Anwältin antwortet auf Leserfrage zum Thema Unterhalt Müssen Kinder für Eltern zahlen?
Ich habe seit Jahren keinen Kontakt zu meinem Vater. Nun ist er in ein Pflegeheim gezogen und ich soll mich an den Heimkosten beteiligen. Muss ich tatsächlich zahlen?
Es antwortet Rechtsanwältin Sylvia Müller, Fachanwältin für Familienrecht aus Wolmirstedt: Grundsätzlich sind Verwandte gerader Linie - also Kinder und Eltern - gemäß § 1601 BGB untereinander zum Unterhalt verpflichtet. Diese Verpflichtung gilt nicht, wie oftmals angenommen, nur für Eltern gegenüber ihren Kindern, sondern auch für Kinder gegenüber ihren Eltern.
Die Höhe des Unterhaltes richtet sich nach dem sogenannten Bedarf des Unterhaltspflichtigen, dies könnten zum Beispiel die Höhe der Heimkosten sein. Auf diesen Bedarf werden das Einkommen des Unterhaltsberechtigten und sein Vermögensstamm angerechnet. Zudem wird überprüft, mit welchem Teil seines Einkommens das unterhaltsverpflichtete Kind sich am Unterhalt des Elternteils beteiligen muss.
Der Selbstbehalt (Freibetrag) des unterhaltsverpflichteten Kindes beträgt 1500 Euro und der Freibetrag für dessen Ehepartner 1200 Euro. Bei verheirateten Paaren gilt somit ein Familienselbstbehalt von 2.700 Euro. Weiterhin sind die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den eigenen minderjährigen und unterhaltsberechtigten volljährigen Kindern, welche vorrangig vor den Eltern Unterhaltszahlungen erhalten müssen, zu berücksichtigen. Auch feststehende Zahlungsverpflichtungen des unterhaltsverpflichteten Kindes, wie etwa die Abzahlung eines Kredits für eine Immobilie, werden berücksichtigt. Schließlich darf das erwachsene Kind aufgrund seiner Zahlungsverpflichtung nicht selbst bedürftig werden.
Die Höhe der Unterhaltszahlung muss daher unter Berücksichtigung aller Kriterien in jedem Einzelfall individuell berechnet werden. Überschreitet das Einkommen des unterhaltsverpflichteten Kindes abzüglich der anrechnungsfähigen Beträge diese Summe des Selbstbehalts, wird es zu Unterhaltszahlungen für die eigenen Eltern herangezogen.
Jedoch gibt es Ausnahmen: Unterhaltsansprüche können gemäß § 1611 BGB für erwachsene Kinder gegenüber ihren Eltern verwirken, wenn ein Elternteil schwere Verfehlungen gegenüber seinem Kind getätigt hat. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Elternteil, der Unterhalt begehrt, seine Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind früher gröblich vernachlässigt hat. Die Unterhaltsverpflichtung kann dann ganz wegfallen, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
In streitigen Fällen erfolgt die Einschätzung der groben Unbilligkeit durch das Familiengericht. Das erwachsene Kind muss vor dem Gericht dann nachweisen, dass das Fehlverhalten des Elternteils ausreicht, um keinen Unterhalt zahlen zu müssen.