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Fall 1: Bahnfahren Nachlösen im Zug nur eine Ausnahme

Von Gudrun Oelze 22.08.2011, 04:46

Ohne jegliche "Bahnerfahrung" musste eine Magdeburgerin kürzlich Zug fahren. Doch gelang es ihr nicht, auf einem kleinen Bahnhof am Automaten eine Fahrkarte zu lösen. Sie wandte sich umgehend an das Zugpersonal, um ein Ticket nachzulösen. Wie einer ertappten Schwarzfahrerin wurde ihr jedoch zum Normalpreis ein saftiges Strafgeld aufgebrummt.

Ähnlich erging es einem jungen Mann aus der Altmark, der regelmäßig mit der Bahn zum Berufsschulort fährt. Auch ihm gelingt es nicht immer, am Automaten ein Ticket zu ziehen, so dass er es schon mehrfach im Zug nachlöste. Als das Gerät wieder einmal einen 10-Euro-Schein nicht annehmen wollte, meldete er sich sofort beim Zugpersonal. Aber dieses Mal sollte ein Nachlösen "auf Grund der Beförderungsbedingungen der Bahn nicht möglich" sein. Auch von diesem Reisenden wurde eine Strafe von 40 Euro verlangt.

Auf seine Beschwerde reagierte die Bahn mit der Auskunft, dass am Automaten "keine rechtliche Verpflichtung zur Annahme von Geldscheinen" bestehe. Vielmehr liege es in der "Verantwortung der Reisenden, passende Zahlungsmittel für den Kauf der Fahrkarte bereitzuhalten oder sich an eine entsprechende Verkaufsstelle zu wenden". Und wegen der "fairen Gleichbehandlung aller Kunden" könne leider keine Ausnahme gemacht werden.

Was ist fair daran, Fahrgäste, die sich unverzüglich nach Einstieg in den Zug dort eine Fahrkarte kaufen wollen, mit ertappten Schwarzfahrern gleichzustellen?, fragten wir bei der Deutschen Bahn nach.

Die Antwort kam prompt: Nur bei Reisen im Fernverkehr sei es generell möglich, auch bei vorhandener Verkaufstechnik eine Fahrkarte zum Bordpreis zu erwerben. Ansonsten würden in den Nahverkehrszügen der DB Regio in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen seit 1. Juni 2008 einheitliche Beförderungsbedingungen gelten, laut denen Fahrscheine im Vorverkauf bzw. bei Fahrtantritt (am Automaten im Zug) gekauft werden müssen. Ein Nachlösen im Nahverkehrszug beim Kundenbetreuer sei nur noch in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn der Reisende durch fehlenden Automat oder Verkaufsschalter gar keine Chance hatte, vorab eine Fahrkarte zu kaufen.

Auch wenn ein Automat nachweisbar defekt oder ein Verkaufsschalter geschlossen ist, kann im Zug nachgelöst werden. Begründet wurden diese Einschränkungen des Fahrkartenerwerbs im Zug damit, dass die Kundenbetreuer dadurch mehr Zeit hätten, "sich um den Kundenservice zu kümmern, zum Beispiel Informationen über Anschlüsse beim Umsteigen oder Hilfe beim Ein- und Aussteigen".

Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert schon seit Jahren, dass die DB keine Fahrkarten mehr in Regionalzügen verkauft. Wegen des berechtigten Interesses an so wenig Schwarzfahrern wie möglich könne der Verkauf im Zug tatsächlich nur die Ausnahme sein, meint auch Pro-Bahn-Sprecher Karl Peter Naumann. Ein Automat im Zug oder der Verkauf an einer bestimmten Stelle wie im Bistro wäre eine sinnvolle Möglichkeit zur Lösung dieses Problems. "Wer sich dann in diesem ausgewiesenen Verkaufsbereich aufhält, dürfte kein Schwarzfahrer sein, wer anderswo im Zug ohne Ticket angetroffen wird, jedoch schon", so der Vorschlag des Fahrgastverbandes.

Allerdings wären auch die Aufgabenträger für den Schienenverkehr mit in der Verantwortung. In Sachsen-Anhalt könnte die NASA bei Vergaben auch den Fahrkartenverkauf im Zug fordern.

Obwohl auch der Pro-Bahn-Sprecher den derzeitigen als einen "unhaltbaren Zustand" ansieht - im Fall unserer beiden Leser sei rein rechtlich die Bahn im Recht.

Betroffene könnten sich aber an die söp wenden. Die "Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr" gibt es seit Dezember 2009. Sie prüft Beschwerden im Zusammenhang mit Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff, auf die Kunden von den Verkehrsunternehmen keine zufriedenstellende Antwort erhielten. Bei der söp wird zu den individuellen Streitfällen ein Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung zwischen Reisenden und Verkehrsunternehmen erarbeitet. Zu erreichen ist die söp Schlichtungsstelle öffentlicher Personenverkehr e.V. in 10623 Berlin, Fasanenstraße 81, Telefon: 030/6449933-0 (Montag bis Freitag von 10 bis 16 Uhr). www.soep-online.de