Zerstörung der Nierennerven kann Bluthochdruck senken / Langfristige Folgen sind unbekannt Mit kleinem Eingriff Bluthochdruck senken
Menschen mit Bluthochdruck müssen meist täglich Medikamente einnehmen. Neuerdings berichten Mediziner über Operationen als Alternative. Über die Chancen und Risiken sprach Uwe Seidenfaden mit Professor Dr. Peter Mertens, Direktor der Uniklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie.
Volksstimme: Wie kann Bluthochdruck entstehen? Und was sind die Folgen?
Prof. Mertens: Es gibt zwei Formen des Bluthochdrucks. Bei dem primären Bluthochdruck sind keine Ursachen trotz intensiver Suche nachweisbar. Bei dem sekundären Bluthochdruck gibt es aufspürbare Ursachen, die in erhöhten Hormonspiegeln, zum Beispiel bei hormonbildenden Tumoren, Gefäßverengungen der Nieren sowie Schilddrüsenüberaktivität, liegen können. Bei dem erhöhten Blutdruck kommt es zu langsam fortschreitenden Gefäßschäden in allen inneren Organen. Das erhöht die Gefahr, an Schlaganfall, Herzinfarkt und Nierenversagen zu erkranken.
"Jedoch liegen noch keine Langzeitdaten vor."
Volksstimme: Gibt es Alternativen zur Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten?
Prof. Mertens: Zunächst sollte eine greifbare Ursache für einen Bluthochdruck ausgeschlossen werden. Dieser Schritt stellt die Weichen für das weitere Vorgehen, denn eine ursächliche Behandlung ist immer besser als eine Behandlung nach Symptomen. Neben den Maßnahmen einer gesunden Lebensführung mit Bewegung, wenig Kochsalz und maßvollem Alkoholkonsum sind blutdrucksenkende Medikamente oftmals nicht zu umgehen. In einigen Fällen sind Medikamente nicht ausreichend wirksam oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht einsetzbar. Gerade in solchen Fällen sind Alternativen dringend angezeigt.
Moderne Verfahren und Entwicklungen stimmen hoffnungsfroh. Eine Möglichkeit ist die Verödung von kleinen Nerven an den Nierengefäßen. Das kann den Blutdruck deutlich senken (systolisch bis 30 Millimeter Quecksilbersäule). Weitere moderne Verfahren beinhalten die elektrische Stimulation von Nerven am Hals. Allen Verfahren ist gemein, dass eine langfristige Erfolgsaussicht nicht aus Untersuchungen bekannt ist. Die gesammelten Erfahrungen in kleinen Patientengruppen sind jedoch bislang sehr positiv.
Volksstimme: Für welche Patienten kommt eine Verödung von kleinen Nerven an den Nierengefäßen in Frage?
Prof. Mertens: In Frage kommen Patienten, bei denen keine körperliche Ursache für den Blutdruck gefunden wurde, die mehr als drei verschiedene Blutdruck-senkende Medikamente einnehmen und trotz dieser Maßnahmen keine gute Blutdruckeinstellung erfahren (systolische Werte oberhalb von 160 Millimeter Quecksilbersäule). Das Verfahren ist nicht für Schwangere oder für Patienten mit hochgradiger Nierenfunktionseinschränkung zu empfehlen, da dazu keine Erfahrungen vorliegen.
Volksstimme: Wie funktioniert das Verfahren?
Prof. Mertens: Die Vorgehensweise umfasst einen Katheter, der in die Nierengefäße eingebracht wird und über Strom die Nerven ausschaltet. Es werden die Nerven mit Hilfe der Computertomographie lokalisiert und dann durch eine Punktion verödet. Die Behandlung erfolgt unter einer leichten Narkose, sodass Schmerzen vermieden werden.
Volksstimme: Welche Voruntersuchungen sind erforderlich?
Prof. Mertens: Es muss eine genaue Ursachensuche hinsichtlich der Entstehung des hohen Blutdrucks erfolgen. In einer ambulanten Untersuchung werden körperliche Befunde erhoben, eine Ultraschalluntersuchung der Niere ist erforderlich und aus Blutproben werden Hormone sowie Funktionswerte für Nieren gemessen. Mit dem Urin bestimmen wir, ob Schädigungen schon stattgefunden haben. Die hausärztliche oder internistische Voruntersuchung ergibt in den meisten Fällen schon sehr gute Hinweise auf die Ursache des Bluthochdrucks.
Volksstimme: Welche Risiken bestehen für den Patienten, der sich für eine Operatiom entscheidet?
Prof. Mertens: Die Risiken der Nierennervenausschaltung können mit der bei einem Herzkatheter verglichen werden. Langfristige Erkenntnisse über Schäden der Gefäße liegen bislang nicht vor. Die Beobachtungszeit der Untersuchungen reichen erst ungefähr vier Jahre zurück.
Volksstimme: Braucht der Patient nach der Behandlung keine Medikamente mehr?
Prof. Mertens: In ungefähr acht von zehn Fällen kommt es zu einem deutlichen Blutdruckabfall. Leider ist in den meisten, auch erfolgreichen Fällen, ein kompletter Verzicht auf blutdrucksenkende Medikamente nicht möglich. Das Verfahren sollte vornehmlich in den Fällen eingesetzt werden, in denen eine medikamentöse Einstellung misslungen ist.
Volksstimme: Wer führt die Behandlung am Uniklinikum in Magdeburg eigentlich durch?
Prof. Mertens: Das Verfahren wird durch die Kliniken für Kardiologie, Radiologie sowie Nieren- und Hochdruckkrankheiten gemeinsam geplant. Dies zeigt schon, wie viel Sorgfalt bei der Auswahl des Verfahrens und der Beratung der Patienten angewandt wird. Neben der elektrischen Nervenausschaltung wird ein weiteres Verfahren angeboten, bei dem die Nerven ohne direkten Kontakt zu den Nierengefäßen angegangen werden. Von diesem Verfahren versprechen wir uns, dass es zu weniger Gefäßschädigungen kommt und die Blutdruckeinstellung noch besser gelingt. Jedoch liegen auch hier keine Langzeitdaten vor.