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Besser in der Gruppe? Forscher untersuchen Schwarmverhalten

Tierschwärme bieten Individuen Vorteile - sie sorgen etwa dafür, dass Gruppenangehörige leichter etwas zu fressen finden. An der Universität Konstanz erforschen Wissenschaftler kollektives Verhalten. Kann man auch Erkenntnisse für den Menschen ableiten?

Von Kathrin Drinkuth (Text) und Felix Kästle(Fotos), dpa 15.01.2018, 12:03

Konstanz (dpa) - Auf den ersten Blick wirken die kleinen Fische ein wenig orientierungslos. Die Buntbarsche schwimmen in ihrem Becken hin und her, ab und an verlässt mal ein Tier die Gruppe, kommt aber bald wieder zurück.

Alex Jordan sieht in den Bewegungen der Fische mehr als nur einfaches Herumschwimmen - der Biologe forscht an der Universität Konstanz dazu, wie sich Tiere in Schwärmen verhalten. Konkret schaut er sich an, wie die Gruppe das Verhalten des Einzelnen beeinflusst und umgekehrt.

"Wir sind durch neue Technik in der Lage, auch kollektives Verhalten neu zu erforschen", sagt Jordan. Früher habe man vor allem Individuen betrachtet - schlicht und einfach, weil es nicht möglich oder sehr aufwendig war, eine ganze Gruppe zur gleichen Zeit zu beobachten. "Vorher galt: ein Taucher, ein Fisch. Jetzt nutzen wir technische Möglichkeiten, um zum Beispiel die Bewegung der Tiere im Schwarm zu untersuchen, etwa, indem wir mehrere Kameras verwenden."

An der Konstanzer Uni ist 2016 ein Spitzenforschungszentrum zur Untersuchung von Schwarm- und Kollektivverhalten entstanden, in dem Verhaltensbiologen und Experten aus den Bereichen Computergrafik und Datenanalyse miteinander arbeiten. Auf Grundlage der Analyse und Visualisierung von Bewegungsdaten großer Tierschwärme wollen die Wissenschaftler neue Ansätze für die Erforschung von Schwarmverhalten und Gruppendynamiken in Tierkollektiven schaffen. In einem Experiment beispielsweise prüfen die Wissenschaftler um Jordan, wie Informationen innerhalb der Gruppe weitergegeben werden.

Im Wesentlichen funktioniert das so: Einem der Buntbarsche wird mithilfe von Konditionierung beigebracht, zwischen gelbem und blauem Licht zu unterscheiden - leuchtet die eine Farbe, gibt es Futter, leuchtet die andere, gibt es kein Futter. Kommt der Fisch zurück in die Gruppe, können die anderen Tiere von ihm lernen, indem sie sein Verhalten nach und nach kopieren. Damit die einzelnen Fische erkannt werden können, tragen sie ein kleines Plättchen mit einer Art Barcode auf dem Kopf.

Dabei beobachteten die Forscher ein interessantes Detail: Wenn der Fisch zu Beginn des Experiments aus der Reihe tanzt und den anderen Gruppenmitgliedern entgegen zum gelben Licht schwimmt, weil nur er weiß, dass es dort Futter gibt, wird das von den anderen Tieren im Schwarm eher wahrgenommen, wenn es sich um einen untergeordneten Fisch handelt. "Das dominante Tier schwimmt ohnehin viel hin und her", sagt Jordan. Daher werde das neue Verhalten von den anderen Gruppenmitgliedern erst mal gar nicht als ungewöhnlich bemerkt.

Aber was macht man mit solchen Erkenntnissen? Ein Beispiel gibt Jens Krause vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Der Wissenschaftler leitet gemeinsam mit seinem Team aus dem Schwarmverhalten etwa von Fischen Modelle für die Dynamik von Menschenmengen ab. "Wir haben uns zum Beispiel angeschaut, wie sich Tiere in der Gruppe bewegen." Dabei fanden die Forscher heraus, dass wenige Tiere mit einer Richtungspräferenz ausreichen, um eine Gruppe zu steuern. Das wiederum testeten die Wissenschaftler an Gruppen mit bis zu 200 Menschen. "Auch hier können große Gruppen gelenkt werden, wenn einige Wenige wissen, wo es langgeht."

Aber auch zu Entscheidungsprozessen gibt die Schwarm-Forschung wertvolle Hinweise: "Wir haben uns angesehen, wie etwa Ärzte Brust- und Hautkrebs diagnostizieren", sagt Krause. In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher, wie sich dieses Erkennen mit Methoden der kollektiven Intelligenz verbessern lässt. Das Ergebnis: Wenn man die Meinungen von mindestens drei Medizinern miteinander verrechnet, kann das Ergebnis besser sein als das des besten einzelnen Arztes in der Gruppe. Auch beim Menschen fallen demnach kollektiv getroffene Entscheidungen oft besser aus als die Wahl von Einzelkämpfern.