Trauer Den Tod nicht verdrängen
Erinnerungsbücher und Trauerbegleiter helfen verwitweten Ehepartnern, den Verlust zu begreifen.
Schorndorf/Hannover (dpa) l Weit mehr als die Hälfte ihres Lebens haben sie gemeinsam verbracht. Dann – kurz vor der goldenen Hochzeit - war das gemeinsame Leben vorbei: Merve Stöckles Mann starb am 15. August 2015. Nicht überraschend. Er hatte Krebs, die Diagnose wurde bereits drei Jahre vor seinem Tod gestellt. „Es war kein Schock, wir konnten uns darauf einstellen“, sagt die 73-Jährige aus Schorndorf bei Stuttgart. Trotzdem: „Es gab Augenblicke der Verzweiflung.“ Ihre Stimme zittert. „Ich wollte ohne meinen Mann nicht weitermachen.“
Wie Merve Stöckle geht es vielen Frauen. Denn meist sind es die Männer, die zuerst sterben, erklärt der Psychologe Roland Kachler, der ein Buch zum Thema geschrieben hat. „Der Tod des Partners ist zunächst ein tiefer Einschnitt, eine intensive Trauer- und Schmerzerfahrung.“ Diese zuzulassen, ist der erste Schritt. Mehr als ein Jahr sollten sich Witwer und Witwen für die Trauerphase unbedingt Zeit geben, rät Kachler. Dann hat man Geburtstage, den Todestag und Weihnachten ohne den Partner erlebt – Tage, an denen viele den Verlust wieder schmerzlich spüren.
Oft versuchen Bekannte, Freunde oder Angehörige den Betroffenen mit dem Satz „Er war ja alt“ zu trösten – ein Trost sei das aber nicht, sagt Christoph Mock, Theologe und Trauerbegleiter beim Malteser Hilfsdienst in Hannover. Der Verlust schmerzt unabhängig vom Alter. Mock empfiehlt, ein Erinnerungsbuch zu schreiben: Darin notiert oder malt der Trauernde verschiedene gemeinsame Stationen des Lebens und erlebt die schönen Momente, aber auch die gemeinsam gemeisterten Krisen in Gedanken noch einmal.
Doch gerade verwitwete Frauen haben oft noch viele Jahre alleine vor sich. Wäre es da nicht besser, möglichst schnell über den Verlust hinwegzukommen? Auf keinen Fall, sagt Kachler. „Den Verstorbenen zu vergessen, ist kein kluger Rat.“ Vielmehr sollten sie versuchen, eine neue Ebene zu finden, um die Beziehung auf eine andere Weise weiterzuführen.
Wichtig ist, die Trauer nicht zu verdrängen, erklärt Mock. „Wenn man ausspricht, was einen bewegt, lernt man, besser damit umzugehen.“ Wer mit Freunden oder der Familie nicht reden mag oder kann, kann sich zum Beispiel an kirchliche Träger wenden. Diese bieten oft ehrenamtliche Trauerbegleitung, Trauercafés oder Trauergruppen an.
Auch viele ambulante Hospizdienste haben eine Trauerbegleitung. „Manche Verwitweten kommen nicht mehr in ihren Alltag rein“, sagt Mock. Aufstehen, frühstücken, duschen – so etwas klappt dann nicht mehr. In solchen Fällen sollten Betroffene sich professionelle Hilfe etwa bei einem Psychologen suchen, rät er.