Deutliche Zunahme von Erkrankungen in diesem Jahr / Fünf Personen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 infiziert Masern: Auch Erwachsene sollen sich impfen lassen
In Aschaffenburg ringt eine Sechsjährige mit dem Tod. Der Grund: Masern-Spätfolgen. Wie kann man sich vor dieser Krankheit schützen?
Magdeburg/Berlin (cbi/dapd) l Masern-Spätfolgen können offenbar weit häufiger zum Tode führen als bislang angenommen. Statt eines Risikos von 1 : 5000 bestehe wohl ein Risiko von unter 1 : 200, sagte der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Sean Monks. Hintergrund ist ein Fall aus Aschaffenburg. Dort liegt ein sechsjähriges Mädchen mit den Spätfolgen einer Masern-Erkrankung im Sterben. Das Kind habe sich im Alter von sieben Monaten bei einem Erwachsenen angesteckt und fünf Jahre später eine chronische und unheilbare Gehirnentzündung als Folge der Infektion entwickelt, teilte der Verband mit.
Neben dem Mädchen in Aschaffenburg gebe es derzeit ein weiteres Kind, das nach einer Ansteckung im Jahr 2006 an der Gehirnentzündung SSPE (Subakute Sklerosierende Panenzephalitis) leidet. Ein drittes 2006 an Masern erkranktes Kind sei bereits 2007 daran gestorben. Laut dem Bundesverband wurden dem Berliner Robert-Koch-Institut für 2006 bundesweit 313 Kinder gemeldet, die sich im ersten Lebensjahr mit Masern ansteckten.
Bei Verdacht, Arzt aufsuchen
Wo liegen die Ursachen dafür, dass sich immer mehr Kinder mit Masern infizieren? "Weil, dank der Tatsache, dass die meisten sich impfen lassen, Masern selten geworden sind, fehlt der ,Leidensdruck\' aus eigener Erfahrung", so Prof. Dr. Gerhard Jorch, Direktor der Universitätskinderklinik Magdeburg. "Mütter hören mehr Klagen über echte und vermeintliche Impfnebenwirkungen als über Masernkomplikationen."
Woran erkennen Eltern, ob ihr Kind sich mit Maser infiziert hat? "Die erste Krankheitsphase unterscheidet sich nicht von einem normalen Infekt: Fieber, Unpässlichkeit, Schnupfen, Halsschmerzen", so Prof. Dr. Jorch. "Etwas typischer sind hinzutretende Bindehautentzündung und Lichtscheu, wenngleich dieses auch bei anderen Infekten beobachtet wird. Diese Erscheinungen schwächen sich nach wenigen Tagen ab. Der Patient scheint gesund zu werden. In dieser Phase sieht der Arzt bei genauer Betrachtung der Wangenschleimhaut im Mund in Höhe der unteren Backenzähne weiße Flecken (Koplik-Flecken)", so der Mediziner. "Diese sind typisch für Masern, aber nicht immer vorhanden." Zwei bis sechs Tage nach den ersten Krankheitszeichen steige das Fieber hoch an und es zeige sich auf der Haut der typische und kaum zu verwechselnde Masernausschlag. "Dieser beginnt meistens hinter den Ohren und breitet sich auf dem ganzen Körper aus. Die Flecken sind wenige mm groß, hellrot und jucken und schmerzen nicht. Sie können spärlich vorhanden sein, aber auch so dicht stehen, dass sie miteinander verschmelzen. Im weiteren Verlauf könne sie etwas hervortreten wie flache Pickel und eine bräunliche Farbe annehmen", Prof. Dr. Jorch.
Ein Stich gegen vier Krankheiten
Wie sollen sich Eltern verhalten, wenn sie den Verdacht haben, ihr Kind wäre an Masern erkrankt? Prof. Dr. Jorch: "Es ist eine unverzügliche Diagnosesicherung durch den Kinderarzt oder einen mit Kindern erfahrenen Allgemeinarzt notwenig. Die Diagnose ist eine Blickdiagnose und erfordert keine Blutentnahme, wenngleich man auch im Labor typische Masernbefunde erheben kann: Leukopenie (Veminderung der weißen Blutkörperchen) mit Erhöhung des Lymphozytenanteil und Verschwinden der eosinophilen Granulozyten im Differentialblutbild, spezifische IgM-Antikörper." Außerdem seien elterliche Fürsorge, Bettruhe oder mindestens Schonung, ausreichendes Trinken, Fiebersenkung insbesondere, wenn das Fieber 39,5 Grad Celsius erreicht und/oder das Kind über Schmerzen klagt, sehr wichtig.
Masern sind sehr ansteckend, das heißt, die Erreger werden auch über mehrere Meter Abstand durch die Luft übertragen. Ansteckend sind die Patienten ab dem erstem Tag vor Krankheitsbeginn bis vier Tage nach Beginn des Ausschlags. Angesteckt werden können Menschen in jedem Alter, die entweder Masern noch nicht gehabt haben oder keinen Impfschutz haben. Deshalb sollten Patienten mit Masernverdacht nicht im öffentlichen Verkehrsmittel zum Arzt gebracht werden und nicht im Wartezimmer warten, sondern unter Umgehung des Wartezimmers sofort untersucht werden. Die ständig geöffnete Notfallambulanz an der Universitätskinderklinik Magdeburg verfügt über eine eigene Eingangstür mit getrenntem Untersuchungsraum für Kinder mit Masernverdacht.
Wie kann man Kinder gegen Masern schützen? "Die erste Impfung sollte ab dem elften Lebensmonat, die zweite Impfung ab dem 15 Monat erfolgen", so Prof. Dr. Gerhard Jorch. "Am besten ist die Verwendung eines vierfach Impfstoffes (Masern, Windpocken, Mumps, Röteln). Ein Stich schützt gegen vier Krankheiten."
Der Ärzteverband appeliert an Erwachsene, die nach 1970 geboren sind, ihren Impfschutz aufzufrischen. Denn die Zahl der Masern-Erkrankungen bei Erwachsenen habe sich im Vergleich zum Vorjahr erhöht: Bundesweit seien bisher 1571 Erwachsene erkrankt, nach 623 im Vorjahr.
Weitere Informationen zu dem Thema Masern im Internet unter : www.facebook.de/jugendaerzte