Großeltern Konkurrenz schadet der Familie
Nicht selten versuchen Großeltern sich gegenseitig zu übertrumpfen. Solche Konkurrenz schadet der Familie.
Bonn (dpa) l Mit den einen Großeltern geht es in den Freizeitpark, mit den anderen in den Kurzurlaub. Von den einen Großeltern gibt es hundert Euro für das Zeugnis, die anderen kontern mit einer Modelleisenbahn. In manchen Familien konkurrieren Großeltern mit überaus großzügigen Geschenken oder aufregenden Ausflügen um die Zuneigung und Aufmerksamkeit ihrer Enkelkinder. Diese Rechnung mag kurzzeitig aufgehen, aber langfristig hat die ganze Familie darunter zu leiden. „Die besseren Großeltern sein wollen, das ist ein großer Konfliktpunkt“, erklärt Annemie Wittgen von der Bundesinitiative Großeltern mit Sitz im nordrhein-westfälischen Euskirchen.
Hinter einem solchen Verhalten steckt vor allem der Wunsch nach Aufmerksamkeit, erklärt Winfried Schmidt vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Dabei geht es nicht nur um die der Enkel selbst: „Die Großeltern sind oft nicht mehr berufstätig, vielen fehlt eine Betätigung“, erklärt der Diplom-Psychologe mit Praxis in Arpshagen in Mecklenburg-Vorpommern. „Die Enkel sind gegenüber Freunden, Bekannten oder Nachbarn etwas, davon kann man erzählen.“ Nicht selten geht das aber noch weiter: „Viele Großeltern definieren sich über ihre Enkel. Und dann wird es kritisch.“
Das sieht Ursula Lenz von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen mit Sitz in Bonn ähnlich: „Manchmal sind Großeltern so fixiert auf das Enkelkind und betrachten jeden mit Argusaugen, der den Kontakt schmälern könnte.“ Auch die anderen Großeltern.
Versuchen Großeltern, das Enkelkind mit immer größeren Geschenken und ausgefalleneren Unternehmungen an sich zu binden und die anderen Großeltern zu übertrumpfen, erkaufen sie sich Zuwendung, betont Schmidt. Das steigert sich, schaukelt sich hoch. Und: „Es ist nicht echt, es geht dabei nicht unbedingt um die Enkel.“
Natürlich gibt es keine festgeschriebene Summe, die Großeltern monatlich für die Enkel ausgeben, oder eine empfohlene Anzahl an Stunden, die sie mit ihnen verbringen sollten. Daher ist es nicht ganz leicht, selbst zu merken, ob man über das Ziel hinausschießt. Deshalb sollten Großeltern sich bei Geschenken und Unternehmungen immer fragen, was sie damit erreichen wollen, rät Schmidt: Will ich die Bindung verbessern, indem ich womöglich noch die anderen Großeltern übertrumpfe, oder dem Kind eine Freude machen? „Wenn es Richtung Bindung und vor allem Macht geht, wird es kritisch.“
Denn mit den ausufernden Geschenken geht oft auch einher, dass das Kind alles darf, was es will. Das Ergebnis: „Das Kind lernt, dass man Forderungen stellen kann und die dann auch erfüllt bekommt“, sagt Schmidt. Das kann zu Problemen in der Erziehung führen. Um dem vorzubeugen, rät Wittgen zu Absprachen. „Man sollte mit den Eltern klären, was das Kind gebrauchen kann. Von klein auf.“ Auch die Großeltern untereinander sprechen sich am besten ab – vielleicht schenken sie sogar gemeinsam etwas. „Das kommt aber immer auf die Beziehung an.“
Ist die Konkurrenz zu den anderen Großeltern erstmal im Gange, hilft nur Kommunikation. Wer das Verhalten bei den anderen Großeltern bemerkt, spricht das am besten an. „Die Großeltern sollten miteinander und mit den Eltern reden“, erklärt Schmidt.
Natürlich müssen sie damit rechnen, dass ein solches Gespräch auch erst einmal im Streit enden kann. „Aber manchmal kann ein klärendes Gewitter helfen.“ Am besten trifft man sich für ein solches Gespräch ohne die Enkel. Lenz sieht auch die Eltern in der Pflicht. Wenn sie einen solchen Konkurrenzkampf bemerken, sollten sie klarmachen: „Wir wollen das nicht“, rät Lenz. Ein Argument, das eigentlich überzeugen sollte : „Ein solches Verhalten ist nicht im Interesse des Kindes beziehungsweise des Enkels.“
Am besten ist es immer noch, wenn Großeltern sich nicht ausschließlich über ihr Enkelkind definieren und es somit gar nicht erst zu einer Konkurrenzsituation kommt.
„Je mehr Großeltern in ihren sozialen Bezügen verankert sind, desto weniger Bestätigung bedarf es durch die Enkel“, sagt Schmidt. Das kann etwa über Hobbys, Freunde oder ein Ehrenamt geschehen – Zuwendung lässt sich auf Dauer kaum erkaufen.