Später Neuanfang So gelingt ein Umzug im Alter
Am Lebensabend noch einmal umziehen? Die Vorstellung kann für ältere Menschen der Horror sein. Dass sie sich dagegen sträuben, hat oft vor allem emotionale Gründe. Wie packt man es dennoch an?
Heidelberg/Frankfurt (dpa/tmn) - So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen, das ist für viele ältere Menschen nach wie vor das Ziel. Ein Großteil von ihnen verbindet einen anstehenden Umzug vor allem mit Stress. Doch es geht anders.
Denn auch wenn der Umzug nicht aus Gründen der Selbstverwirklichung, sondern aus rein praktischen Motiven erfolgt, muss er kein Horrorszenario sein. Worauf kommt es an, damit nicht nur der Umzug, sondern auch der Neuanfang bestmöglich gelingt?
Lieber frühzeitig Gedanken machen
Wenn die Stufen hinauf zur Wohnung unüberwindbar scheinen und auch das Schmeißen des Haushalts zur immer größeren Herausforderung wird, beginnen viele ältere Menschen und ihre Angehörigen zu überlegen, ob nicht ein Umzug in eine barrierefreie Wohnung oder in eine betreute Wohnform das Leben erleichtern würde.
Dadurch werde der Umzug allerdings oft negativ wahrgenommen, sagt die Psychologin Eva Asselmann. Nämlich als ein Hinweis darauf, dass man nicht mehr so fit und selbstständig ist, wie man sich das wünscht.
Wenn der Umzug dagegen noch nicht akut notwendig ist, lässt sich ein neutraleres Bild machen. Sie empfiehlt, sich schon relativ früh, mit 50 oder 60 Jahren, Gedanken zu machen, was einem im Alter wichtig sein könnte und wie man in 15 Jahren leben möchte.
Emotionaler Widerstand gegen praktische Gründe
Für die Psyche kann ein Umzug am Lebensabend belastend sein. "Je älter Menschen werden, desto schwieriger werden Veränderungen für sie", erklärt Sabrina Odijk, die das Soziale Ehrenamt beim Malteser Hilfsdienst leitet. Gerade alte Menschen vertrauen viel auf Routinen, insbesondere wenn noch eine Demenz hinzukommt. Ein kompletter Neuanfang kann daher oftmals verunsichern.
Dazu kommt: Wer schon lange an einem Ort wohnt, ist oft stark gebunden an sein Zuhause, die Umgebung und die Nachbarschaft oder die Gemeinde. Während also praktische Gründe für einen Umzug sprechen mögen, regt sich emotional oft noch großer Widerstand dagegen. Angehörige sollten das ernst nehmen.
Vorteile und Nachteile gemeinsam abwägen
Am besten setze man sich gemeinsam hin und schreibe eine Liste mit allen Vor- und Nachteilen auf, rät der Psychologe und Alternsforscher Prof. Hans-Werner Wahl.
Eine "wohlgemeinte Überfürsorglichkeit" könne indes schnell dazu führen, dass sich die ältere Person entmündigt fühlt, warnt Sabrina Odijk. Selbst bei kognitiv beeinträchtigten Menschen sei es wichtig, einen partnerschaftlichen Umgang zu wahren, sagt Wahl - damit die ältere Person Teil des Geschehens bleibe.
Mit neuem Wohnort beschäftigen
Fühlt man sich bei den wichtigen Entscheidungen zum Umzug gut eingebunden, gelingt womöglich auch die Anpassung an den neuen Ort besser. Besonders bedeutsam ist dabei, wie aktiv man vor Ort am Leben teilhaben könne, sagt Psychologin Asselmann.
Denn eine barrierefreie Wohnung bietet zwar eine wichtige Grundlage, bringt aber nur wenig, wenn die Umgebung nicht passt. Wie weit ist es zum nächsten Supermarkt und zur Apotheke? Welche Seniorentreffs und Freizeitangebote gibt es? Sind Familie und Freunde gut erreichbar?
Ankommen beginnt beim Abschiednehmen
Ein erfolgreiches Ankommen beginnt schon beim Abschiednehmen von der alten Heimat, sagt der Alternsforscher Prof. Frank Oswald. Besonders wenn der Umzug mit einer Verkleinerung einhergeht, muss man sich von vielen liebgewonnen Gegenständen trennen.
Was wichtig ist, kann man nur selbst entscheiden - nicht die Angehörigen. Oft zählt nicht der materielle Wert, sondern die emotionale Verbundenheit. Beim Entrümpeln sollte man sich, wenn es geht, unbedingt aktiv einbringen.
Am besten ist es, wenn man selbst schon einige Wochen im Voraus beginnt, zu sortieren: Was kann weg und was muss mit?
Das Aussortieren von Gegenständen fällt oft leichter, wenn ein Großteil nicht auf dem Sperrmüll landet, sondern weiterverschenkt oder für einen guten Zweck gespendet werden kann. Statt rigoros zu entsorgen, rät Hans-Werner Wahl, sich bewusst Zeit für den Abschied zu nehmen und sich beispielsweise vor Augen zu führen, welche Rolle ein treues Möbelstück im Leben gespielt habe.
Ein weiterer Tipp von Wahl: "So eine kleine "Umzugsfeier", vielleicht auch noch mit gemeinsamen Essen, kann helfen, um sich abzunabeln."
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Babyboomer stellen andere Lebensansprüche ans Alter
Einen alten Baum verpflanzt man nicht, heißt es. Das meint: Menschen sollten im Alter nach Möglichkeit nicht mehr aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden. Und viele Ältere wollen das auch nicht. Doch der Alternsforscher Prof. Hans-Werner Wahl sieht hier einen leichten Wandel: Ältere Menschen seien länger mobil.
Zu den "jungen Alten" zählt man mittlerweile die 65- bis 80-Jährigen und auch sonst würde die Umzugsbereitschaft tendenziell eher steigen, so Wahl. Es seien "Pioniere des neuen Alterns", die auch hochbetagt noch einmal Lust auf neue Erfahrungen hätten.
"Es ist eine neue Generation", sagt der Alternsforscher Prof. Frank Oswald. Es sind die sogenannten Babyboomer, geboren in den 1950er und 1960er Jahren, die mit anderen Lebensansprüchen aufgewachsen sind und diese jetzt ins Alter transportieren.
"Dadurch ergeben sich neue Selbstbewusstheiten, die es mit neuen Wohnangeboten zu beantworten gilt", sagt Oswald. Aktuell seien es zwar noch weniger als ein Prozent der Älteren, die in alternativen Wohnformen wie dem "Gemeinschaftlichen Wohnen" leben, doch dieser Trend werde in den kommenden Jahren voraussichtlich zunehmen.
Welche Wohnform am besten passt, hängt ganz von den individuellen Umständen ab. Dabei lohnt es sich, Zeit für die Entscheidung zu nehmen, sich ausgiebig zu informieren und Wohnungsbesichtigungen zu machen. Für Unentschlossene gibt es Angebote wie das Probewohnen.
Man kann sich fragen: "Was wäre die beste Lösung, wenn man alles machen könnte, was man will?" So ein fiktives Gedankenspiel hilft dabei, herauszufinden, was man im Alter wirklich möchte.