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Phänomen Quiet Hiring Türöffner oder Überlastungsfalle? Wann sich Mehrarbeit lohnt

Teammitglieder scheiden aus, aber niemand Neues wird eingestellt: Und wer macht jetzt die Arbeit? Zusatzaufgaben können ein Sprungbrett sein oder zur Stressfalle werden. Wie Sie klug handeln.

Von Amelie Breitenhuber, dpa 06.03.2025, 00:05
Wer zusätzliche Aufgaben übernimmt, kann in die eigene Karriere investieren. Wichtig ist aber, die Situation genau zu bewerten.
Wer zusätzliche Aufgaben übernimmt, kann in die eigene Karriere investieren. Wichtig ist aber, die Situation genau zu bewerten. Christin Klose/dpa-tmn

München - Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist weiter schlecht: Am Arbeitsmarkt herrscht Flaute, in vielen Branchen sind Einstellungsstopps an der Tagesordnung. Wenn dann Beschäftigte ausscheiden, wird die Arbeit oft nicht weniger - sondern einfach auf die Verbliebenen umverteilt. Quiet Hiring, also stilles Einstellen, wird dieses Phänomen auch genannt. Aufgaben werden weitergegeben, ohne dass sich Jobbeschreibung, Position oder gar das Gehalt ändern.

Für einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zusätzliche Aufgaben meist eine spürbare Mehrbelastung. Manchmal kann eine Zusatzrolle aber auch zum Karrieresprung verhelfen. Wie reagiert man also am besten, wenn die Führungskraft darum bittet, mehr Arbeit zu übernehmen? Sechs Schritte, die Sie vor der Überlastungsfalle bewahren. 

1. Unvoreingenommene Analyse

„Bevor man zusätzliche Verantwortung übernimmt, sollte man natürlich die eigene Arbeitsbelastung ehrlich analysieren: Welche Aufgaben sind realistisch machbar und wo gibt es bereits Engpässe?“, rät Stefanie Bickert, Jobexpertin bei der Karriereplattform Indeed. 

Oft entsteht zusätzlich Stress, weil man das Gefühl hat, Aufgaben nicht gewachsen zu sein. Hier rät Bickert, möglichst sachlich zu überlegen, wie sich der eigene Einfluss vergrößern lässt: Lassen sich neue Prioritäten setzen? Welche Unterstützung gibt es?

„Wer bewusst abwägt, statt reflexartig 'Geht nicht!' zu sagen, behält die Kontrolle – und kann vielleicht sogar Wachstumschancen entdecken“, so die Karriereexpertin. Übernimmt man neue Aufgaben, bringt man sich unter Umständen sogar in eine bessere Position im Unternehmen. Ob Mehrarbeit aber wirklich ein Sprungbrett oder eine Sackgasse ist, hängt Bickert zufolge von drei Faktoren ab: Freiwilligkeit, Sichtbarkeit und Wertschätzung. 

Gezielt Aufgaben zu übernehmen, die zur eigenen Weiterentwicklung beitragen und im Unternehmen wahrgenommen werden, kann sich daher auszahlen. „Wird Mehrarbeit jedoch stillschweigend erwartet und weder honoriert noch strategisch genutzt, steigt das Risiko, auszubrennen“, so Bickert. Sie rät, sich folgende Frage zu stellen: „Bringt mich diese Aufgabe weiter oder werden lediglich Routinetätigkeiten umverteilt, die man später nicht wieder loswird?“ 

2. Warnsignale richtig deuten

Es gibt Warnzeichen, die bereits andeuten, dass zusätzliche Aufgaben eher in die Überlastung führen, als einen persönlich weiterzubringen. Dazu zählt zum Beispiel, dass ständig Mehrarbeit erwartet wird, ohne eine klare Perspektive vom Arbeitgeber zu bekommen.

Laut Bickert besonders kritisch: Wenn sich das Gefühl einstellt, ständig unter Druck zu stehen, aber keine echte Wertschätzung für den zusätzlichen Einsatz zu erfahren. Dann heißt es, das Gespräch mit der Führungskraft einzufordern, um gemeinsam Lösungen zu finden.

 3. Mit der Führungskraft sprechen

Fallen zusätzliche Aufgaben an, empfiehlt Stefanie Bickert den Betroffenen, frühzeitig zu klären, ob es sich um eine kurzfristige Lösung oder eine dauerhafte Veränderung der eigenen Rolle handelt. Zum Einstieg in das Gespräch eignet sich etwa die Frage: „Warum sehen Sie diese Aufgabe bei mir?“ So lasse sich erkennen, ob eine bewusste Entscheidung dahintersteht oder ob Aufgaben nur aus der Not heraus verteilt werden. 

Dann kann man gemeinsam mit der Führungskraft versuchen, den zeitlichen Rahmen festzustecken. Bickert empfiehlt, sich vorab zu überlegen, für welchen Zeitraum die Mehrarbeit tragbar ist. Sätze wie „Ich kann das für drei Monate übernehmen“ signalisieren ihr zufolge Engagement, ohne auf unbestimmte Zeit Verpflichtungen einzugehen. 

Im Austausch mit Chef oder Chefin kann man auch nachspüren, wo die Führungskraft Prioritäten sieht. Womöglich können andere Aufgaben auch entfallen, um mehr Zeit zu schaffen. Nicht zuletzt lohnt es sich Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten anzusprechen.

4. Am Zeitmanagement arbeiten

Wer (sinnvolle) Zusatzaufgaben auf den Tisch bekommt, brauche klare Strukturen und eine gute Priorisierung, so Bickert. „Dazu gehört auch, rechtzeitig zu kommunizieren, wenn die zusätzliche Arbeit doch andere Aufgaben verdrängt.“

Wichtig ist, sichtbar zu machen, was man leistet. Dafür eignen sich der Karriereexpertin zufolge etwa regelmäßige Updates an Vorgesetzte. Oder aber man platziert Ergebnisse bewusst in Meetings.

Die Neuverteilung von Aufgaben kann auch eine gute Gelegenheit sein, überholte Abläufe zu straffen oder zu streichen. Wer Neues übernimmt, sollte Bickert zufolge auch immer prüfen, ob dafür andere Dinge delegiert oder effizienter gestaltet werden können.

5. Richtig Nein sagen

Man muss nicht zu jeder Zusatzaufgabe Ja sagen. Direkte Ablehnung könne aber schnell als fehlende Einsatzbereitschaft gewertet werden, so Bickert. Sie rät, Alternativen anzubieten oder Kompromisse vorzuschlagen. Nach dem Motto: „Ich übernehme das gerne, müsste dafür aber etwas anderes abgeben“ oder „Ich sehe den Wert dieser Aufgabe, aber aktuell fehlt mir die Kapazität. Können wir eine andere Lösung finden?“.

Wichtig: Zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, sie dann aber nur widerwillig zu erledigen, schade langfristig. Hier sei es besser, die eigenen Vorbehalte zu kommunizieren, um realistische Erwartungen zu setzen.

6. Gegenleistung einfordern

Grundsätzlich ist es Bickert zufolge nicht ungewöhnlich, gelegentlich Aufgaben zu übernehmen, die nicht zur ursprünglichen Jobbeschreibung gehören. Aber: „Wer dauerhaft mehr leistet, darf eine Gegenleistung erwarten.“ Zum Beispiel in Form einer Gehaltserhöhung. 

Ist das Unternehmen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten bei dem Thema zurückhaltend, lässt sich das auch mit Blick auf die Zukunft regeln. Die Karriereexpertin schlägt zum Beispiel eine Zielvereinbarung vor, die eine zukünftige Anpassung regelt. 

Kurzfristiger seien zusätzliche Urlaubstage, Zuschüsse zu Mobilitäts- oder Gesundheitsleistungen oder Weiterbildungsmaßnahmen denkbar. Beschäftigte können auch nach mehr Tagen im Homeoffice fragen. Wer langfristig mehr Verantwortung übernommen hat, sollte aber darauf achten, dass eine offizielle Erweiterung des Aufgabenbereichs mit einer Anpassung des Jobtitels einhergeht.