Erziehung Schwierige Zeiten gemeinsam meistern
Mit einem Kind stolpert man gefühlt von einer Krise in die nächste. Zähe Zeiten sind aber wichtig für die Entwicklung.
Berlin/Köln (dpa) l Kaum sind die ersten Zähne durch, das Kind kann laufen und am Brötchen knabbern – da geht es schon los: melodramatische Anfälle auf dem Spielplatz, an der Supermarktkasse, beim Anziehen. Uff! Geht das jetzt bis zur Pubertät so weiter?
Die schlechte Nachricht lautet: ja. Die gute: Kinder durchleben diese Phasen nicht zur Schikane, sondern brauchen sie für ihre Entwicklung. Und Eltern stehen ihnen nicht völlig hilflos gegenüber. Ein Überblick:
So viel Wut passt in einen kleinen Menschen? Darüber sind viele Eltern im zweiten Lebensjahr erstaunt. Wenn große Gefühlsausbrüche den Alltag bestimmen, steht schnell das Urteil Trotzphase im Raum.
Von diesem eher negativen Begriff rückt die Kindheitspädagogin Kathrin Hohmann jedoch ab. "In dieser Phase entwickeln Kinder ihren eigenen Willen und wollen unabhängiger werden – ein menschliches Grundbedürfnis und damit etwas Gutes", erklärt Hohmann.
Warum ist diese Phase wichtig? Die Autonomiephase legt das Fundament dafür, dass Kinder auf ihre Bedürfnisse hören und für sie einstehen können. "Somit schützt sie die Kinder auch vor negativen Erfahrungen und Missbrauch", erklärt Hohmann.
Wenn Kinder wissen, dass sie nicht ihren Eltern zuliebe der Tante einen Schmatzer geben müssen, fällt ihnen auch später ein "Nein" leichter.
Was hilft? "Hilfreich ist, sich klarzumachen: Das Kind kämpft für sich selbst, nicht gegen die Eltern", sagt Hohmann. Einem hitzigen Wutanfall mit einem kühlen Kopf zu begegnen, ist dennoch nicht leicht.
Um sich zu sammeln, kann ein tiefer Atemzug helfen oder das Zählen aller eckigen Gegenstände im Zimmer. Auf dieser Basis gelingt es besser, dem Kind auf Augenhöhe Sicherheit zu vermitteln – ganz nach dem Motto: Wir schaffen das gemeinsam.
Familienzuwachs ist nicht für alle eine gute Nachricht. "Für manche Kinder bedeutet ein neues Geschwisterchen eine Riesenkrise", erklärt Hohmann. Sie lehnen den Neuankömmling offen ab oder ignorieren ihn.
Warum ist diese Phase wichtig? Ähnlich wie bei der Autonomiephase gilt auch hier: Das Kind verhält sich nicht so, weil es die Stimmung ruinieren will oder das Geschwisterchen blöd findet. Durch sein Verhalten kämpft es für sich selbst. Dahinter steckt oft eine ordentliche Portion Verlustangst, die Befürchtung, die Eltern zu verlieren.
Was hilft? "Es kann hilfreich sein, wenn Eltern akzeptieren, dass es zu Konflikten kommen darf. Schließlich ist es eine Phase der Umstellung", sagt Hohmann. Kleine Exklusivzeit-Termine stärken die Bindung zwischen älterem Kind und Eltern.
In der Wackelzahn-Pubertät ist der Rucksack schwer – nicht nur der für die Schule, auch der mit dem emotionalen Ballast. Typischerweise durchleben Kinder diese Phase im Alter zwischen fünf und zehn Jahren. Stimmungsschwankungen, Traurigkeit, Wut und Rückzug geben einen Vorgeschmack auf die Pubertät.
"Der Unterschied: Die Wackelzahn-Pubertät hat nichts mit Hormonen zu tun", sagt die Autorin Laura Fröhlich, die ein Buch zum Thema geschrieben hat. Viel eher fühlen sich die Kinder hin- und hergerissen zwischen dem Klein-Sein und dem Groß-Werden.
Warum ist diese Phase wichtig? "Veränderung ist für viele Kinder schwierig", sagt Fröhlich. Daher ist es kein Zufall, dass die Wackelzahn-Pubertät oft Hand in Hand mit dem Schulstart geht.
Was hilft? Die Stimmungen ihrer Kinder – heute so, morgen so – stellen viele Eltern vor ein großes Rätsel. Was Kindern guttut: Wenn Eltern ihnen signalisieren, dass ihr Zwiespalt okay ist. Ganz nach dem Motto: Ich unterstütze dich bei deinen Erfahrungen, nehme dich aber auch fest in den Arm, wenn du kurz wieder ein Baby sein willst.
Hier regieren in erster Linie die Hormone. Sie stoßen große körperliche und seelische Veränderungen an. "Jugendliche wollen sich nun außerhalb der Familie ausprobieren", erklärt die Psychologin Elisabeth Raffauf. Das führt in vielen Familien zu Streit – etwa um Kleidung oder abendliche Ausgehzeiten.
Warum ist diese Phase wichtig? In der Pubertät nabeln sich die Jugendlichen von ihrer Familie ab und gewinnen Eigenständigkeit. Meinungsverschiedenheiten mit den Eltern sind dafür wichtig. Problematisch werde es dann, wenn Jugendliche Konflikte herunterschlucken – etwa aus Angst, dass durch ihre Rebellion die Familie zerbrechen könnte.
Was hilft? In der Pubertät verhandeln Eltern und Kinder über vieles. "Eltern sollten regelmäßig ihre Haltung prüfen", sagt Raffauf. "Geht es mir darum, einen Kampf gegen mein Kind zu gewinnen – oder darum, dass ich es schützen will?" Hilfreich ist zudem, das Verhalten der Jugendlichen nicht als Kränkung zu deuten.