30000 Schnecken für ein Gewand Indischgelb und Purpur: Schätze der Dresdner Farbensammlung
In einem alten Backsteinbau auf dem Gelände der Dresdner Universität lagert eine seltene Farbstoffsammlung. Etwas Vergleichbares gibt es in Deutschland sehr selten.
Dresden (dpa) - An der Technischen Universität Dresden wird die Welt der Farben in kleinen Flaschen aufbewahrt. Die umfangreiche Farbstoffsammlung des früheren Institutes für Farben- und Textilchemie ist eine Augenweide.
Rund 8000 verschiedene Farbstoffe sind in 20.000 Fläschchen gesammelt. Das älteste Stück stammt von 1851 aus dem Jahr der ersten Weltausstellung in London.
Mangels Platz lagert die Sammlung an verschiedenen Orten im Haus. Die wertvollsten Exponate befinden sich vor Licht geschützt in Schränken. Dazu zählt beispielsweise ein Behältnis mit Indischgelb. "Das Farbpigment wurde bis Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Urin von Kühen gewonnen, die man mit Mangoblättern fütterte", erzählt Horst Hartmann. Der 80 Jahre alte Professor ist hier so etwas wie der Herr der Farben und betreut die Sammlung ehrenamtlich.
Auch andere Tiere wurden zur Gewinnung von Farben genutzt. Legendär ist die Geschichte der Purpurschnecken, von denen man früher ein Drüsensekret nahm. Purpurrot war ein so begehrter Farbstoff, dass er nur Kaisern, Königen oder kirchlichen Oberhäuptern vorbehalten blieb. 20.000 bis 30.000 Schnecken waren nötig, um ein Gewand einzufärben. In der Dresdner Sammlung zeugen neben dem Purpur-Farbstoff einige Schneckengehäuse davon.
Auch Pflanzen dienten als Farbenlieferant. Rotholz, Gelbholz, Blauholz - die Liste natürlicher Farbstoffe ist lang. Zu ihnen gehören auch Gewürze wie Safran und Kurkuma sowie die Krapppflanze, die der orientalischen Kopfbedeckung Fez die Farbe gab.
Hartmann kennt nicht nur die Zusammensetzung der meisten Farbstoffe, sondern auch interessante Anekdoten. Zum Beispiel die vom Berliner Blau, das unerwartet bei dem Versuch anfiel, ein Elixier für das ewige Leben herzustellen. Oder dass das arsenhaltige Schweinfurter Grün, das neben seiner Verwendung als Malpigment einst zum Kampf gegen Schädlinge im Weinbau diente, gesundheitsschädlich ist.
Immer wieder schlägt Hartmann einen Bogen zur Industriegeschichte. "Ohne die Textilindustrie wären Mitte des 19. Jahrhunderts nicht so viele Farbstoffe entstanden. Die moderne Chemie hat diesen Prozess beflügelt", sagt der Professor. Tatsächlich finden sich in der Kollektion auch viele Musterbücher. Ob nun Knöpfe, Bänder, Stoffe oder Garn - die Farbenwelt ist hier in Buchform gepresst. "Wir könnten das ganze Haus mit Materialien füllen", meint Horst Buchholz, der Hartmann bei seiner Arbeit unterstützt.
Trotz ihrer Bedeutung führt die Dresdner Farbstoffsammlung ein Schattendasein. Mangels Platz ist keine Aufnahme von neuen Exponaten mehr möglich. "Anstatt etwas in den Abfallkorb zu werfen, sollte man lieber von allem eine Probe aufbewahren", meint Hartmann. Solche Materialdepots seien wertvoll für Forscher, die Stoffe mit neuen Eigenschaften suchen.
An einigen solcher Vorhaben hat er selbst mitgewirkt. So nutze eine Firma seither die Halbleitereigenschaften einiger Farbstoffe für sogenannte OLEDs - organische Leuchtdioden wie sie in Handydisplays oder Bildschirmen zum Einsatz kommen. Auch an der Entwicklung völlig neuer Haarfarbstoffe ist Hartmann beteiligt. Sie sollen ab 2018 auf den Markt kommen.