Expertin Kita-Kinder brauchen Glücksinseln und Verlässlichkeit
Haben sie ein schlechtes Gewissen, weil Sie ihrem Kind jeden Tag einen Zehn-Stunden-Kita-Tag abverlangen? Brauchen Sie nicht, beruhigt eine Bindungsforscherin. Und verrät, was wirklich zählt.
Hamburg (dpa/tmn) - Berufstätige Eltern machen sich oft Vorwürfe, dass ihre Kinder einen anstrengenden Kita-Tag zu absolvieren haben - manchmal mit zehn Stunden länger als ein Arbeitstag. Doch ein Problem ist es nicht, wenn beide Eltern viel arbeiten - sondern wenn sich das Kind nicht auf Mama und Papa verlassen kann.
Das erklärt Bindungsforscherin und Psychologin Fabienne Becker-Stoll in der Zeitschrift "Brigitte" (Ausgabe 06/2020).
Beispiele dafür seien etwa, wenn der Vater verspricht, dass er am Geburtstag der Tochter da ist - dann aber auf Dienstreise fährt. Oder wenn die Mutter die Schulaufführung ihres Sohnes verpasst, weil das Meeting spontan mal wieder länger dauert. Dieser Vertrauensbruch tue der Kinderseele richtig weh, erklärt die Direktorin des Münchner Staatsinstituts für Frühpädagogik. Sie vergleicht das sogar mit dem Fremdgehen bei Erwachsenen.
Die Expertin rät zu gemeinsamer Zeit im Alltag, den Eltern ohne Leistungsdruck gemeinsam genießen - etwa indem man nachmittags nicht noch zur Musikschule hetzt, sondern zu Hause für eine halbe Stunde das Kind bestimmen lässt, was Vater oder Mutter machen. Oder indem man vor dem Schlafen kuschelt oder mit älteren Kindern zusammen kocht.
Es seien vor allem diese Glücksinseln, die Eltern verlässlich schaffen sollten, rät Becker-Stoll. Dann kämen Kinder auch mit dem Job nicht zu kurz.