Sprint, Sprung und Speer - Senioren erobern die Stadien
Sie sind ehrgeizig und sie haben Spaß: Die Zahl der Leichtathleten im Seniorenalter steigt. Zehntausende sprinten und springen in Vereinen. Manchen reicht das nicht - sie kämpfen um Meistertitel.
Leinefelde-Worbis (dpa) - Als sie über die Ziellinie sprintet, reißt Brita Kiesheyer den Daumen hoch: Ich bin glücklich. Da weiß man, wofür man trainiert hat, sagt die Sportlerin vom CSV Krefeld in Nordrhein-Westfalen.
Sie ist 78 Jahre alt, trägt die Startnummer 643 und hat gerade einen 100-Meter-Sprint in einer Zeit um 20 Sekunden hingelegt. Jetzt kann sich Kiesheyer Vize-Meisterin nennen. Die fröhliche Frau mit der grauen Kurzhaarfrisur gehört zu den fast 1300 Sportlern, die seit Freitag im thüringischen Leinefelde-Worbis bei der Deutschen Seniorenmeisterschaft der Leichtathleten um Medaillen kämpfen.
Im Stadium geht es familiär, aber auch professionell zu. Immer wieder knallen Startschüsse, Fanfaren rufen zur Siegerehrung, Vereinskameraden und Familienangehörige feuern die Sportler an. Es wird gesprintet und gesprungen, auch technische Disziplinen wie Diskus- und Speerwerfen stehen bis Sonntag auf dem Programm.
Manche, wie Josef Krempl, sind bei Sonnenaufgang losgefahren, um dabei zu sein. Der Mann vom Sportverein Oberderdingen in Baden-Württemberg kann mit einem Superlativ aufwarten: Er ist mit 89 Jahren der älteste Sportler der Meisterschaft. Er tritt als Speerwerfer an. Auch unter den Kampfrichtern dominieren die Senioren. 77 Jahre alt ist Rolf Trier aus dem thüringischen Hildburghausen, der am Diskuswurfring wacht.
Das Teilnehmerfeld ist nach Angaben des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) noch größer als 2015, als rund 1100 Seniorenathleten bei der Meisterschaft antraten. Ihre Zahl steigt auch in den Vereinen.
Allein in der Altersgruppe der über 60-Jährigen seien es derzeit fast 30 000 aktive Senioren mehr als vor zehn Jahren, sagt Meike Billig vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) in Darmstadt. Hut ab, was diese Sportler noch leisten. Bundesweit seien derzeit fast 75 000 Männer im Alter über 60 Jahren als Leichtathleten in Vereinen organisiert - 2006 waren es rund 61 000. Bei den Frauen ist der Trend ähnlich. Mehr als 59 000 Frauen dieser Altersgruppe sind organisierte Leichtathletinnen; vor zehn Jahren waren es erst rund 43 000. Der DLV führt das nicht nur auf die demografische Entwicklung in Deutschland zurück.
Es gibt nicht wenige, die wieder einsteigen, wenn die Kinder aus dem Haus sind, sagt Billig. Zu denen gehört der neue deutsche Meister im Diskuswurf, Emil Bölling aus Merseburg in Sachsen-Anhalt, nicht. Er startete spät. Ich bin mit 70 Jahren zur Leichtathletik gekommen, erzählt er. Zuvor habe er 25 Jahre lang Handball gespielt. Aber irgendwann gab es zu wenige Handballer für eine Seniorenmannschaft. Für mich ist wichtig, dass ich mich bewege, dass ich fit bleibe. Das mache ich für mich. Dafür geht der 85 Jahre alte Bölling wöchentlich ins Stadtstadion von Merseburg und feilt an seiner Technik.
Horst Pfeiffer, 88, aus Itzehoe (Schleswig-Holstein) bekennt: Natürlich gibt es Tage, wo man sich fragt, was soll der Mist. Dann sei er aber doch froh, etwas für seine Beweglichkeit getan zu haben, so der Springer und Sprinter.
Ich trainiere nicht nur, weil ich gesund bleiben will, sagt Brita Kiesheyer. Sie will herumkommen, Sportkollegen treffen, zeigen, was sie noch kann. Weil das Spaß macht, sagt die 78-Jährige. Dann packt sie ihre Sporttasche und geht zu ihrem nächsten Wettkampf - dem Weitsprung.