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Morbide Legenden Zweitäler-Land: Die schockierende Seite vom Schwarzwald

Schwarzwald, das sind Kirschtorte und Kuckucksuhren - klar. Aber auch Bergbau, Totentanz und Hexenkräfte. Im Zweitäler-Land bekommt man das alles, garniert mit einer guten Portion Sagen und Mythen.

Von Larissa Loges, dpa Aktualisiert: 22.12.2022, 16:21
Der Schwarzwald hat auch dunkle Seiten.
Der Schwarzwald hat auch dunkle Seiten. Philipp von Ditfurth/dpa/dpa-tmn/Archivbild

Freiburg - Wie ein Schweizer Käse, so beschreiben Einheimische das Suggental. Zerlöchert von mehr als 90 Stollen, Schächten und Gruben. Eine Bäuerin soll beim Aussähen hinterm Traktor einst in einem sich auftuenden Loch verschwunden sein.

Einer, der alle Geschichten kennt, ist Andreas Mack vom Verein Silberbergwerk Suggental. Er hat den Themenwanderweg Silbersteig im Suggental entwickelt. Zwei kombinierbare Rundwege, die Spuren des Bergbaus auf Infotafeln dokumentieren. Wandern gehört im Schwarzwald-Urlaub schließlich dazu.

„Der Schwarzwald ist tatsächlich ein ganz altes Bergbaugebiet“, erzählt Mack, „urkundlich belegt seit 1024 - aber sicher älter.“ Das Suggental nordöstlich von Freiburg ist dabei nur ein Ort von vielen.

Dessen Besucherbergwerk zeugt vom Aufstieg und Untergang des Grubengeländes. In engen, dunklen, schwefeligen Gängen erzählt Mack von der schweren Tätigkeit unter Tage - und von einer Sage über den Hochmut der Reichen im Suggental: „Ende des 13. Jahrhunderts soll nach einem Wolkenbruch das ganze Tal überschwemmt, sollen alle Häuser mitgerissen worden sein.“ Ein versunkenes Tal als Strafe Gottes. Nichts mit Glückauf. Beleg soll eine Totenmesse sein, die damals für 300 Tote im nahen Waldkirch gehalten wurde.

Bilder des Todes und ein Horror-Bonus

Der Tod bleibt Thema: Nur zehn Kilometer weiter, wo Elz- und Simonswäldertal - die Gebiete des Zweitäler-Landes - zusammentreffen, finden kulturhistorisch Interessierte eine Rarität: Der Bleibacher Totentanz im gleichnamigen Örtchen ist „einer der wenigen, noch erhaltenen Totentänze in Europa“, sagt Künstler Hans Schätzle.

Die Rarität ist gut versteckt: Durch eine schlichte Tür gelangt man aus dem hinteren Kirchenraum der St. Georg Kirche in Gutach-Bleibach in die Beinhauskapelle. Weiß getünchte Wände lassen die großen, bunten Figuren darauf noch eindringlicher erscheinen. 34 Bilder sind es, in Öl. Geordnet nach der Stände-Hierarchie der damaligen Zeit. Gemalt 1723 auf dem holzverschalten Rundgewölbe.

„Mit den Bildern wurde den Leuten drastisch vor Augen geführt: Ob arm, ob reich, im Tod sind alle gleich“, sagt Schätzle. Kind, Frau, Mann, Advokat, Knecht, Kaiserin, Äbtissin oder Bauersfrau - auf den Bildern holt der Sensenmann sie alle zum Sterben ab. Im Mittelpunkt, als Horror-Bonus: eine Skelett-Big-Band. Wer aus dem Beinhaus ging, dachte bestimmt: „Ich will mich bessern“, unkt Schätzle.

Die Geschichte vom Hexenbesen im Geröll

Draußen, in der überschwänglichen Natur des Berges Kandel bei Waldkirch, verblassen langsam die Bilder der tanzenden Toten - nur, um kurz darauf durch tanzende Hexen ersetzt zu werden. Tatsächlich galt der Kandel im Mittelalter als Hexenberg. Auf der Teufelskanzel, ganz oben, sollen Hexen wilde Orgien gefeiert haben. Fraglich, ob sie dies wegen des grandiosen Ausblicks auf Rheinebene und Vogesen taten.

Der vermeintliche Beweis für die Hexensause: 1981, in der Walpurgisnacht, bricht die Teufelskanzel ab. Tonnen an Geröll stürzen talwärts, in den Trümmern findet man später einen Reisigbesen.

„Die flogen hier auf ihren Reisigbesen rum und haben ihre Superfeten mit dem Teufel gefeiert. Und in der Walpurgisnacht '81 war es halt zu viel des Guten“, sagt Edwin Dreher, schmunzelt und erzählt weiter: „Im Dorf wurde sogar behauptet, es hätte nach Schwefel gerochen.“ Dreher ist Forstwirt und Vorsitzender des Schwarzwaldvereins Waldkirch-Kandel. Da kennt man die lokalen Geschichten.

„6000 Tonnen“ orgienverdächtiges Abbruchgestein sollen nun den beliebten Kletterfels sprenkeln. Doch nicht nur wegen der Legenden, sondern wohl auch aufgrund der Urwüchsigkeit ist der Kandel beliebt.

Die Geschichte der Hirtebuben

Vom Kandel ist es nicht weit nach Yach bei Elzach. Laut Stadtverwaltung der einzige Ort in Deutschland, der mit Y beginnt - also ebenfalls sowas wie eine Rarität. Wie spricht man das? In der Mundart werde der Name „Eich“ ausgesprochen.

Auch bei Yach warten Mysterien. So fragt man sich am knapp sechseinhalb Meter hohen Siebenfelsen, welcher Riese die sieben, tonnenschweren Granitblöcke wohl so ordentlich aufeinandergestapelt haben mag. Der Ort soll ein keltischer Altar gewesen sein.

Weiter bergan erreicht man den Zweitälersteig und den Hirtenpfad. Zu letzterem hat Naturführer Siegfried Wernet seinen ganz eigenen Auszug Schwarzwälder Schockrealität parat: Er berichtet von den Hirtebuben, die „als Neunjährige ihren Eltern als Viehhirten abgekauft“ wurden und einsam durch die Berge streiften.

„Der letzte Hirtebub war 1951 noch im Einsatz“, sagt Wernet sichtlich berührt. Schuhe, erzählt er, hatten die Kinder nicht. Kalte Füße wärmten sie in frischen Kuhfladen.

Teufelsritt für hedonistischen Bauern

Als eine Art Memento führt Wernet Wandergruppen oft barfuß rund um den Rohrhardsberg und die Hänge des Yachtals, die er schon als Kind (wenn auch nicht als Hirte) durchstreift hat. Waldstücke wechseln mit ausufernden Wiesen, ebene Wege mit steilen Hängen, als es zu einer leicht zu übersehenden Kuriosität geht: dem Schimmelbildstock, ein schmaler, steinerner Bildstock mit Pferdeabbild.

Die Sage berichtet von einem Bauern, der statt an der Wallfahrtskapelle auf dem Hörnleberg zu beten, in den Gasthof nebendran einkehrte. Er aß, spielte und vergaß die Gottesfurcht. Auf dem Heimweg begegnete der Bauer einem bleichen Schimmel. Er stieg auf und erlebte einen Teufelsritt, der ihn zeitlebens vom Kartenspielen (und vom Reiten) abhielt.

Vertrieben wurde der unheimliche Klepper übrigens mit, logisch, Weihwasser. Ja, man sollte vielleicht schon ein wenig gottgläubig sein, um das Zweitäler-Land zu besuchen - sicher ist sicher.

Zweitäler-Land Schwarzwald