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Kanada Unentdeckte Puder-Paradiese: Skifahren in British Columbia

Viel Schnee, großartige Berge, menschenleer: Nah der Grenze zu den USA gibt es Skigebiete der Extraklasse. Nachteil: Sie sind sehr abgelegen. Vorteil: Die Pisten hat man fast für sich allein.

Von Bernhard Krieger, dpa 18.12.2024, 00:05
Beste Aussicht auf Tiefschneetage: Durchschnittlich zwölf Meter Schnee fallen im Skigebiet Whitewater pro Saison.
Beste Aussicht auf Tiefschneetage: Durchschnittlich zwölf Meter Schnee fallen im Skigebiet Whitewater pro Saison. Stephan Malette/Nelson Kootenay Lake Tourism/dpa-tmn

Nelson - In Nordamerika sind Skiresorts meist Big Business. Im Südwesten Kanadas aber sind sie eine Herzensangelegenheit - zumindest in Red Mountain und Whitewater in British Columbia (BC). Sie wurden nicht von Ski-Konzernen gegründet, sondern von wintersportbegeisterten Einheimischen. Mit unzähligen Stunden unbezahlter Arbeit bauten sie unterstützt von lokalen Geschäftsleuten Resorts, die in der Skiszene inzwischen Kultstatus genießen.

Die Geschichte von „Red“ geht in die 1890er-Jahre zurück. Gold- und Kupfervorkommen in den Kootenay-Bergen, die zu den Rocky Mountains zählen, zogen damals Glücksritter aus aller Welt an – darunter Skandinavier, die den Skisport mitbrachten.

1897 organisierten sie am Red Mountain das erste Abfahrtsrennen Kanadas. 1929 gründeten sie einen Skiclub. Bald schon installierten sie einen ersten Schlepplift, zimmerten ein Klubhaus zusammen und schlugen Schneisen für Pisten in die Wälder – alles in Eigenregie.

Das erste Skirennen Kanadas

Kanadas „Rosi Mittermaier“, die Lokalmatadorin Nancy Greene, wurde in Red Mountain zum Skistar: 1968 war der örtliche Skiklub stolzer Ausrichter des ersten Skiweltcuprennens in Kanada. Das Frauenrennen gewann Greene, die später zur erfolgreichsten Skirennläuferin des Landes aufsteigen sollte. Zahlreiche weitere „Red Mountain Racer“ schafften es bis in den Weltcup.

„Dieser Enthusiasmus für den Skisport und dieser Pioniergeist machen Red bis heute zu einem ganz besonderen Skiresort“, sagt Gord Lepage, langjähriger Chef der Red-Ski-Patrol. Er hebt unter anderem die vielen Blockhütten hervor, die sich rechts und links der Pisten im Wald verstecken. „So etwas gibt es nirgendwo sonst.“

Viele dieser „Cabins“ sind mehr als 80 Jahre alt. Bis heute werden sie von Einheimischen genutzt, um auf dem Berg zu übernachten und frühmorgens zu Skitouren aufzubrechen. Einige sind spartanische Schutzhütten, andere gemütlich mit Kaminöfen, Betten und Sofas ausgestattete Ferienhäuschen.

„In den 1960er-Jahren wurden dort wilde Hippie-Partys gefeiert“, erinnert sich Lepage. Zu Zeiten des Vietnamkrieges hausten in den Hütten zum Teil US-Amerikaner, die über die nahe Grenze nach Kanada geflohen waren, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen.

Leute wie Lepage halten mit ihren Erzählungen Reds Geschichte lebendig, die Neuzeit macht vor dem historischen Resort dennoch nicht halt. Nachdem ein amerikanischer Investor das Skigebiet 2004 gekauft hatte, wurden Lifte modernisiert und direkt an der Talabfahrt neue Hotel- und Appartementblöcke gebaut. Für Urlauber wurde vieles bequemer. 

Eins aber hat sich nicht verändert: „Nur, wer sich in Red auskennt, kann das gesamte Potenzial des Berges ausschöpfen“, sagt Lepage. Ein ortskundiger Guide sei deshalb Gold wert. Henry Giesbrecht, Kanadier mit deutschen Wurzeln aus der Nähe von Whistler, ist einer dieser Guides. Für einen deutschen Skireiseveranstalter begleitet er Gruppen auf sogenannten Skisafaris, auf denen verschiedene, auch weniger bekannte Skigebiete wie Red besucht werden. 

„Red Mountain gehört zu den besten und weitläufigsten Skigebieten Kanadas“, sagt Giesbrecht. Von der 1.219 Meter hoch gelegenen Basis aus sind drei bis zu 2.075 Meter hohe Berge erreichbar. Neben den überwiegend steilen Pisten gibt es unzählige Abfahrtsmöglichkeiten im unpräparierten, aber lawinenüberwachten Gelände. Für ein paar Dollar extra bringt eine Pistenraupe - in Nordamerikaner Cat genannt - die Tiefschneefans zudem zum sogenannten Catskiing auf den Mount Kirkup.

Powder-Paradies 

Durchschnittlich 7,6 Meter Schneefall pro Saison beschert Wintersportlern in Red zahlreiche „Powderdays“. „Noch mehr Chancen auf solche Tiefschneetage bietet Whitewater mit durchschnittlich zwölf Metern Schnee pro Saison“, sagt Giesbrecht. Wie Red liegt auch Whitewater am sogenannten „Powder Highway“, an dem sich in BC schneereiche Skigebiete sowie Cat- und Heliskiing-Anbieter aneinanderreihen.

„Viel Schnee und wenig Menschen - das ist die Erfolgsformel in Red und Whitewater“, sagt der Guide. Weil die nächste Großstadt eine Tagesreise entfernt ist, kämen nur sehr wenige Tagesausflügler. Und auch Skiurlauber verirrten sich nur selten in die Region rund um das Städtchen Nelson, da es weit und breit keinen internationalen Flughafen gebe, sagt Giesbrecht.

Für die Resorts ist das Fluch und Segen zugleich. So bleiben die Pisten schön leer, die Kassen aber auch. Selbst an Powderdays blieben die Locals fast unter sich.

Ein Hauch von San Francisco

Nelson ist ein Ort der Lebenskünstler und Kreativen: lässig, liberal, Flower-Power. Cannabis ist in Kanada legal. In Nelson aber ist der süßliche Duft des Krauts allgegenwärtig. Die Main Street ist gesäumt von Galerien, Boutiquen, Restaurants, Cafés, Bars und Yoga-Studios. So erinnert das Städtchen am Kootenay Lake nicht nur wegen seiner steil den Berg hinaufführenden Straßen ein wenig an San Francisco.

Auch in dem 20 Autominuten entfernten Skiresort ist das alternative Flair spürbar. Im „Coal Oil Johnny’s“, dem Pub in der Whitewater-Talstation, werden vorwiegend Veggie-Burger und Tofu-Bowls serviert. Die Gerichte kommen von der aus Nelson stammenden Kochbuchautorin Shelley Adams. 

„Wir sind sicherlich bis heute ein bisschen anders als andere Skigebiete“, sagt Resort-Chefin Rebeckah Hornung. Der Start war es auf jeden Fall: Als sich zwei Geschäftsleute in den 1970er-Jahren ein Herz fassten und mit Krediten das Skiresort gründeten, zogen Nelsons Bürgerinnen und Bürger mit.

„Sie spendeten Geld und leisteten ohne Bezahlung tausende Arbeitsstunden für ihr Skigebiet“, erzählt Hornung. Obwohl das Resort bis heute zweimal den Besitzer gewechselt habe, sei die Verbindung zwischen den Menschen in Nelson und ihrem Skigebiet noch so eng wie damals.

„Hütten gibt es im Skigebiet zwar nicht, und auch das Pistennetz ist überschaubar, als Spielplatz für Freerider aber ist Whitewater großartig“, sagt Giesbrecht. Vor allem den besonders trockenen Pulverschnee in Whitewater schätzt der Guide.

Und die außergewöhnliche Herzlichkeit der Leute. Fremde werden wie Freunde begrüßt und nachmittags auf dem Parkplatz auch mal auf ein Bier eingeladen. Kanadier begießen den Skitag nämlich gerne auf der Ladefläche ihrer Pick-up-Trucks sitzend – selbst bei minus 15 Grad.

Links, Tipps, Praktisches:

Reiseziel: Red Mountain und Whitewater liegen im südlichen British Columbia am kanadischen „Powder Highway“. Nächste größere Stadt ist das rund 300 Straßenkilometer entfernte Kelowna.

Beste Reisezeit: Von Dezember bis April haben die Skigebiete geöffnet.

Anreise: Mit dem Flugzeug nach Calgary oder Vancouver. Von dort mit dem Mietwagen in etwa acht Stunden bis Red Mountain und Whitewater.

Unterkunft: Hotels und Ferienwohnungen gibt es für jedes Budget. Am Red Mountain hat das „The Josie Hotel“ die beste Ski-in-ski-out-Lage. In Whitewater gibt es keine Unterkünfte. Das „Prestige Lakeside Resort“ im benachbarten Nelson liegt direkt am See.

Preise: Im Skigebiete Red Mountain - 15,6 Quadratkilometer befahrbare Fläche, acht Lifte - kostet der Tagesskipass umgerechnet ab etwa 67 Euro. In Whitewater - 5,2 Quadratkilometer befahrbare Fläche, fünf Lifte - müssen rund 97 Euro bezahlt werden. In der Nähe des Skiresorts gibt es auch zahlreiche Heliskiing-Anbieter.

Essen/Gastronomie: Die „Rafters Bar“ in der Talstation in Red ist Kult. Den Ruf als bestes Restaurant in Whitewater genießt „Coal Oil Johnny’s“ am Fuß des Skigebiets.

Skisafaris: Zu den wenigen Anbietern derartiger Gruppenreisen zählen Stumböck Club und Hagen Alpin Tours.

Währung: 1 Euro entspricht 1,49 Kanadischen Dollar (Stand: 12.12.2024).

Zeitverschiebung: British Columbia liegt neun Stunden hinter Deutschland zurück. 

Weitere Auskünfte: www.hellobc.de