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„Der Bedarf steigt“ Telefonseelsorge vor allem nachts gefragt

Rund um die Uhr haben Ehrenamtliche der Telefonseelsorge ein offenes Ohr für Anruferinnen und Anrufer. In Gesprächen über Einsamkeit, das marode Gesundheitssystem oder Suizidgedanken bleibt die Anonymität gewahrt. Dies gilt auch für Chats und Mails.

Von dpa Aktualisiert: 16.01.2023, 07:27
Ein Mann ruft mit seinem Handy bei der Telefonseelsorge an. Der Bedarf nach dieser Art von Gesprächen, steigt.
Ein Mann ruft mit seinem Handy bei der Telefonseelsorge an. Der Bedarf nach dieser Art von Gesprächen, steigt. picture alliance / Markus Scholz/dpa

Hannover - Anruferinnen und Anrufer benötigen meist mehrere Versuche, um bei der Telefonseelsorge in Niedersachsen durchzukommen. „Nach unserer Beobachtung ist der Bedarf weiterhin hoch und vielleicht sogar gestiegen“, sagte Daniel Tietjen der Deutschen Presse-Agentur.

Tietjen ist Beauftragter für Telefonseelsorge der hannoverschen Landeskirche und fügt hinzu: „Das Thema Einsamkeit beschäftigte uns schon vor 2019 sehr, durch die Pandemie wurde es noch verstärkt.“ Betroffen seien alle Altersgruppen, auch in der Stadt. In jüngster Zeit erfahren die ehrenamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger laut Tietjen vermehrt von Sorgen und Ängsten, weil Menschen keine Hilfe bei gesundheitlichen Problemen finden, zum Beispiel Schwierigkeiten haben, einen Arzt- oder Therapeuten-Termin zu bekommen.

Telefongespräche vor allem nach 17 Uhr

Das Gesprächsangebot unter strenger Wahrung der Anonymität steht sieben Tage die Woche rund um die Uhr zur Verfügung. Die Nummern lauten 0800 1110111, 0800 1110222 und 116 123. Es gibt auch unter www.telefonseelsorge.de ein Chat- und ein Mail-Angebot.

„Bei den Chats sind unsere eingestellten Termine meist sofort weg“, sagte Tietjen. Sie seien wie die Telefongespräche vor allem nach 17.00 Uhr oder nachts gefragt. In den Chats würden häufig Themen angesprochen, für die man vielleicht am Telefon keine Worte finde, etwa sexueller Missbrauch. In rund 20 Prozent der Chats gehe es um eigene Suizidgedanken und Sorgen um suizidgefährdete Angehörige.

Die rund 400 Ehrenamtlichen nehmen die Anrufe nicht zu Hause entgegen, sondern in den Telefonseelsorgestellen in der Region Elbe-Weser, Soltau, Göttingen, Wolfsburg, Osnabrück und Hannover. Sie durchlaufen zuvor eine zweijährige Ausbildung und bekommen regelmäßig Supervision. Dass sie dieses Ehrenamt ausüben, dürfen sie auch zu ihrem eigenen Schutz auch im Freundeskreis nicht erzählen.

Rund eine Millionen Gespräche im vergangenen Jahr

In den sechs Stellen wurden in diesem Jahr insgesamt rund 46.000 Telefongespräche geführt. Hinzu kamen 3500 Chats sowie 1800 Kontakte per Mail. Im Vorjahr waren es knapp 48.000 Telefonate. „Auch wir hatten es mit teils längeren Erkrankungen von Mitarbeitenden zu tun“, sagte Koordinator Tietjen, der zudem hauptamtlicher Leiter der Stelle Elbe-Weser ist. Vor diesem Hintergrund seien das Engagement der Ehrenamtlichen und die Zahl von 46.000 Telefongesprächen beachtlich.

In Niedersachsen gibt es außerdem Telefonseelsorge-Stellen in Oldenburg und Wilhelmshaven (Landeskirche Oldenburg), die Telefonseelsorge Braunschweig (Landeskirche Braunschweig) sowie die Telefonseelsorge Emsland (katholische Trägerschaft). Die Telefonseelsorge Bremen wird von der Bremischen Kirche getragen.

Bundesweit wurden nach Angaben der Telefonseelsorge über alle Kommunikationswege im Jahr 2021 rund eine Million Gespräche geführt, ebenfalls zunehmend über Chats und Mails. Die Statistik für 2022 liegt noch nicht vor. An die Telefonseelsorge wenden sich laut Tietjen vor allem erwachsene Anruferinnen und Anrufer. Speziell für Kinder, Jugendliche und Eltern gibt es die Nummer gegen Kummer, die nicht von der Kirche organisiert ist. Sie ist für Mädchen und Jungen unter 116111 zu erreichen.