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Pharao und Maharadscha: Knöpfe erzählen Geschichte

Friederike und Klaus Köstner sammeln Knöpfe. Aber keine abgerissenen Fundstücke - ihre Sammlung ist so wertvoll, dass sie einige Exemplare sogar im Banktresor aufbewahren. Schließlich dürfte den ältesten Knopf der Sammlung schon ein ägyptischer Pharao getragen haben.

Von Adriane Lochner, dpa 06.04.2016, 09:59
Die Sammlung von Friederike und Klaus Köstner ist so wertvoll, dass sie einige Stücke im Banktresor aufbewahren müssen. Foto: Nicolas Armer
Die Sammlung von Friederike und Klaus Köstner ist so wertvoll, dass sie einige Stücke im Banktresor aufbewahren müssen. Foto: Nicolas Armer dpa

Kulmbach (dpa) - Wenn ich sage, ich sammle Knöpfe, ernte ich oft ein mitleidiges Lächeln, sagt Friederike Köstner. Dieser Spott verwandle sich aber augenblicklich in Staunen, sobald sie ihre Schätze präsentiere.

Mit Unterstützung ihres Ehemanns Klaus hat die Sammlerin aus Kulmbach in mehr als 30 Jahren eine der bedeutendsten Kollektionen in Europa aufgebaut: mehrere Tausend Knöpfe aus allen Epochen von der Antike bis zum Art déco. Der Gesamtwert liegt im sechsstelligen Bereich, sagt Klaus Köstner - die Spitzenstücke müsse man im Banktresor aufbewahren.

Das älteste Stück der Sammlung stammt aus Ägypten aus der Zeit um 1500 vor Christus. Hält man den unscheinbaren, spiralförmigen Knopf ins Licht, leuchtet er strahlend blau. Das ist Glaspaste mit Lapislazuli versetzt, erklärt Friederike Köstner. Die heiße Flüssigkeit habe man mit Hilfe eines Stabs in Asche gegossen. Wahrscheinlich wurde der Knopf von einem Hohepriester oder Pharao am Zeremonialgewand getragen.

Die wohl prachtvollsten Knöpfe der Köstners sind aus 24-karätigem Gold, in sorgfältiger Handarbeit bemalt. Die beiden Stücke aus der Zeit um 1900 zeigen jeweils das Porträt eines indischen Maharadschas und seiner Maharani. Das ist die feinste Miniaturmalerei, die man sich vorstellen kann, sagt die 72-Jährige. Beim Vergrößern erkenne man sogar Details wie Barthaare und Wangenknochen.

Die Kulmbacher Knöpfesammler kaufen ihre Stücke von Kunsthändlern, ersteigern sie bei Auktionen oder durchstöbern Antiquitätengeschäfte. Gelegentlich finden sie Sammlerstücke auf Flohmärkten.

So kam Friederike Köstner zu einem besonderen Satz Silberknöpfe. Am Steckbrett war eine Beschreibung auf Russisch angebracht. Der Händler, der kein Russisch konnte, verkaufte das Set zu einem günstigen Preis. Als die Köstners die Beschreibung übersetzen ließen, stellte sich heraus, dass die Knöpfe aus dem 16. Jahrhundert stammen. Zar Iwan der Schreckliche hatte die stilisierten Mohnkapseln aus Silber den Bojaren als Zeichen seiner Anerkennung verliehen.

Knöpfe bilden, sagt Friederike Köstner, denn mit jedem neuen Knopf beginne die Detektivarbeit. Die Köstners wälzen Geschichtsbücher und Ornamentenverzeichnisse, informieren sich bei Experten und besuchen Museen. Gerade dieses Forschen ist es, das die Sammelleidenschaft des Paares treibt. Klaus Köstner sagt: Münzen oder Briefmarken sind schon gesammelt. Es gibt genug Leute, die sich darum kümmern. Über Knöpfe wisse kaum jemand Bescheid, das mache das Sammeln so spannend.

Friederike Köstner zufolge sind Knöpfe ein Spiegel der Gesellschaft über die Jahrhunderte hinweg. Sie haben die Menschen immer begleitet, nicht nur als Nutzgegenstand, sondern auch als Schmuck, Statussymbol und sogar als Zahlungsmittel. So mancher Bauer beglich seine Rechnung mit einem Silberknopf von seiner Sonntagsjacke. Speziell gefertigte Knöpfe gab es für Jäger, Studenten und Mitglieder aller Berufsfelder. Die Knöpfe der Berliner Droschkenkutscher zum Beispiel sind sehr selten, kaum jemand hat sie aufgehoben, sagt die Sammlerin.

Das Anfertigen kunstvoller Knöpfe erforderte viel handwerkliches Geschick. Bis zum Ende des Biedermeiers gab es die Zunft des Knopfmachers. Dessen Ausbildung dauerte bis zu sieben Jahre. Mit der Industrialisierung kam der Wendepunkt.

Der Knopf ist ein Gegenstand, der verloren geht, urteilt Friederike Köstner. Schuld sei die Massenfertigung sowie ein Trend zu Reiß- und Klettverschluss. Deshalb haben es sich die Köstners zur Aufgabe gemacht, das Kulturgut Knopf zu bewahren. Derzeit schreiben sie ein Buch, denn deutschsprachige Literatur zum Thema gibt es kaum.

Vorreiter im Knöpfesammeln waren die Amerikaner: Die National Button Society besteht seit 1938 und hat weltweit mehr als 3000 Mitglieder. Einer der wenigen europäischen Sammlervereine ist der Schweizer Knopfclub, in dem auch die Köstners Mitglied sind. Ihr Wissen wollen die Eheleute weitergeben und andere an ihrer Sammlung teilhaben lassen. Deshalb veranstalten sie in verschiedenen Museen immer wieder Ausstellungen unter dem Motto Historische Knöpfe, die schönste Verschlusssache seit Jahrtausenden.

Schweizer Knopfclub

Friederike Köstner begutachtet einen auf Elfenbein gemalten Porträtknopf. Foto: Nicolas Armer
Friederike Köstner begutachtet einen auf Elfenbein gemalten Porträtknopf. Foto: Nicolas Armer
dpa
Die Köstners besitzen unter anderem Knöpfe aus dem Privatbesitz der verstorbenen französischen Schauspielerin Sarah Bernhardt. Foto: Nicolas Armer
Die Köstners besitzen unter anderem Knöpfe aus dem Privatbesitz der verstorbenen französischen Schauspielerin Sarah Bernhardt. Foto: Nicolas Armer
dpa
Zwei Goldknöpfe mit mittigem Rubin in Weißgold mit Türkisbesatz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.. Foto: Nicolas Armer
Zwei Goldknöpfe mit mittigem Rubin in Weißgold mit Türkisbesatz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.. Foto: Nicolas Armer
dpa
Zwei kunstvoll verzierte Knöpfe mit Monogram aus Hirschhorn von ca. 1780. Foto: Nicolas Armer
Zwei kunstvoll verzierte Knöpfe mit Monogram aus Hirschhorn von ca. 1780. Foto: Nicolas Armer
dpa