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Häusliche Gewalt gegen Männer Wenn die Frau schlägt

Erniedrigung, Drohungen bis hin zu tätlichen Angriffen: Psychische und körperliche Gewalt in der Partnerschaft kann sich auch gegen Männer richten. Hilfsangebote gibt es aber nur wenige.

Von Irene Habich 16.09.2024, 11:06
Gewalt in der Partnerschaft betrifft häufig Frauen - aber was, wenn die Frau zur Täterin wird und ihren Partner terrorisiert?
Gewalt in der Partnerschaft betrifft häufig Frauen - aber was, wenn die Frau zur Täterin wird und ihren Partner terrorisiert? (FOTO: Imago)

Die Opfer von schwerer häuslicher Gewalt sind vor allem Frauen. Es gibt aber auch Männer, die Gewalt durch ihre Partnerin erfahren. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) hat 1.045 Männer dazu befragt, wie häufig sie in Beziehungen tätliche Angriffe, Drohungen oder Beleidigungen erlebt haben.

Auch wenn Frauen „insgesamt folgenschwerer und gerade mit Bezug auf sexuelle Gewalt häufiger“ zu Opfern würden, könnten einzelne männliche Betroffene „ähnlich gravierende Gewaltfolgen“ erleiden wie Frauen, lautet das Ergebnis der Studie.

Hier geht es direkt zu Hilfsangeboten für betroffene Männer.

Schweigen aus Scham

Rund 14 Prozent der Befragten gaben an, innerhalb eines Jahres mindestens einmal körperliche Gewalt in einer Partnerschaft erlebt zu haben. Dabei berichteten Männer überwiegend von „leichter“ körperlicher Gewalt wie Schubsen, Festhalten oder leichten Ohrfeigen. Rund sechs Prozent wurden hingegen getreten, heftig geohrfeigt oder es wurde auf sie eingeschlagen.

24 Prozent der befragten Männer hatten zudem mindestens einmal psychische Gewalt erlebt. Dazu gehören Anschreien, Beschimpfen, Erniedrigen sowie Drohungen, jemandem etwas anzutun oder die Kinder wegzunehmen. Der häufigste Grund für Attacken durch die Partnerin war Eifersucht, aber auch Streitigkeiten um den Haushalt wurden als Auslöser genannt.

Philipp Schmuck leitet die Beratungsstelle „Häusliche Gewalt gegen Männer“ in der Region Nordbayern. Dort suchen auch Männer Rat, die Gewalt durch Brüder, Söhne oder in einer homosexuellen Partnerschaft erfahren. „In den meisten Fällen geht es aber um Gewalt, die durch die Partnerin ausgeübt wird“, so Schmuck.

Er unterscheidet zwischen Beziehungen, in denen Streit mehr oder weniger „auf Augenhöhe“ stattfindet und auch mal in Beleidigungen oder leichteren Formen physischer Gewalt wie Schubsen oder das Werfen von Dingen eskaliert.

„Ich will das nicht abtun, aber das ist meist eine andere Form von Beziehungsdynamik“, sagt der Berater. Ein höherer Leidensdruck liege dann vor, wenn vor allem einer von beiden zum Opfer wird. Und das kann auch der Mann sein.

Männer würden dabei in eine hilflose Position geraten, aus der sie allein nur schwer wieder herausfänden. Es seien also Hilfsangebote wichtig, die sich an Männer richteten. „In anderen Beratungsstellen zu häuslicher Gewalt könnten Betroffene theoretisch auch Hilfe finden, sie fühlen sich davon aber nicht angesprochen“, so Schmuck.

Männer, die in die Beratungsstelle kommen, haben häufig zuvor nie mit jemandem über die Vorfälle gesprochen – oder sie wurden dabei nicht ernst genommen. Viele seien unsicher, sagt Schmuck: „Sie fragen dann zum Beispiel: Ist das überhaupt Gewalt? Wenn sie mich schlechtmacht oder nicht will, dass ich meine Freunde treffe?“ Entscheidend sei dabei der Leidensdruck.

Viele Männer sagen, dass sie die psychische Gewalt als besonders belastend erleben.

Philipp Schmuck, Sozialpädagoge

Gewalt in einer Partnerschaft beginne oft schleichend. Irgendwann entstehe ein immer stärkeres Machtgefüge, aus dem heraus schon scheinbar kleine Sticheleien sehr verletzen könnten, sagt Schmuck. Als Form der psychischen Gewalt zähle neben dem Herabsetzen des Partners auch das Ausüben von Kontrolle: Wo geht jemand hin, wie zieht er sich an, mit wem hat er Kontakt?

„Viele Männer sagen, dass sie psychische Gewalt als besonders belastend erleben“, sagt Schmuck. Auf Nachfrage würde oft auch von körperlichen Übergriffen berichtet. Diese würden häufig heruntergespielt. „Selbst bei einem Nasenbruch sagen Männer dann: Das war nicht so schlimm.“

Kaum Gegenwehr

Männer sind meist stärker als Frauen und könnten leichter Angriffe abwehren als umgekehrt. Doch sie tun dies oft nicht. In der KFN-Studie gaben nur zehn Prozent der befragten Männer an, sich gegen ihre Partnerin zu wehren. „Das kann verschiedene Gründe haben“, sagt Schmuck. „Einige können es nicht, weil sie körperlich unterlegen sind. Viele wollen es nicht, weil sie sagen: Gewalt ist keine Lösung, da halte ich mir lieber die Hände vor das Gesicht und warte, dass es vorbei ist.“ Andere hätten Angst vor Konsequenzen, weil die Frau vielleicht damit droht, zur Polizei zu gehen.

Die gesundheitlichen Folgen für Männer, die Opfer von Partnerschaftsgewalt werden, seien enorm, sagt Schmuck. Sie würden von Schlafstörungen und Symptomen wie Magenproblemen bis zu Suizidgedanken reichen. In der KFN-Befragung gaben mehr als 40 Prozent der Männer an, unter Stress, Anspannung und Gefühlen der Erniedrigung zu leiden. 19 Prozent hatten Schlafstörungen, 14 Prozent litten unter Angstgefühlen.

Warum trennen sie sich nicht? „Von außen ist es leicht zu sagen, dann geh doch. Aber so einfach ist es nicht“, meint Schmuck. Oft würden Männer durch die Partnerin von Familie und Freundeskreis isoliert. Was Abhängigkeitsgefühle in der Partnerschaft verstärkt.

Hilfetelefon für Männer

Wer von häuslicher Gewalt oder Stalking betroffen ist, kann sich laut Opferhilfe Sachsen-Anhalt (0391 5676165) an mehrere Beratungsstellen wenden. Zudem gibt es bundesweit sowohl das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (0800 0116016) als auch das Hilfetelefon Gewalt gegen Männer (0800 1239900). Dort können sich Ratsuchende montags bis donnerstags von 8 bis 13 Uhr und 15 bis 20 Uhr melden, sowie freitags von 8 bis 15 Uhr.