Zwischen Traubenmost und Wein Federweißer: Ein Vorbote für den Herbst
Die einen lieben Federweißen mit Zwiebelkuchen oder Maronen, andere sind dem oft süßlichen Getränk gegenüber skeptisch. Dabei hat man daheim selbst Einfluss darauf, wie der Traubenmost schmeckt.
Neustadt an der Weinstraße/Bodenheim - Sauser, Bitzler oder Sturm – je nach Region hat der „neue Wein“ einen eigenen Namen. Überregional ist er vor allem als Federweißer bekannt. Denn die Hefeteilchen darin schweben wie kleine Federchen durchs Glas und trüben den Most leicht milchig ein. Für viele steht das alkoholische Getränk für süffig entspannten Genuss.
„Für mich ist Federweißer immer der Vorbote auf den Herbst“, sagt Simone Gutting, Betriebsleiterin auf dem Weingut Mohr-Gutting in der Pfalz. Tatsächlich ist das Getränk ein saisonales Produkt und kommt dann in den Verkauf, wenn im Weinanbau die Lesezeit beginnt. Das ist infolge des Klimawandels immer früher – die frühreifen Rebsorten sind oft schon Mitte August bereit für die Ernte.
Dann unterscheidet sich die Herstellung vom Federweißen zunächst nicht vom Wein: Trauben werden gepresst und Hefen wandeln den Zucker im Saft in Alkohol und Kohlensäure um. Während der Gärung wird der Federweiße abgefüllt – und schmeckt dann je nach Stadium süßer oder enthält bereits mehr Alkohol. Für den Handel wird Federweißer schon in Flaschen gefüllt, bevor diese sogenannte alkoholische Gärung beginnt. „Ein gärendes Produkt zu transportieren, wäre extrem schwierig“, erläutert Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI).
Durch die größere Menge Restzucker schmeckt der Federweiße zu Beginn noch relativ süß und bitzelt außerdem leicht auf der Zunge. Und wer ihn ans Ohr hält, hört ein Geräusch, das an leichtes Meeresrauschen erinnert, weshalb man ihn in manchen Regionen auch Rauscher nennt.
Selbst zum Kellermeister werden
„Wer Federweißen kauft, kann ab dann selbst bestimmen, ob er ihn lieber süßer oder herber trinkt“, sagt Simone Gutting. Schließlich sind die Hefen noch aktiv. „Wenn die Gärung zuhause einsetzt, hat man ein lebendiges Getränk“, ergänzt Ernst Büscher. Je wärmer man die Flaschen lagert, desto aktiver sind die Hefen und wandeln weiter Zucker in Alkohol um.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, ihn zu trinken? Das ist Geschmacksache. „Da gibt es kein richtig und kein falsch“, sagt Büscher. Nur irgendwann kein Zurück mehr. Denn die alkoholische Gärung könne man nicht rückgängig machen. „Wenn der Federweißer für den eigenen Geschmack zu herb ist, kann man zur Not aber noch etwas Traubensaft zugießen“, empfiehlt der Weinexperte.
Hat das Getränk die passende Balance aus Süße, Alkohol und Fruchtsäure erreicht, kommt es in den Kühlschrank. „Bei den Temperaturen sind die Hefen kaum noch aktiv“, sagt Büscher. Für viele sei das Getränk dann besonders gut, wenn es drei bis vier Tage im Warmen stand und dann etwa halb durchgegoren ist.
Nach voller Gärung nicht zu lange warten: Es droht ein Essigstich
Die vollständige Gärung sei meist nach etwa einer Woche erreicht. „Dann hat man einen Wein mit vielleicht zehn bis elf Volumenprozent Alkohol, der wegen der Hefen darin immer noch etwas naturtrüb ist“, sagt Büscher. Jetzt sollte die Flasche nicht mehr zu lange aufbewahrt werden. Denn: „Der Federweiße kann dann einen Essigstich bekommen oder sich durch Oxidation bräunlich einfärben.“ Auch deshalb gibt es Federweißen immer nur ein paar Wochen im Handel.
„Genau das macht ihn für mich auch so besonders. Ich kann ihn nur zur Weinlese herstellen und anbieten. Und in die Zeit passt er dann auch“, sagt Weinbäuerin Simone Gutting. Für sie löst er, schön gekühlt, in den Herbstmonaten den sommerlichen Secco ab. „Federweißer ist ja in der Regel auch nicht besonders komplex, sondern einfach ein Getränk zum Spaß haben“, so Gutting. Für die Pfälzerin ist die Produktion ein wichtiges Standbein neben dem klassischen Weingeschäft. Das hat in ihrer Familie Tradition: Ihr Großvater, Franz Mohr, ist Pionier für Federweißen aus der Pfalz – dank einer smarten Idee.
Mit einem Trick zum Federweißerpionier
In den 1950er Jahren gab es vor allem „neuen Wein“ aus Italien auf dem Markt. Das lag auch daran, dass die damals noch strenge deutsche Leseordnung den Erntestart oft erst im Oktober erlaubte – zu spät für viele Weinfeste in der Region. „Mein Großvater hat dann frühreife Rebsorten gepflanzt und für die Lese eine Ausnahmegenehmigung bekommen“, erklärt Simone Gutting die Idee ihres Opas. So konnte er den ersten Federweißen im Land anbieten – und war damit schnell eine kleine Berühmtheit.
Bis heute kommt viel Federweißer aus der Pfalz. So ist wohl auch die Tradition entstanden, Maronen dazu zu essen. „Davon wachsen viele Bäume in der Region. Und wenn es Federweißen gab, waren auch die Kastanien reif“, sagt Büscher. Ganz klassisch gibt es aber Zwiebelkuchen. „Ich finde deftigere Gerichte dazu super. Darauf freut man sich auch, wenn man aus der leichten Sommerküche kommt, sagt Gutting. Ihre Empfehlung: Pfälzer Herbstthaler, ein knuspriger Snack mit Blut- und Leberwurst.
Kohlensäure von der Gärung ist Herausforderung für den Transport
„Früher hat man Federweißen vor allem in Weinregionen getrunken“, sagt Ernst Büscher. Dank besserer Kühlketten gebe es ihn heute aber in ganz Deutschland zu kaufen. Eine Herausforderung für die Logistik ist es aber immer noch. Weil bei der Gärung neben Alkohol auch Kohlensäure entsteht, sind die Flaschen nur mit einer luftdurchlässigen Kapsel verschlossen. Andernfalls kann das Gas die Flasche zum Platzen bringen. Das bedeutet aber auch: Wenn die Flasche hingelegt wird – egal ob beim Transport oder zuhause –, läuft das Getränk aus.
Wichtig sei außerdem, dass auch nach Auslieferung an den Handel die Kühlkette eingehalten werde. „Sonst gärt der vor sich hin und niemand weiß, wo der Federweiße gerade geschmacklich steht“, sagt Gutting. Deshalb empfehle sie, das saisonale Getränk beim Fachhändler zu kaufen – oder gleich auf dem Weingut.