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Schreiben, basteln, musizieren Linkshänder: Wie das Leben mit links funktioniert

Auch wenn Linkshänder für ihre wichtigsten Aufgaben ihre linke Hand benutzen, müssen sie immer noch jeden Tag in vielen Bereichen mit einer rechtshändigen Welt zurechtkommen. Experten geben Tipps.

Von Eva Dignös, dpa 10.08.2023, 17:06
Wenn unklar ist, ob ein Kind Links- oder Rechtshänder ist, sollte das bereits vor der Einschulung getestet werden. Sonst hat es ein Linkshänder-Kind beim Schreiben oder Basteln etwa mit der Rechtshänderschere unnötig schwer.
Wenn unklar ist, ob ein Kind Links- oder Rechtshänder ist, sollte das bereits vor der Einschulung getestet werden. Sonst hat es ein Linkshänder-Kind beim Schreiben oder Basteln etwa mit der Rechtshänderschere unnötig schwer. Zeljko Dangubic/Westend61/dpa-tmn

München - Mit links schreiben ist nicht weiter ungewöhnlich. Trotzdem gibt es für Linkshänder Hürden. Welche es gibt und worauf Eltern achten sollten - die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie entsteht Linkshändigkeit?

Eine Antwort auf diese Frage suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch. Vermutlich sind verschiedene Faktoren dafür verantwortlich, dass bei Linkshändern die rechte Gehirnhälfte und damit die linke Hand dominiert. Die Tatsache, dass die Kinder linkshändiger Eltern häufiger ebenfalls die linke Hand bevorzugen, deutet auf eine genetische Komponente hin.

Aber auch andere Einflüsse spielen wohl eine Rolle. Ob die rechte oder linke Hand dominiert, wird bereits im Mutterleib angelegt und zwar bei der Ausbildung des Rückenmarks, fanden Forscher der Ruhr-Universität Bochum heraus. Schon ab der 13. Schwangerschaftswoche nuckeln Embryos bevorzugt am rechten oder am linken Daumen.

Wie erkennt man Linkshändigkeit, was sollten Eltern beachten?

Ob links oder rechts, das zeigt sich bei einigen Kindern schon sehr früh - und bleibt bei anderen lange unklar. Aufmerksam hinzuschauen, aber die Händigkeit vor dem Kind nicht zu thematisieren, „damit man es nicht in seinem Verhalten beeinflusst“, rät Johanna Barbara Sattler, die 1985 in München die erste Beratungsstelle für Linkshänder in Deutschland gründete.

Mit welcher Hand der Stift oder der Löffel gehalten werden, ist nur bedingt aussagekräftig: „Kinder passen sich oft unbewusst an eine rechtshändige Umgebung an“, sagt Sattler. So mancher kleine Linkshänder schult sich unbewusst zum Rechtshänder um, weil er nicht auffallen will.

Achten sollte man deshalb besonders auf die kleinen spontanen Bewegungen: Mit welcher Hand deutet das Kind auf Gegenstände, wie kratzt es sich an der Nase? Und beim Essen gehört der Löffel nicht rechts neben den Teller, sondern in die Mitte in den Teller, damit das Kind spontan mit seiner bevorzugten Hand zugreifen kann.

Bleibt dennoch unklar, ob das Kind Links- oder Rechtshänder ist, rät Sattler zu einer professionellen Testung, nach Möglichkeit schon deutlich vor der Einschulung: „Das Thema Linkshändigkeit stellt sich nicht erst mit dem Schreibenlernen.“ Wer als Linkshänder am Basteltisch mit Rechtshänder-Schere und -Spitzer umgehen muss, hat es unnötig schwer - und möglicherweise deutlich weniger Freude am Schnippeln und Malen als mit passendem Handwerkszeug.

Und wer schon weiß, dass das Blatt schräg liegen muss, damit Farbe oder Tinte nicht verwischen, tut sich bei den Schwungübungen in der ersten Klasse leichter. Johanna Barbara Sattler rät Eltern, das auch im Kindergarten zu thematisieren und Erzieherinnen und Erzieher entsprechend zu sensibilisieren.

Sind Linkshänder-Produkte sinnvoll?

Die Welt ist auf Rechtshänder ausgerichtet. Küchengeräte, Werkzeuge, Maschinen werden so designt, dass Rechtshänder sie gut bedienen können, dass Knöpfe intuitiv erreichbar sind und die Finger ganz automatisch in die Griffmulden finden.

Für Linkshänder funktioniert das nicht. Bei ihnen muss die Hand entweder einen Umweg nehmen oder sie müssen doch mit rechts agieren. „Doch wenn man die Dinge nicht mit seiner leistungsfähigeren Hand machen kann, wirkt man langsamer und ungeschickter, die eine Gehirnhälfte ist unter-, die andere überfordert“, sagt Sattler.

Dass es mittlerweile eine ganze Reihe von Gerätschaften gibt, mit denen sich das vermeiden lässt, sei vielen Linkshändern gar nicht bewusst, sagt Heiko Hilscher, Geschäftsführer des Online-Shops linkshaender.de, zu dem auch ein Laden für Linkshänder-Produkte in Erfurt gehört. Im Sortiment sind beispielsweise Füller und Scheren, Messer und Dosenöffner, Computermäuse und Tastaturen.

„Linkshänder müssen sich ihr Leben lang arrangieren, für viele Kunden ist es ein echtes Aha-Erlebnis zu sehen, dass es auch einfacher geht“, sagt Hilscher. Nur für die Linkshänder-Schere ist es dann möglicherweise schon zu spät: „Wenn man schon sein Leben lang mit einer Rechtshänder-Schere schneidet, schafft man die Umstellung nicht mehr“, sagt Hilscher. Und manche Dinge wird man vergeblich suchen, beispielsweise Fotoapparate mit dem Auslöser auf der linken Seite.

Auch am Arbeitsplatz bleibt den meisten Linkshändern keine Wahl: Sie müssen mit dem Werkzeug und den Maschinen einer rechtshändigen Welt zurechtkommen. „Die Abbildungen in Lehrbüchern sind ebenfalls auf Rechtshändigkeit ausgelegt“, moniert Linkshänderberaterin Sattler: „Dabei haben doch auch Linkshänder ein Recht darauf, dass ihnen gezeigt wird, wie sie bestimmte Handgriffe am besten ausführen.“

Sport, Musik - wie sieht es in der Freizeit aus?

Linkshänder zu sein, hat in einigen Sportarten durchaus Vorteile, und zwar immer dann, wenn man sich Duelle mit direkten Gegnern liefern muss, fanden Wissenschaftler der Universität Kassel heraus. Beim Tischtennis, Fechten oder Tennis seien sie überdurchschnittlich erfolgreich. Grundsätzlich gelte: Werfen oder den Schläger schwingen sollte man mit der Hand, mit der es am besten geht - und kicken mit dem stärkeren Fuß, sagt Johanna Barbara Sattler. Bei Linkshändern ist auch das der linke.

Zur Herausforderung kann der Musikunterricht werden: „Instrumente sind für Rechtshänder ausgelegt“, sagt Andrea Arnoldussen, Musikpädagogin, Linkshänderberaterin und selbst Linkshänderin. Auch wenn auf den ersten Blick beide Hände gleichwertig auf dem Instrument agieren, sei es ein Unterschied, welche Hand die wichtigere Aufgabe hat, erläutert sie.

Bei der Querflöte werden mit der rechten Hand nicht nur Klappen geschlossen, sondern sie stabilisiert auch das Instrument: „Linkshändern fällt das schwerer, linkshändige Kinder halten ihre Flöte deshalb meist spontan andersherum.“ Und auf dem Klavier ist die Melodiestimme in der Regel für die rechte Hand geschrieben, bei Linkshändern wäre dafür eigentlich die linke Hand die geeignetere.

Für einige Instrumente gibt es Linkshänder-Modelle, beispielsweise für Blockflöten, Querflöten und Gitarren. Streichinstrumente können vom Geigenbauer so umgebaut werden, dass die linke Hand den Bogen führt und die rechte Hand greift. „Gerade am Anfang ist es wichtig, dass Musikschüler ausprobieren dürfen, wie sie ein Instrument intuitiv halten wollen und wie sie sich am wohlsten fühlen“, sagt Arnoldussen.

Zum Rechtshänder umgeschult - ist es sinnvoll, das wieder rückgängig zu machen?

Bis in die 90er Jahre wurden in Deutschland Kinder spätestens in der Schule von links auf rechts umgeschult. Die über Jahrzehnte eingeübten Bewegungsmuster wieder rückgängig zu machen und der eigentlich dominanten Hand zu ihrem Recht zu verhelfen, ist möglich, aber ein mühsamer Prozess und nicht immer sinnvoll: „Auch die Rückschulung kann zu Belastungsprozessen führen“, sagt Johanna Barbara Sattler.

Sie rät, sich vorab beraten zu lassen: „Ich schaue mir dabei etwa an, welche Tätigkeiten noch mit der linken Hand erledigt werden.“ Eine Rückschulung dauere etwa zwei Jahre - oft müsse sie den anfänglichen Enthusiasmus bremsen, erzählt Sattler: „Viele wollen gleich mit links schreiben, doch das funktioniert in der Regel nicht.“