Reisen Nachhaltiger Urlaub: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Badeurlaub in Thailand, Food-Trip nach Paris oder doch lieber Wandern im Harz? Das grüne Gewissen bleibt bei Urlaubsentscheidungen häufig außen vor - eine Tourismusforscherin erklärt, warum.
Berlin/Kiel - Auf exotische Strände oder Skiurlaube zugunsten der Umwelt verzichten? Theoretisch ja, praktisch nein, lautet meist die Antwort. Für rund zwei Drittel der Deutschen ist Nachhaltigkeit wichtig, bei der Buchung von längeren Reisen ist sie aber für nur drei Prozent ausschlaggebend. Das zeigt eine Studie der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR).
Woher kommt diese Diskrepanz? Die Tourismusforscherin Friedericke Kuhn ist Projektleiterin der FUR-Reiseanalyse und hat Erklärungen für diese Schere. Im Interview gibt sie auch Tipps, wie man umweltfreundlicher reisen kann.
Was ist beim Buchen einer Reise wichtiger – die Nachhaltigkeit oder der Preis?
Friedericke Kuhn: Es ist eher der Preis, auf den die meisten Menschen achten. Für viele ist der Urlaub eine ganz besondere Zeit im Jahr – man will Abstand vom Alltag gewinnen, frische Energie sammeln oder Spaß und Freude haben.
Oft sind es selbstbezogene und hedonistische, also von Genuss geprägte, Motive, die bei der Reisebuchung Vorrang haben. Gerade deswegen ist Nachhaltigkeit meist immer dem Preis untergeordnet. Das kann auch für diejenigen gelten, die sich im Alltag umweltbewusst verhalten - im Urlaub, erlauben sie sich eine Ausnahme zugunsten eines besonderen Reiseziels.
Ist nachhaltiges Reisen eine Frage des Alters?
Kuhn: Wir sehen nur minimale Differenzen im Wunsch nach Nachhaltigkeit zwischen den Generationen. Jedoch gibt es eine Diskrepanz zwischen der positiven Einstellung und dem tatsächlichen Reiseverhalten.
So ist Nachhaltigkeit den 14- bis 29-Jährigen wichtig, jedoch legen sie im Durchschnitt pro Jahr rund 2.500 Kilometer für eine Strecke beim Reisen zurück. Bei den über 60-Jährigen sind es rund 1.000 Kilometer weniger. Das ist nachvollziehbar, weil junge Menschen auch sehr neugierig sind. Sie haben vielleicht noch nicht so viel von der Welt gesehen - und sie haben auch mehr Zeit, länger irgendwo vor Ort zu sein.
Bei Älteren ist es häufiger so, dass der Wunsch vielleicht nicht so stark ist, nachhaltig zu reisen, aber es passiert aus den Lebensumständen heraus. Mit über 60 hat man vielleicht nicht mehr die Kraft oder die Lust, sich zwölf Stunden in ein Flugzeug zu setzen, sondern verreist dann vielleicht doch eher in der Nähe.
Wie können wir nachhaltiger reisen?
Kuhn: Wer wirklich nachhaltig reisen möchte, der sucht sich ein in der Nähe gelegenes Reiseziel aus und nutzt dafür die Bahn. Man sollte über seine Urlaubsmotive nachdenken: Brauche ich für einen Strand- und Badeurlaub wirklich eine Fernreise nach Thailand oder reicht Spanien oder Italien? Eine andere Stellschraube ist die Reisedauer: Brauche ich wirklich fünf Flugziele pro Jahr? Oder lieber eine große Reise pro Jahr und dann diese Distanz nur einmal zurücklegen?
Einige Unternehmen bieten auch eine CO2-Kompensation an: Das ist natürlich positiv zu bewerten, wenn im Nachhinein die Möglichkeit genutzt wird, den eigenen Klima-Fußabdruck auszugleichen. Allerdings reichen fünf oder zehn Euro nicht, um eine große Reise wirklich auszugleichen – und außerdem zahlen nur sehr, sehr wenige Menschen eine Kompensation.
Ferner hat eine neue EU-Verordnung – die Green Claims Directive – klargestellt, dass man nicht einfach von einer klimafreundlichen Reise sprechen kann, nur weil man eine CO2-Kompensation anbietet.