Gesundheit Kann man ohne Milz leben? Welche Organe lebensnotwendig sind, und welche nicht
Jeder Mensch verfügt über 29 Organe. Manche von ihnen, wie das Herz oder die Lunge, sind lebensnotwendig. Wenn sie ausfallen oder funktionsunfähig werden, hilft meist nur noch eine Organtransplantation. Es gibt aber auch Organe, ohne die wir gut leben können. Welche das sind, erfahren Sie hier.

Halle (Saale)/MZ. - Über die Zahl der menschlichen Organe gibt es unterschiedliche Angaben. Bei der Zählweise kommt es darauf an, was man alles zu den Organen zählt oder ob sie im Organsystem betrachtet werden.
Unbestritten ist aber, dass jeder Mensch mindestens über diese 29 Organe verfügt: Augen, Bauchfell, Bauchspeicheldrüse, Blut, Blutgefäße, Eierstöcke (weiblich), Gallenblase, Gebärmutter (weiblich), Gehirn, Geschlechtsorgane (männlich oder weiblich), Harnblase, Haut mit Unterfettgewebe, Herz, Hoden (männlich), Knochenmark, Leber, Lunge, Lymphsystem, Magen-Darm-Kanal, Milz, Muskeln, Nase, Nebenniere, Niere, Ohren mit Innenohr und Labyrinth (Gleichgewichtsorgan), Schilddrüse, Skelett, Thymusdrüse (nur bei Kindern und Jugendlichen) und Zunge.
Menschliche Organe: Nicht alle lebensnotwendig
Aber nicht alle Organe sind lebensnotwendig. Nach Unfall, Entzündung, Steinleiden oder Tumoren können einige entfernt werden, ohne dass sie durch ein Spenderorgan, ein künstliches Organ oder dauerhaft medikamentös ersetzt werden müssen.
Prof. Dr. Jörg-Peter Ritz von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie sieht dafür drei entscheidende Gründe: „Zum einen gibt es Organe, deren Funktion im Laufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen verzichtbar geworden ist“, sagt Ritz.
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„Daneben gibt es Organe, die ihre lebenswichtige Funktion vor allem im Kindes- und Jugendalter ausüben und danach relativ unproblematisch entfernt werden können. Und schließlich gibt es Organe, die praktischer Weise mehrfach vorhanden sind“, so der Ritz.
Blinddarm kann im Fall einer Entzündung entfernt werden
Der Wurmfortsatz des Blinddarms ist beispielsweise ein Organ, dessen Funktion seine Bedeutung innerhalb der Menschheitsentwicklung verloren hat. Zwar wird dem Wurmfortsatz - der irrtümlicherweise im Volksmund häufig als Blinddarm bezeichnet wird, jedoch ein Anhängsel dessen ist - eine Funktion bei der Immunabwehr zugeschrieben.
Diese spielt aber in Ländern mit guten Hygienestandards keine Rolle mehr, sodass er im Falle einer Entzündung problemlos entfernt werden kann.
Gallenblase ist nicht lebensnotwendig
Die Gallenblase hingegen speichert die in der Leber produzierte Gallenflüssigkeit. Bei der Nahrungsaufnahme zieht sie sich zusammen und gibt die gespeicherte Flüssigkeit zur Fettverdauung in den Darm ab. In der frühen Menschheitsgeschichte, in der selten, dafür aber in viel größeren Mengen gegessen wurde, benötigte man viel Gallensaft auf einmal und die Gallenblase war durchaus notwendig.
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Heute jedoch essen die Menschen in den Industrieländern häufiger und deutlich kleinere Mahlzeiten. Auf den rückgespeicherten Gallensaft kann bei entsprechender Ernährungsweise verzichtet werden. Entzündet sich die Gallenblase oder machen Gallensteine Probleme, kann sie entfernt werden, ohne dass die meisten Betroffenen danach Probleme beim Essen bekommen.
Milz kann bei Erwachsenen ersatzlos entfernt werden
Die Milz gehört zu jenen Organen, die bei Erwachsenen ersatzlos entfernt werden können. Typisch ist das nach einem Riss infolge Gewalteinwirkung. Dann hat sie eine ihrer wesentlichen Aufgaben, die Bildung roter Blutkörperchen, bereits abgeschlossen. Die Aufgaben, die die Milz darüber hinaus bei der
Immunabwehr spielt, kann der Körper zum größten Teil kompensieren. „Um Infektionen vorzubeugen, zu der Menschen ohne funktionsfähige Milz neigen, werden gesunde Erwachsene im Falle einer Milzentfernung lediglich geimpft“, erläutert Professor Ritz. „Weitere Maßnahmen sind meist nicht notwendig.“
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Besonders gut hat die Natur eingerichtet, dass einige Organe mehrfach im menschlichen Körper vorhanden sind. Wird eines davon entfernt, übernimmt in der Regel das verbleibende beziehungsweise die verbleibenden die Funktion des entfernten Organs. Bekannt ist das zum Beispiel bei den Nieren.
Nebenschilddrüse: Kranke Organe können entfernt werden
Aber auch bei den weniger bekannten Nebenschilddrüsen wirkt dieses Prinzip. Diese vier linsengroßen hormonbildenden Organe sitzen paarweise rechts und links der Schilddrüse. Sie produzieren das Parathormon, das den Calcium- und Phosphat-Stoffwechsel im Körper reguliert.
Eine Vergrößerung einer der vier Nebenschilddrüsen kann eine Überfunktion auslösen und lässt in der Folge den gesamten Calcium- und Phosphat-Haushalt entgleisen.
„Entfernt man dieses erkrankte Organ, normalisiert sich der Parahormonspiegel im Blut bereits während der Operation“, berichtet der erfahrene Chirurg Ritz. „Und die verbleibenden Nebenschilddrüsen übernehmen die Funktion. Ein Hormonersatz durch Medikamente ist nicht notwendig.“
Wenn eine Niere entfernt wird, übernimmt die andere
Ähnlich verhält es sich dem Facharzt zufolge bei den paarweise angelegten Nebennieren. Auch sie sind hormonbildende Organe, die im Falle eines Tumors vielfältige Krankheitsbilder hervorrufen können. Entfernt der Chirurg die betroffene Nebenniere, übernimmt das Organ der Gegenseite die volle Funktion und dem Patienten geht es sehr schnell besser, ohne dass weitere Maßnahmen erforderlich sind.
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Diese Erkenntnisse der Anatomie, Physiologie und Genetik haben auch in der jüngsten Vergangenheit die chirurgische Vorgehensweise bei bestimmten Erkrankungen beeinflusst und verändert. „Gemeinsam mit der steten Weiterentwicklung der Operationsverfahren und -techniken sind sie die Basis einer erfolgreichen, modernen Allgemein- und Viszeralchirurgie“, sagt Dr. Grit Czapla, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie in Berlin.
Blutwäsche: Nur eine Niere ist lebensnotwendig
„Auf Herz und Nieren“ prüfen - allein diese Redensart deutet auf zwei Organe von grundlegender Bedeutung hin. Herz und Nieren übernehmen unverzichtbare Funktionen im menschlichen Körper. Besonderheit der Nieren: Jeder Mensch hat zwei, aber lebensnotwendig ist eigentlich nur eine. Die Natur hat sozusagen ein Reservepolster angelegt.
Gesunde Nieren funktionieren wie eine „Kläranlage“, indem sie die Giftstoffe aus dem Blut herausfiltern. Täglich werden rund 1 800 Liter Blut „gewaschen“, ungefähr 15 Badewannen. Zugleich helfen Nieren durch die Zu- und Abschaltung eines komplexen Hormonsystems bei der Regulierung des Blutdrucks. Die Nieren gleichen ferner den für den Stoffwechsel elementaren Säure-Basen-Haushalt aus und sorgen für einen gut ausbalancierten Wasser- und Elektrolythaushalt.
Diese zentralen Aufgaben lassen erahnen, was passiert, wenn die Nieren versagen. Nierenerkrankungen betreffen niemals nur die Nieren selbst, sie wirken stets auf den gesamten Organismus. Schon geringe Einschränkungen der Nierenfunktion erhöhen das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen erheblich. Ein Komplettausfall würde ohne medizinisches Eingreifen unweigerlich zum Tode führen. Vor allem Diabetes und Bluthochdruck können den Nieren Schaden zufügen.
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Langjähriger, unbehandelter Bluthochdruck ist die mit Abstand häufigste Ursache für ein chronisches Nierenversagen. Bis sich jedoch erste Symptome zeigen, vergehen oft Jahre. Der bis dahin unter Umständen erlittene Verlust von Nierengewebe ist unumkehrbar. Wenn die Nieren versagen, retten Dialyse und Transplantation viele Leben.
Dabei ist es unter Verwandten statthaft und von medizinischer Seite durchaus erwünscht, eine Niere zu spenden. Spender und Empfänger leben danach mit jeweils nur einer Niere weiter. Die Lebenserwartung des Spenders wird dadurch nicht verkürzt, und für den Empfänger ist das Weiterleben mit der Niere eines nahen Verwandten die beste aller möglichen Therapien.
Gallenblase: Bei Beschwerden müssen Steine entfernt werden
„Die Galle läuft ihm über“ oder „Die Galle kommt ihr hoch“: Solche Sprüche treffen oft Leute, die Wut und Aggressionen zu lange heruntergeschluckt haben und endlich ihren Gefühlen Luft machen. Kaum ein Organ im menschlichen Körper wird so häufig mit negativen Emotionen in Verbindung gebracht wie die Galle. Dabei hat sie eine überaus wichtige Funktion: Ihr zähflüssiges Sekret sorgt für eine reibungslose Verdauung von Fetten.
„Über ein halber Liter Gallensaft entsteht in der Leber pro Tag“, sagt Prof. Frank Lammert, Vorstand bei der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen. Nach seinen Angaben besteht die Gallenflüssigkeit größtenteils aus Wasser, aber unter anderem auch aus Cholesterin, Kalk und Pigmenten. Diese Stoffe sind normalerweise im Wasser gelöst. Geraten sie aber in ein Ungleichgewicht, bilden sich Kristalle. Es entstehen Gallensteine.
Gallensteine: Entzündungen vorbeugen
Nicht immer sorgen Gallensteine für Beschwerden. „Rund 75 Prozent der Betroffenen merken hiervon gar nichts“, so der Mediziner. Gefährlich werden die Steine, wenn sie in den Gallengang gespült werden und dort hängenbleiben. Denn in der Folge staut sich das Gallensekret und kann nicht mehr in den Darm fließen. Dort sorgt die Gallenflüssigkeit - normalerweise - für die Auflösung von Fetten.
Das bleibt aus, wenn die Gallenflüssigkeit aufgrund von Steinen nicht mehr in den Darm gelangt. „Im Gallengang festsitzende Steine können Entzündungen der Gallenblase verursachen sowie der Bauchspeicheldrüse“, erklärt Lammert. Bei Nichtbehandlung drohen schwere Schäden der Leber, Blutvergiftung oder Gelbsucht. Übergewicht und mangelnde Bewegung begünstigen die Entstehung von Gallensteinen.
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„Rund 25 Prozent aller Gallensteinträger sind erblich vorbelastet“, sagt Lammert. Frauen sind eher betroffen als Männer, erklärt der Arzt. Das liegt vor allem daran, dass fünf Prozent aller Schwangeren Gallensteine entwickeln. „Die Antibabypille kann ebenfalls die Entstehung von Gallensteinen begünstigen.“
Gallenstein löst Schmerzen im Oberbauch aus
Bemerkbar machen sie sich etwa durch Schmerzen im Oberbauch, Völlegefühl oder Übelkeit. „Die Beschwerden treten oft nach einer großen und fettreichen Mahlzeit auf“, weiß Ursula Sellerberg, stellvertretende Pressesprecherin bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) in Berlin. Es kann auch völlig unerwartet zu einer Gallenkolik kommen.
„Dabei treten für mindestens 15 Minuten starke Schmerzen im Oberbauch auf, die bis in die Schulter oder in den Rücken ausstrahlen können“, erklärt Lammert. Auslöser einer solchen Kolik ist in aller Regel, dass ein Stein von der Gallenblase in den Gallengang rutscht und ihn verstopft.
Wenn Gallensteine zu derartigen Beschwerden führen, sollten sie mitsamt der Gallenblase aus dem Körper herausgelöst werden, sagt Lammert. Gallensteine können zwar auch mit Stoßwellen zertrümmert werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich danach rasch neue Steine bilden. Gegen Gallensteine können auch Medikamente helfen. „Eine solche Therapie ist aber nur bei sehr kleinen Steinen erfolgreich und dauert in der Regel Monate bis Jahre“, sagt Sellerberg.
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Wer Gallenbeschwerden vorbeugen will, sollte sich ausgewogen ernähren und sich möglichst viel bewegen. Da Körper und Seele eine Einheit bilden und blockierte Gefühle wie Aggressionen und Wut die Lebensenergie aus dem Takt bringen können, helfen Menschen mit Neigung zu Gallenbeschwerden möglicherweise auch ein Achtsamkeits-Training oder Entspannungsübungen. Dazu rät die Münchner Heilpraktikerin Ursula Hilpert-Mühlig. Sie ist Vizepräsidentin des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker (FDH) mit Sitz in Bonn.