind unbedingt in seinem eigenen Bett schlafen soll, steckt ein Erziehungsideal, das noch auf Hitler-Zeiten zurückgeht“, sagt Martina Klautzsch. Eltern, die die Kinder mit ins eigene Bett lassen, stünden im Verdacht, den Nachwuchs zu verwöhnen – während es in vielen Ländern auf der Welt üblich ist, dass alle Familienmitglieder in einem Bett schlafen.
Zu der Idealvorstellung vom eigenen Bettchen, die bei vielen Eltern verankert ist, kommt die Angst vor dem Plötzlichen Kindstod. So empfiehlt etwa die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Kinder nicht im Elternbett schlafen zu lassen.
Allerdings ist das sogenannte Bedsharing nur einer von vielen Risikofaktoren, dazu noch ein umstrittener. Zu den größten und gesicherten Risikofaktoren zählen das Schlafen in Bauchlage, Drogen-, Alkohol- oder Zigarettenkonsum, dazu Überhitzung und nachgiebige Textilien, in die das Baby einsinken und ersticken kann.
Neben der Schlafumgebung spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle: So besteht generell bei Jungen eine höhere Wahrscheinlichkeit für den Plötzlichen Kindstod, zudem bei Kindern mit sehr niedrigem Geburtsgewicht oder kürzlich zurückliegender Krankheit.
"Mit dem dritten Kind haben wir es auf 3,60 Meter Breite erweitert."
Nora-Eilin Reinicke aus Dessau-Rosslau
Dagegen beobachtet Nora-Eilin Reinicke aus Dessau-Rosslau die Entwicklung, dass Familienbetten seit einigen Jahren durchaus gesellschaftsfähig sind. Auch bei ihr und ihrem Mann war es so, dass ihr erster Sohn im eigenen Bettchen nicht zur Ruhe kam. „Und ich wollte nicht Nächte lang neben dem Bett sitzen“, sagt Reinicke.
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Aus der persönlichen Erfahrung heraus entstand schließlich die Marke „Liegewiese“ für modulare Familienbetten. „Ich führe eine Tischlerei und habe mit den Familienbetten ein eigenes Produkt entwickelt, das meine ganzen Erfahrungen als Mama beinhaltet“, sagt Reinicke. Sie und ihre Familie schliefen zunächst auf einem 2,70 Meter breiten Bett.
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„Mit dem dritten Kind haben wir es auf 3,60 Meter Breite erweitert“, so die Mutter. „Das war schon komfortabel.“ Den größten Vorteil sieht sie darin, nachts nicht aufstehen zu müssen: „Man beruhigt das Kind und kann direkt weiterschlafen.“ Daneben ist sie sicher: „Dem Kind wird so Geborgenheit geschenkt.“
Ein Familienbett bringt Vorteile für Mutter und Kind
Auch die Schlafberaterin Klautzsch aus Kemberg sagt: „Gerade im ersten Lebensjahr ist es fürs Stillen oder Flaschegeben viel einfacher, mit dem Baby in einem Bett zu schlafen. Im besten Fall kommt die Mutter dadurch zu mehr Schlaf.“
Die direkte Nähe erfüllt zudem eine Art Monitoring- Funktion: „So bekommt die Mutter mit, wenn mit dem Baby etwas nicht stimmt.“ Auch die Kleinen profitieren: „Kinder wachen naturgemäß nachts häufig auf und vergewissern sich, wo sie sind und ob die Bezugsperson noch in der Nähe ist“, sagt die Schlafberaterin. „Wenn sie sich sicher fühlen, schlafen sie schnell wieder ein.“
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Das stärkt Klautzsch zufolge das Urvertrauen. „Kinder, die von Geburt an direkt neben den Eltern schlafen, haben meistens weniger Probleme damit, sich dann nach einigen Jahren vom Elternbett zu lösen.
Andersherum kann es sein, dass Kinder, die viele Jahre lang im eigenen Bett geschlafen haben, diese Nähe suchen und mit einem Mal regelmäßig zu den Eltern ,auswandern’.“ Voraussetzung für das Bedsharing sei jedoch ein sicheres Familienbett, sagt die Schlafberaterin.
Wenn das Familienbett keine Option ist
Dennoch sei Bedsharing nicht unbedingt eine Lösung für jede Familie, betont Klautzsch. So können Familienmitglieder mit sehr leichtem Schlaf schon bei leisen Geräuschen oder kleinen Bewegungen aufwachen. Umgekehrt können unruhige Schläfer die Nachtruhe der ganzen Familie stören. „Man muss schon ein bisschen resistent sein“, findet auch Nora-Eilin Reinicke, die dreifache Mutter aus Dessau. „Kinder bewegen sich viel in der Nacht. In Summe schlafen wir im Familienbett aber alle besser.“

Wenn das nicht der Fall ist, sollten Eltern dem Nachwuchs den Übergang ins eigene Bett erleichtern: „Zu Beginn des ersten Lebensjahr können sie zum Beispiel ein Gitter eines höhenverstellbaren Babybetts abnehmen und es direkt ans Elternbett stellen“, empfiehlt die Schlafberaterin. „So gewöhnt sich das Kind an sein eigenes Bett.“
Wird das Kind mobiler und beginnt zu krabbeln und sich hochzuziehen, kommt die Liegefläche nach unten und das Gitter wieder dran. Für den nächsten Schritt – das eigene Zimmer – ist die Autonomiephase mit drei Jahren eine gute Gelegenheit. „Das ist oft ein guter Zeitpunkt, weil die Kinder da nach Selbstständigkeit streben“, sagt Martina Klautzsch.
„Wie bei allem sollte das aber auch nicht von heute auf morgen passieren“, sagt sie, „sondern als Prozess, den Eltern liebevoll begleiten.“ Mehrfacheltern haben darüber hinaus eine weitere Möglichkeit: „Ab dem Kleinkindalter ist ein Geschwisterbett super. Es stärkt die Beziehung zwischen den Geschwistern und gibt den Kinder ein ähnliches Sicherheitsgefühl wie neben Mama und Papa.“
Übrigens: Das Familienbett muss keine Einschränkung in der elterlichen Zweisamkeit sein. Kreative Eltern können vielerorts für ihre Partnerschaft sorgen. „Auch hier ist Kommunikation das Allerwichtigste“, so Klautzsch.