Gemeinschaftsinitiative will mehr gesellschaftliche Akteptanz Nicht jeder Patient muss für immer mit Epilepsie leben
Wer die Diagnose "Epilepsie" gestellt bekommt, spricht nur selten in aller Öffentlichkeit darüber. Betroffene haben Ängste vor den Konsequenzen im Bekanntenkreis, bei Behörden und im Beruf. Zudem sind Diagnose und Therapie oft nicht ganz einfach. Diese Mankos zu beheben, hat sich die Gemeinschaftsinitiative Epilepsie zum Ziel gesetzt. Am 21. Mai veranstaltet sie einen Informationstag im Uniklinikum Magdeburg.
Magdeburg. Es ist beängstigend, wenn plötzlich nichts mehr so wie gewohnt ist – wenn aus heiterem Himmel die Kontrolle über den eigenen Körper verloren geht, wenn sich das Bewusstsein eintrübt oder wenn die eigenen Sinne Dinge wahrnehmen, die offensichtlich nicht real sind. All diese Symptome können bei einem epileptischen Anfall auftreten. Allein mit diesen Ungewissheiten zu leben, ist für die Betroffenen nicht leicht. Doch das ist es nicht allein: "Leider gibt es manchmal noch immer die Vorstellung, dass Epilepsien so ähnlich wie Psychosen ¿Geisteskrankheiten‘ sind", sagt Dr. Friedhelm Schmitt von der Neurologischen Universitätsklinik Magdeburg. Das aber sei falsch, so der Nervenfacharzt, der jährlich mehrere hundert Epilepsie-Patienten – vom Jugendlichen bis zum Senioren – betreut.
Ein epileptischer Anfall entsteht durch "Fehlzündungen" von Nervenzellen im Gehirn. Die dadurch ausgelösten Symptome können von einer vorübergehenden geistigen Abwesenheit über unwillkürliche Muskelzuckungen, Verkrampfungen oder ungewöhnliche Empfindungen bis hin zu Bewusstseinsveränderungen und einem Bewusstseinsverlust reichen.
So vielfältig wie die Symptome können auch die Ursachen sein. Sie reichen von:
m vorgeburtlichen oder frühkindlichen Hirnentwicklungsstörungen,
m Nervenschädigungen durch Schlaganfälle oder durch Schädel-Hirnverletzungen,
m Hirntumoren,
m Hirnhautentzündungen sowie
m Vergiftungen und Folgen des Alkoholenzugs.
In etwa 33 bis 66 Prozent der Fälle kann man die genaue Ursache trotz ausgiebiger Untersuchung nicht finden.
Die gute Nachricht ist, dass ein Teil der Epilepsien ohne Zutun von Medizinern von allein ausheilt. Für den Rest gibt es diverse Therapienangebote, die den Betroffenen die Chance auf ein normales Leben ermöglichen können. Die Behandlungsmöglichkeiten reichen, je nach der Ursache des Anfallleidens, von Medikamenten bis hin zu Operationen, mit der Entfernung des Anfallsursprungs oder einer Modulation der Hirnaktivität durch Elektrostimulationen.
Von welchem Therapieangebot der betroffene Patient letztlich profitiert, ist abhängig von den Ergebnissen der Diagnostik. Dazu zählen:
m Hirnstrom-Messungen (EEG)
m bildgebende Verfahren wie die Kernspintomografie (MRT),
m Langzeitvideo-EEG-Ableitungen und
m Untersuchungen des Blutes (zum Beispiel der Konzentration des Medikamentes)
Von den Ergebnissen der Diagnostik hängen auch sozialrechtiche Folgen wie die Chance auf Ausübung des Wunschberufes oder die Fahrerlaubnis ab. Je nach Anfallsart können die Empfehlungen individuell sehr unterschiedlich sein.
Die gute Nachricht: "Nicht jeder Patient, bei dem im Verlauf des Lebens eine Epilepsie diagnostiziert wird, muss ewig damit leben", macht Dr. Friedhelm Schmitt den Betroffenen Mut. Es mache keinen Sinn, "alle Epileptiker über einen Kamm zu scheren". Vielmehr kommt es auch auf eine bessere individuelle Versorgung und auf mehr gesellschaftliche Akzeptanz von Epilepsie-Kranken an.
Das ist das Ziel der Gemeinschaftsinitiative Epilepsie – einem freiwilligen Zusammenschluss von Neurologen, Apothekern, Selbsthilfeverbänden, Krankenkassen und der pharmazeutischen Industrie in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus. Sie laden zum Sonnabend zu einer öffentlichen Veranstaltung ein.