Mini-Feier in Berlin Schwedens Botschafter übergibt Nobelpreis an Charpentier
Es gibt in diesem Jahr zwar keine Gala, aber doch eine kleine Feier für die Chemie-Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier. In der schwedischen Botschaft in Berlin erhält sie die Auszeichnung.
Berlin (dpa) - Keine echten Royals, keine Gala - aber ihren Nobelpreis für Chemie hat Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier trotzdem bekommen. Am Montagabend überreichte ihr Schwedens Botschafter Per Thöresson Medaille und Urkunde vorab in seiner Berliner Residenz.
Denn die traditionelle Verleihung der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung am 10. Dezember in Stockholm muss dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie ausschließlich vor dem Computer begangen werden. Dass der Chemie-Nobelpreis Anfang Oktober für die Mitentwicklung der Genschere Crispr/Cas9 an die Französin Charpentier ging, war keine Überraschung. Seit Jahren war die Wissenschaftlerin, die in Berlin forscht, eine heiß gehandelte Kandidatin. Den Nobelpreis, dotiert mit umgerechnet 950.000 Euro, teilt sie sich mit ihrer US-Kollegin Jennifer A. Doudna. Feiern aber müssen beide getrennt.
Charpentier, 51 Jahre alt, studierte Mikrobiologie, Biochemie und Genetik an der Pierre-und-Marie-Curie-Universität in Paris. Es folgten mehrere Forschungsstationen in den USA, in Wien und in Schweden. Von 2013 bis 2015 war sie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig tätig. Dann der Wechsel in die Bundeshauptstadt, zunächst als Direktorin des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie. Seit 2018 ist sie Gründungs- und kommissarische Direktorin der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene in Berlin. Zudem ist sie Honorarprofessorin an der Humboldt-Universität.
Die Entdeckung der Genschere beruht auf einem Mechanismus, den viele Bakterien nutzen, um sich vor Viren zu schützen. Charpentier und Doudna setzen ihn ein, um die Erbinformation von Lebewesen gezielt zu verändern, also etwa einzelne Gene aus dem Erbgut herauszuschneiden oder hinzuzufügen. Binnen weniger Jahre wurde der Einsatz der Genschere ein molekularbiologisches Standardverfahren.
Immer wieder spielen ethische Fragen bei der Nutzung eine Rolle. Denn neben der Pflanzenzüchtung wird auch an Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin geforscht: Gerade Erkrankungen, die auf einem defekten oder fehlenden Gen basieren, können mit der Genschere womöglich geheilt werden. Mit ihr lässt sich aber auch das Erbgut von menschlichen Spermien, Eizellen und Embryonen verändern. Im Jahr 2018 sorgte der chinesische Wissenschaftler He Jiankui für Entsetzen, als er die Geburt zweier Mädchen bekanntgab, deren Erbgut er zuvor mit der Genschere manipuliert hatte. In Deutschland ist das Verändern der DNA von Embryonen verboten.
Charpentier selbst hat sich mehrfach gegen Eingriffe in die Keimbahn ausgesprochen. Im Oktober sagte sie, dass die Forschung manchmal weit davon entfernt sei, die Komplexität von Eingriffen zu begreifen. "Es gibt Risiken in der Zukunft." Nötig sei eine starke wissenschaftliche Community, um die ethischen Fragen zu beantworten.
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