Millionen Deutsche leben in zu lauten Gebieten
Autos, Bahnen und Flugzeuge sind die Lärmverursacher Nummer eins in Deutschland. Viele Deutsche sind aber auch von ihren Nachbarn genervt.
Berlin/Dessau (dpa) - Lärm kann krank machen. In Deutschland leben Millionen Menschen in Gebieten, die zu laut sind. Viele Kommunen bemühen sich, mehr Ruhe zu schaffen. Der Tag gegen Lärm an diesem Mittwoch soll besonders auf das Problem aufmerksam machen.
Lärm trifft viele Menschen
Straßen- und Schienenverkehr sind Berechnungen zufolge die größten Lärmverursacher in Deutschland, gefolgt vom Flugverkehr. Mindestens 10 Millionen Menschen leben in der Nähe von Straßen, deren Lärm Experten als starke Belästigung einstufen, wie aus Daten des Umweltbundesamtes (Uba) hervorgeht. Von zu lautem Schienenverkehr sind demnach mindestens 6 Millionen Menschen betroffen und von Fluglärm rund 800 000 Menschen. Krank machendem Lärm sind insgesamt etwa 4,8 Millionen Menschen ausgesetzt. Das Uba hat Daten aus Lärmkarten zusammengetragen, die für sehr stark befahrene Straßen, Haupteisenbahnstrecken, Großflughäfen und Ballungsräume erstellt werden müssen.
Straßenlärm und Nachbarn stören die meisten Menschen
Befragt man die Menschen nach ihrem persönlichen Empfinden, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Eine Umfrage von Bundesumweltministerium und Uba von 2014 ergab ebenfalls, dass unter den Lärmquellen der Straßenverkehr die meisten Menschen stört. Es folgten jedoch laute Nachbarn sowie Industrie- und Gewerbelärm. Beides war in den genannten Uba-Lärmkarten nicht aufgeführt. Fluglärm und Schienenverkehrslärm kommen auf die Plätze vier und fünf, wobei beide als weniger störend empfunden wurden als noch 2012. Jeder zehnte Befragte fühlt sich demnach stark oder sehr stark von Lärm belästigt. Nur etwa jeden vierten stört Umgebungslärm überhaupt nicht.
Wenn Lärm krank macht
Lärm kann Stress verursachen und zu Herz-Kreislauferkrankungen führen. Er kann auch Auslöser für Schwerhörigkeit sein. Sie ist in Deutschland die häufigste anerkannte Berufskrankheit: 2014 wurde bei 6650 Menschen eine Lärmschwerhörigkeit festgestellt. Am stärksten betroffen sind Angestellte in der Metallindustrie und im Baubereich, die mit lauten Maschinen arbeiten, sagt der Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Jörg Feldmann. Die Lärmbelastung am Arbeitsplatz sei allerdings in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken.
Musik als Krankmacher
Laute Musik, etwa in Diskotheken oder mit Kopfhörern konsumiert, ist ein weiterer Verursacher von Hörschäden, der immer bedeutsamer und stark unterschätzt wird, sagt Michael Jäcker-Cüppers vom Arbeitsring Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik. Systematische aktuelle Untersuchungen zur Häufigkeit von Hörschäden aufgrund von Musikkonsum lägen allerdings nicht vor.
Was man für sich tun kann
Nicht jeder Mensch kann es sich leisten, einer lauten Umgebung zu entfliehen, zum Beispiel der relativ billigen Wohnung an der Hauptverkehrsstraße, sagt Jäcker-Cüppers. Er empfiehlt, möglichst in einem ruhigen Zimmer zu schlafen. Wichtig sei auch ein insgesamt achtsamer Umgang mit sich selbst. Dazu gehöre es, sich Phasen der Ruhe und Entspannung zu schaffen und regelmäßig ruhige Orte aufzusuchen.
Wie Technik helfen kann
Jäcker-Cüppers empfiehlt, beim Kauf von Elektrogeräten zu prüfen, ob es eine lärmarme Variante gibt. So erzeuge beispielsweise ein leiser Staubsauger nur 61 Dezibel und ein lautes Gerät 83 Dezibel. Ein Unterschied von 22 Dezibel bedeutet, dass 160 leise Geräte gemeinsam nur so viel Schall abstrahlen, wie ein lauter Staubsauger, so der Experte. Matthias Hintzsche vom Fachgebiet Lärmminderung bei Anlagen und Produkten im Uba rät außerdem, akkubetriebe Gartengeräte zu nutzen. Diese seien deutlich leiser als Geräte mit Benzinantrieben. Auch bei Autoreifen gebe es relativ lärmarme Varianten.
Was Kommunen tun
Viele Kommunen in Deutschland haben Pläne zur Lärmminderung entwickeln lassen - wie in der europäischen Umgebungslärmrichtlinie vorgeschrieben. Laut Matthias Hintzsche sind einige Städte bei der Umsetzung vorbildlich: Berlin hat demnach den höchsten Anteil an Straßen mit Tempo-30-Begrenzung eingeführt. Die Stadt Düsseldorf habe einen besonders lärmmindernden Fahrbahnbelag für die Straßen entwickeln lassen. München versuche, ruhige Zonen in der Stadt zu schützen. Und in Norderstedt bei Hamburg wurde die Bevölkerung sehr stark in die Planungen zur Lärmminderung miteinbezogen, berichtet Hintzsche.