Herbst in Sachsen-Anhalt Drachen steigen lassen auch ohne Wind
In diesen Tagen werden die Felder abgeerntet und die Wiesen gemäht, der Wind frischt auf: Die ideale Zeit zum Drachensteigenlassen beginnt. Einige führende Experten geben Tipps und Tricks.
Magdeburg - In diesen Tagen werden die Felder abgeerntet und die Wiesen gemäht, der Wind frischt auf: Die ideale Zeit zum Drachensteigenlassen beginnt. Mit dem richtigen Drachen kann der Spaß also losgehen. Doch, welcher Drachen ist eigentliche der richtige Drachen und wie lässt man ihn am besten fliegen?
Wer jetzt an den selbstgebauten rautenförmigen Drachen mit dem langen bunten Schwanz aus seinen Kindertagen denkt, der liegt damit auch heute noch keinesfalls falsch, meint zumindest Rainer Hoffmann und der muss es schließlich wissen. Der langjährige Drachendesigner und mehrfache deutsche Meister im Drachenbau sagt: "Mit einem klassischen Rautendrachen ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite, man kann aber genauso bedenkenlos Schmetterlingsdrachen oder Delphine wählen."
Wichtig ist, welchen Drachen die Kinder toll finden
Hoffmann, der für seine eigenen Kreationen weltberühmt ist und unter anderem einen Drachen in Form eines dreidimensionalen und lebensgroßen, etwa 13 Meter langen Flugsauriers entworfen und gebaut hat, meint: "Wichtig ist, welchen Drachen die Kinder toll finden, denn so kann Begeisterung für das Hobby entstehen." Etwas älteren Kindern kann der gute alte Klassiker auf Dauer aber auch durchaus schon mal langweilig werden, so dass sie sich vielleicht etwas anderes wünschen.
"Ab ca. 8 Jahren sind Lenkdrachen für Kinder geeignet", weiß Hoffmann. "Hier empfehle ich kleine Lenkmatten mit ungefähr 120 cm Spannweite." Diese mattenförmigen Drachen lassen sich nicht nur mittels zweier Leinen lenken, sie haben auch noch andere Vorteile. "Da sie keine Stangen besitzen, können sie nicht so schnell kaputt gehen oder Schaden anrichten, zudem haben sie den Vorteil, dass sie handlich zusammengelegt werden können", sagt Drachendesigner Hoffmann.
Wenn es um Lenkdrachen geht, dann denken viele vor allem größere Kinder und natürlich auch die Jugendlichen und Erwachsenen gerne an die sogenannten Delta-Modelle. Die gibt es zwar auch mit nur einer einzigen Leine, aber eben auch mit zwei Leinen zum Lenken. Mit einem schnellen Delta-Drachen lassen sich überaus beeindruckende Manöver fliegen, so dass hier garantiert so schnell keine Langeweile aufkommt.
Auch diese Drachen gibt es in unterschiedlichen Größen, so dass sich jeder das passende Modell heraussuchen kann. Dabei sollte man den Herstellerempfehlungen, die auf den meisten Verpackungen aufgebracht sind oder sich in der Bedienungsanleitung finden, durchaus Beachtung schenken. Die Kräfte, die der Wind entfaltet, können nämlich durchaus beachtlich sein. Vor allem die richtig großen Parafoil-Lenkmatten entwickeln derart starke Zugkräfte, dass sie einen Surfbrett oder auch einen Buggy mit Leichtigkeit auf Geschwindigkeiten bringen können, was natürlich auch den ganz besonderen Reiz ausmacht.
Windstärke und Größe des Drachens müssen passen
"Es ist wichtig, dass das Gewicht des Piloten, die Größe des Drachens und die Windstärke zusammenpassen", sagt Ralf Dietrich. Der langjährige Autor mehrerer Drachenmagazine und Bücher sowie Veranstalter verschiedener Drachenfestivals betreibt von Dänemark aus eine der wichtigsten Anlaufstellen für alle Dracheninteressierten im Internet: "Größere Parafoils mit über 1,80 Meter Spannweite entwickeln Zugkräfte, die man erst einmal beherrschen können muss."
Apropos Windkraft: Es ist übrigens ein Trugschluss zu glauben, dass das Drachensteigenlassen umso mehr Spaß macht, je stärker der Wind bläst. Ganz im Gegenteil sogar sollten Windstärken von mehr als 5 auf der Beaufort-Skala gemieden werden, was einer Windgeschwindigkeit von bis zu 38 km/h entspricht. Das ist in etwa der Bereich, in dem man den Wind schon hören kann und sich Äste zu bewegen beginnen, dünnere Bäume schwanken.
Viele Drachen fliegen aber schon bei relativ wenig Wind ab etwa 2 Beaufort. Das ist nur eine leichte Brise mit Windgeschwindigkeiten ab sechs km/h, bei der die Blätter zu rascheln beginnen. Für welche Windstärke ein Modell am besten geeignet ist, findet sich ebenfalls auf der Verpackung des Drachens aufgedruckt.
Mit dem Drachen allein ist es natürlich nicht getan. Die Leine hat ebenfalls einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Flugkünste des Drachens. Grundsätzlich darf sie in Deutschland laut Luftverkehrsordnung nicht länger als 100 Meter sein, es sei denn es liegt eine entsprechende Erlaubnis der Behörden vor, die ein Aufsteigen in größere Höhen genehmigt. Meist reicht das aber für einen Einleinerdrachen absolut aus. Lenkdrachen werden ohnehin oft nur mit Leinen von 20 bis 30 Metern geflogen, um sie besser beherrschen zu können.
Was Anfänger oft vergessen
Die Leine ist ihrerseits nicht nur am Drachen, sondern am anderen Ende auch an einem Griffstück befestigt. Nicht nur Einsteiger greifen hierbei gerne zu den bewährten Ringen, da sie sich besonders bequem handhaben lassen. Unterschiedliche Farben helfen dabei, den Überblick zu behalten. "Allerdings sollte man die Leine vor dem ersten Flug komplett abwickeln und sicherstellen, dass das Ende der Leine am Griff befestigt ist", sagt Volker Hoberg. Der erfahrene Drachendesigner und gelernte Segelmacher weiß, dass Anfänger das immer wieder vergessen, denn Hoberg hat schon etliche Drachenfeste auf der ganzen Welt besucht.
Wer ein geeignetes Gelände gefunden hat, kann endlich loslegen. Als Drachenpilot stellt man sich so hin, dass der Wind von hinten kommt, ihm also in den Rücken bläst. "Der Drachen muss nicht hochgeworfen werden", weiß Volker Hoberg. "Wenn Wind weht, braucht auch nicht gelaufen zu werden." Der Experte, der schon mit der neuseeländischen Drachenbaulegende Peter Lynn zusammengearbeitet hat, empfiehlt vielmehr: "Beim Start sollte die obere Spitze des Drachens nach oben zeigen." Jetzt wird ein gleichbleibender Zug mit der Leine auf den Drachen ausgeübt und er steigt auf.
Wichtig: Zu keinem Zeitpunkt darf mit bloßen Händen in die Leinen gegriffen werden, denn das kann zu bösen Schnittverletzungen führen.
Die Beaufort-Windstärkeskala
- 0: Windstille, weniger als 1 km/h, Rauch steigt senkrecht auf
- 1: Leiser Zug, 1 - 5 km/h, Der Rauch steigt nicht mehr ganz gerade auf und wird leicht abgetrieben
- 2: Leichte Brise, 6 - 11 km/h, Blätter bewegen sich und beginnen zu rascheln, Drachenwind
- 3: Schwacher Wind, 12 - 19 km/h, dünne Zweige bewegen sich, Drachenwind
- 4: Mäßiger Wind, 20 - 28 km/h, Staub und Papier werden vom Boden aufgewirbelt und fliegen durch Luft, Zweige bewegen sich, Drachenwind
- 5: Frischer Wind, 29 - 38 km/h, Äste bewegen sich, dünnere Bäume beginnen zu schwanken, Drachenwind
- 6: Starker Wind, 39 - 49 km/h, Stabile Äste bewegen sich, Regenschirme sind nur schwer zu halten
- 7: Steifer Wind, 50 - 61 km/h, Bäume bewegen sich und schwanken
- 8: Stürmischer Wind, 62 - 74 km/h, Zweige brechen ab, das Gehen wird erheblich erschwert
- 9: Sturm, 75 - 88 km/h, Äste brechen ab, Schäden an Hausdächern entstehen
- 10: Schwerer Sturm, 89 - 102 km/h, Bäume brechen, größere Schäden an Häusern
- 11: Orkanartiger Sturm, 103 - 117 km/h, Bäume werden entwurzelt, Dächer werden abgedeckt, Sturmschäden
- 12: Orkan, ab 118 km/h, schwere Verwüstungen
Beim klassischen Einleinerdrachen lässt sich die Flugstabilität übrigens ganz einfach durch einen langen Schwanz verbessern. Damit der Drachen auch noch abheben kann, sollte dieser allerdings nicht allzu schwer sein.