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Schulanfang 2024 200 Euro allein für Hefte, Bücher und Material - pro Schulkind

Die Schulbesorgungen, stellen Eltern jedes Jahr aufs Neue vor eine Herausforderung. Oft kosten sie viel Zeit, Nerven und Geld. Wie sie es sich einfacher machen und wo sie sparen können.

Von Helene Klib 01.08.2024, 13:15

In diesem Jahr kann Saskia Wilde dem ersten Tag nach den Sommerferien fast schon entspannt entgegensehen: „Für meinen Sohn, der in die erste Klasse kommt, musste ich ,nur’ den Inhalt der Federmappe besorgen“, erzählt die Hallenserin, „und natürlich einen Ranzen, Zubehör wie Brotdose und Trinkflasche, einen Sportbeutel und eine Schultüte.“

Bücher, Hefte und Workbooks stellt die Schule. „Dann gibt es einen Termin, an dem man die Materialien – teilweise schon mit Namensaufklebern – ausgehändigt bekommt“, erzählt Wilde. „Das ist Luxus.“

Ewiges Überlegen

Für ihre neunjährige Tochter, die nach den Ferien in die vierte Klasse geht, sieht das anders aus. „Vor ihrer Einschulung war ich völlig überfordert“, sagt die 36-Jährige. „Da habe ich beim dritten Einkaufsanlauf fast geheult, weil ich immer noch nicht alles finden konnte und natürlich nicht wollte, dass es meinem Kind an etwas fehlt. Selbst in diesem Jahr stand ich wieder ewig im Schreibwarenladen und habe mit der Verkäuferin hin und her überlegt, welche Lineatur es nun sein soll.“

So wie Saskia Wilde geht es vielen Eltern. „Tatsächlich ist es gängige Praxis, dass auf den Materiallisten sehr viele verschiedene Dinge aufgeschrieben werden und sich Eltern häufig darüber beschweren oder zumindest den Kopf schütteln“, sagt Thekla Mayerhofer, Vorstandsvorsitzende des Grundschulverbandes Sachsen-Anhalt. Dabei müssen Eltern nicht mehr Materialien besorgen als früher, schätzt Mayerhofer.

„Aber leider auch nicht weniger. Und es gibt einen Trend dahin, dass es beispielsweise für Mathe und Deutsch nicht mehr ein großes Arbeitsheft gibt, sondern mehrere kleine, oder wenigstens Heft A und Heft B.“ Das sei insofern sinnvoll, als dass die Kinder nicht jeden Tag ein dickes Heft mitbringen müssten und schneller das Gefühl hätten, einen Lernabschnitt gemeistert zu haben. „Aber das macht es auch unübersichtlicher“, sagt Mayerhofer. „Und wenn zu jedem Heft Umschläge kommen, summiert sich das.“

Oft teuer und wenig nachhaltig

Eltern kostet das Besorgen oft Zeit, Nerven und eine Menge Geld. Auch Saskia Wilde, die zweifache Mutter aus Halle sagt: „Wir kommen gut auf 200 Euro an Heften, Büchern und Material – pro Kind“, sagt sie. „Dazu kommt die Schultüte und die Einschulungsfeier. Das ist schon verrückt.“

Zwar gibt es eine finanzielle Unterstützung durch das Bildungs- und Teilhabepaket. Allerdings erhalten diese nur sozial schwache Familien. „Es gibt aber viele Familien mit einem ,Dazwischen-Einkommen’“, sagt Mayerhofer vom Grundschulverband Sachsen-Anhalt. „Diese verdienen gerade zu viel, um gefördert zu werden, aber nicht genug, um die Schulmaterialien einfach so locker bezahlen zu können.“

Umso größer ist dann der Frust, wenn die gekauften Materialien nur wenig oder gar nicht genutzt werden. „Das ist so ein wunder Punkt“, sagt auch Saskia Wilde. „Am Ende des Schuljahres bekommen die Kinder das Material mit nach Hause – und als Eltern stellt man dann erstaunt fest, wie viel da nicht gemacht ist.“ Etwa das Deutsch-Arbeitsheft ihrer Tochter ist gerade einmal zur Hälfte ausgefüllt, in den Arbeitsheften für Ethik und Sachunterricht und ist nahezu nichts gemacht.

Leider sei das keine Seltenheit und lasse sich nicht schönreden, sagt auch Mayerhofer. Für sie ist dabei aber nicht nur der Unmut der Eltern zentral, sondern auch der Nachhaltigkeitsaspekt. „Auch die Kinder bekommen diesen Unsinn des Verschwendens ja ganz klar mit. Und gerade Viertklässler fragen da durchaus nach, warum sie zum Beispiel ein neues Heft für ein Fach nehmen sollen, obwohl in dem alten erst zwei Seiten beschrieben sind.“

Perfektionsdruck ablegen

Einen Teil des Problems sieht Mayerhofer dabei in der vorherrschenden Mentalität: „Zum Schuljahresanfang soll alles perfekt sein und alle Materialien sollen da sein.“ Dabei ergibt das ihrer Erfahrung nach oft wenig Sinn: „Gerade für Erstklässler ist das schwierig. Zum Beispiel haben viele Verlage Normalhefte, Förderhefte und Forderhefte. Da wäre es wichtig, erst die Kinder kennenzulernen und dann entsprechend ihres Lernstands das passende Material zu bestellen.“

Aus diesem Grund sagt Mayerhofer: „Ich appelliere an die Eltern, dafür zu sorgen, dass das Kind die Materialien hat, die es haben soll – aber das Ganze trotzdem zu hinterfragen.“ So braucht es nicht jedes Jahr eine neue Federmappe. „Es reicht, wenn das Kind einen neuen spitzen Bleistift und einen Radiergummi dabei hat und ein gebrochenes Lineal ersetzt wird.“

Ähnlich sieht es bei halb gefüllten Schreibheften aus: „Eltern dürfen den Mut haben, kein neues Heft zu kaufen, wenn in dem alten erst drei Seiten beschrieben sind“, sagt Mayerhofer. „Und selbst wenn die Lineatur eigentlich noch die von Klasse drei ist und es in Klasse vier nur eine Linie sein soll, können Eltern durchaus in Konfrontation mit der Lehrkraft gehen und ihnen ihre Position erklären.“

Mit Blick auf die Nachhaltigkeit empfiehlt sie zudem Umschläge aus Stoff, die länger halten als solche aus Plastik. „Und es ist okay, wenn die Kanten bei einem Papphefter abgenutzt sind und der Hefter dadurch nicht perfekt aussieht. Natürlich sollten die Sachen pfleglich behandelt werden. Aber man darf ihnen ansehen, dass die Kinder damit arbeiten.“

Zudem sieht Mayerhofer die Lehrkräfte in der Verantwortung: „Ich glaube, dass an vielen Stellen die Schulen unreflektiert Dinge aufschreiben, die es gut wäre, zu haben, aber die man vielleicht nicht braucht. Besser wäre es, nach Bedarf zu gehen und zum Halbjahresende hin noch eine Liste auszugeben.“

Kleinanzeigen-Portale und Kreativität helfen

Sinnvoll ist auch die landesweite Schulbuch-Ausleihe, bei der sich an jeder Schule jedes Buch für drei Euro pro Jahr leihen lässt. Zudem sind Kleinanzeigen-Portale eine gute Quelle. „Aus Spaß habe ich einmal reingeschaut und festgestellt, dass sich die meisten Materialien gut dort besorgen lassen“, sagt Mayerhofer.

Bei anderen Dingen dürfen Eltern kreativ werden. „Manche Schulen fordern eine spezielle Malschürze für den Kunstunterricht“, sagt Mayerhofer. Ihrer Meinung nach völlig unnötig: „Genauso gut können Eltern doch ein altes T-Shirt nehmen, an den Seiten aufschneiden und den Stoff hinten ein bisschen enger knoten.“ All das schont das Budget – und sicher auch die Nerven.