Pilgern in Nordirland Ungläubig und heilig: Lehren auf dem St. Patrick's Way
Am 17. März ist St. Patrick's Day, aber „sein“ Wanderweg ist immer da: Wer ihn nimmt, taucht in eine Fantasywelt ab und lernt nicht nur viel über den Sklaven, der zum irischen Schutzpatron wurde.

Armagh/Downpatrick - Viele Reisen nach Armagh in Nordirland beginnen mit Verwirrung. Die St. Patrick’s Cathedral möchten die meisten Besucher sehen - und wenn sie Einheimische nach dem Weg fragen, bekommen sie immer dieselbe Antwort: „Welche?“
Denn die kleine Stadt etwa 50 Kilometer südwestlich von Belfast hat gleich zwei Kathedralen, die dem Heiligen gewidmet sind: eine katholische und eine anglikanische. Beide Erzbischöfe haben hier ihren Sitz. Damit gilt der Ort als so etwas „wie die Kirchenhauptstadt Irlands“, sagt die langjährige Stadtführerin Donna Fox bei einer Tour durch Armagh.
Im Jahr 445 bereits gründete der heilige Patrick eine Kirche auf einem der sieben Hügel der Stadt – heute ist das die Kathedrale der Church of Ireland. Das Gebäude, das heute dort steht, stammt jedoch aus dem Jahr 1268. Viel jünger hingegen ist die katholische St. Patrick’s Cathedral, die erst 1904 geweiht wurde.
Ein Sklave und Missionar
Doch wer war eigentlich dieser Patrick, dem die Kirchen geweiht sind und dem zu Ehren vielerorts auf der Welt am 17. März gefeiert wird, oft feuchtfröhlich? Seine überlieferte Geschichte, die mitunter etwas fantastisch klingt, beginnt vor bald 1600 Jahren. Damals kam Patrick auf die Insel, nicht freiwillig übrigens.
„Er war wohl der Sohn einer reichen Familie in Britannien“, erzählt Elaine Kelly, früher Anwältin und nun auf dem Weg zur spät berufenen Nonne. Als 16-Jähriger wurde er demnach von irischen Piraten entführt und auf die Insel gebracht. „Sechs Jahre lang war er Sklave, musste sich wohl um Schafe kümmern.“ Gläubig war Patrick, der Enkel eines Priesters, da nicht. Kelly: „Vielmehr beschrieb er sich in seiner Jugend als träge und unreif.“
Das aber sollte sich in der Zeit seiner Sklaverei ändern, wie er in seiner „Confessio“ (lateinisch für „Bekenntnis“) schreibt, die als eine Art Autobiografie gilt. Hunderte Male am Tag habe er zu Gott gebetet, oft auch die Nacht hindurch. Ob nun durch eine Erleuchtung oder mit profanem Willen, nach sechs Jahren konnte der junge Mann der Sklaverei entfliehen und ging zurück in seine Heimat.
Nackt und schreiend in den Kampf
„Er zog weiter nach Frankreich, wo er sich theologisch ausbilden ließ und zum Bischof geweiht wurde“, sagt Martina Purdy, die sich wie Elaine für ein Leben als Nonne entschieden hat und früher politische Korrespondentin bei der BBC in Nordirland war.
Doch Patrick kehrte nach Irland zurück, er habe eine Vision gehabt, so ist überliefert. Wohl um 432 segelte er in den Strangford Lough. Und fortan zog er durch das Land, in dem die Kelten lebten und ihren eigenen Göttern huldigten.
Am Navan Fort bei Newcastle können Besucher erleben, wie es in der damaligen Eisenzeit hergegangen sein muss. Zwei Laiendarstellerinnen bitten ans Feuer zu Kräutertee und Haferkuchen, in einem großen Zelt versetzen sie ihre Zuschauer zurück in die Zeit, als Krieger sich mit blauer Farbe anmalten und dann nackt und schreiend in den Kampf zogen. Nicht mal die Römer wollten gegen dieses vermeintlich wilde Volk im kalten Norden antreten, berichten sie.
Startpunkt am Navan Fort
Das Navan Fort ist auch das alte „Emain Macha“, für die Kelten von großer Bedeutung: Es gilt als Hauptstadt des prähistorischen Königreichs von Ulster, an dem der Herrscher Conchobar mit seinen Kriegern wachte und es gegen Invasionen schützte. Hier soll Patrick das Pferd des Chieftains Daire geheilt haben, der ihm zum Dank eben den Hügel in Armagh gab, auf dem er seine erste Kirche baute.
Und noch eines ist das Navan Fort: der Start des St. Patrick’s Way. Mitten im Wald, umgeben von saftigem Gras und kleinen Hügeln geht es los auf den Wanderweg, der auf rund 143 Kilometern von Armagh über die Mourne Mountains, entlang der Küste bei Newcastle, bis nach Downpatrick (von irisch „Dún Pádraig“, Burg des Patrick) führt.
Nicht überall müssen Pilger auf dem Weg zu Fuß unterwegs sein - so wie es der heutige Schutzheilige von Irland gewesen sein soll. Ein E-Bike hatte Patrick nicht, aber heutzutage pilgert es sich so unterwegs zwischen Scarva und Newry deutlich schneller.
Der Weg geht immer entlang eines idyllisch gelegenen Kanals, an dessen Ufer Schafe und Kühe und Schwan-Familien leben, die allesamt nach Futter im Wasser und auf den Wiesen suchen. Der Kanal wurde 1742 eröffnet, damals mit 14 Schleusen. Seit seiner Stilllegung als Schifffahrtsweg hat sich die Natur erholt, sogar das Fischen ist wieder möglich. Auch Patrick soll während seiner Mission in der Gegend Zeit verbracht haben – an einem Ort namens Glen Righe oder Clanrye.
„Seaside Town“ und Fantasywelt
Von Newry ist es nicht weit bis nach Newcastle, der ersten Station am Meer. Das ist eine echte „Seaside Town“ mit Strand und Golfplatz, mit einer großen Auswahl an Pubs und Restaurants und den typischen Spielhöllen, in denen sich Kinder und Erwachsene bei schlechtem Wetter die Zeit vertreiben.
Viel wichtiger für den Weg aber ist die Nähe zum Slieve Donard, mit 849 Metern höchster Berg in Nordirland, und dem Tollymore Forest Park am Fuß der Mourne Mountains. Hier können sich Pilger in die Fantasywelt der „Chroniken von Narnia“ von Clive Staples Lewis versetzt fühlen, so verwunschen wirkt die Landschaft: Wälder mit dichten Baumkronen, alte Eichen, der Fluss Schimna, der immer wieder überquert werden muss, auf alten Steinbrücken und Übergängen aus Holz.
Die letzte Station des an vielen Stellen einsamen Wegs ist Downpatrick, wo das neue, multimediale St. Patrick’s Centre so ziemlich jede Frage zu Leben und Sterben des Schutzpatrons beantwortet. In Downpatrick soll der Heilige unter einem großen Felsblock beerdigt sein.
Hier leben auch Elaine Kelly und Martina Purdy, die ihre Karrieren aufgaben, um als Nonnen zu leben. Doch die Gemeinde, in der sie auf ihre Gelübde vorbereitet wurden, war zu klein, um dort geweiht zu werden - „eine Herausforderung“. Auch sie machten sich auf.
Ein Patrick aus Granit
Nun also begleiten sie von Downpatrick aus Pilger auf Wanderungen auf dem St. Patrick’s Way, auf Kajaktouren über den Fluss Quoile zu den Ruinen der historischen Inch Abbey, eine ehemalige Zisterzienserabtei, und nach Saul, dem Ort, an dem Patrick seine erste Kirche gebaut haben soll. Eine Nachbildung hält die Legende am Leben.
Einen letzten steilen Anstieg gibt es zu bewältigen, auf den Hügel Slieve Patrick. Hier oben beeindruckt nicht nur der Ausblick über die satten Wiesen und die Örtchen bis zum Strangford Lough.
Über allem wacht auch die weltgrößte Statue des heiligen Patrick: gut 14 Meter hoch, erbaut aus heimischem Granit im Jahr 1932 im Andenken an den Nationalheiligen, der vor damals genau 1.500 Jahren nach Irland zurückgekehrt sein soll. Der durch das Land reiste und das Evangelium predigte, Kirchen und Schulen gründete und den Menschen mit einem Kleeblatt die Dreifaltigkeit erklärte.
Links, Tipps, Praktisches:
Der Wanderweg: Der St. Patrick’s Way ist 132 Kilometer lang und führt vom Navan Fort bei Armagh nach Downpatrick, wo sich auch das St. Patrick’s Centre sowie die beiden Kirchen St. Patrick's Church of Ireland Cathedral und St. Patrick's Roman Catholic Cathedral befinden.
Anreise: Aer Lingus, Lufthansa, Ryanair und Eurowings fliegen direkt nach Dublin. Von dort sind es mit dem Auto gut anderthalb Stunden. Nach Belfast gibt es aus Deutschland keine Direktverbindung. Direkte Fährverbindungen mit Irish Ferries, DFDS, Stena Line und Brittany Ferries gibt es von Cherbourg, Dünkirchen, Roscoff nach Rosslare, Cork und Dublin.
Klima: Der Golfstrom sorgt das ganze Jahr über für ein mildes, ausgeglichenes Klima. Die Temperaturen sinken selten unter 0 Grad oder steigen über 25 Grad, Schnee und Frost gibt es kaum.
Währung: Nordirland gehört zum Vereinigten Königreich, hier wird mit Pfund Sterling bezahlt, das 1,21 Euro entspricht (Stand: 27.02.2025). In der Republik Irland ist der Euro die offizielle Währung.
Weitere Auskünfte: ireland.com