Wenn Galopper in Rente gehen Verein schult Renn- zu Reitpferden um
Galopper beenden bereits in jungen Jahren ihre Karriere, weil sie zu langsam geworden oder verletzt sind. Mit den Erfolgreichen wird oft gezüchtet - andere sollen lernen, es langsamer angehen zu lassen.
Weeze - Der Schimmel Eaststorm tut sich sichtlich schwer mit seiner neuen Aufgabe. Das einstige Rennpferd soll zum Reitpferd umgeschult werden.
Doch auf dem Reitplatz des Vereins Liberty's Home in Weeze läuft der temperamentvolle Wallach mal schneller, mal langsamer, als es seine Reiterin wünscht. Und auch bei den Wegen hat der Vierjährige seine eigenen Vorstellungen. „Er ist mitten in der Pubertät und sieht nicht sonderlich viel ein“, seufzt Anke Dahlhaus, die beim Training zusieht. Sie hat vor fünf Jahren den gemeinnützigen Verein gegründet.
Wie eine neue Sprache lernen
Eaststorm hätte eigentlich ein erfolgreiches Rennpferd werden sollen, er hatte alle Voraussetzungen und gewann gleich sein erstes Rennen. Doch dann wurde er krank und operiert. Die Belastung auf der Rennbahn würden seine Knochen nun nicht mehr aushalten. Er kam zu Liberty's Home, laut Dahlhaus in Deutschland der einzige Verein, in dem Englische Vollblüter professionell auf ihre neue Aufgabe als Reitpferd vorbereitet werden. „In anderen Ländern ist das gang und gäbe“, sagt die 53-Jährige. In Deutschland würden die Tiere dagegen oft direkt aus den Rennställen an den erstbesten Interessenten verkauft, damit seien viele der Käufer überfordert.
Da ist zum einen das Temperament und der Vorwärtsdrang dieser extra für das Rennen gezüchteten und hoch trainierten Vollblüter. Und für die Rennpferde ist im Reitstall alles neu. Sie müssen sich zum Beispiel an eine andere Ausrüstung gewöhnen - und vor allem die so genannten Hilfen lernen, mit denen Reiter über ihr Gewicht, ihre Beine und die Zügel mit ihren Tieren kommunizieren. Für die Ex-Galopper ist das wie eine neue Fremdsprache. Die Bewegungen des Reiterbeines sagen ihnen gar nichts. Fasst der Reiter die Zügel kurz, heißt das für die Pferde von der Rennbahn: Gib richtig Gas. Doch in der Reitbahn sollen sie sich beim Zügeldruck eher zurückhalten.
Laut Auskunft des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen in Köln sind derzeit in Deutschland rund 1900 Pferde im Renntraining. Wie viele von ihnen jährlich ausscheiden, teilte das Direktorium nicht mit. Die Tiere gehen im Alter von zwei oder drei Jahren ihre ersten Rennen, im Schnitt sind es vier bis fünf im Jahr. Die Karriere dauert meist zwischen drei und sieben Jahre, die Pferde sind beim Abschied also noch jung. Mit den erfolgreichen Stuten und Hengsten wird anschließend gezüchtet, der Rest wird für einige Tausend Euro an Freizeit- oder Turnierreiter verkauft. So kostet ein Englischer Vollblüter bei Liberty's Home zwischen 4000 und 7000 Euro. Für diesen Preis gibt es bei vielen Reitpferde-Rassen gerade mal ein Fohlen.
Tierschutz hat eine Auge auf den Galopprennsport
Der Galopprennsport selbst ist Tierschützern bereits lange ein Dorn im Auge. Neben der Verletzungsgefahr gehören der sehr frühe Einsatz der jungen Tiere, die Peitschenhiebe auf der Bahn und auch die Haltung der Rennpferde - oft ohne artgerechten Sozialkontakt und Auslauf - zu den Kritikpunkten, die auch Dahlhaus aufzählt.
Doch der Deutsche Tierschutzbund etwa sieht auch die Vermittlung der Ex-Galopper in Privathände mit Zwiespalt und verweist dazu auf die Einschätzung des Fachtierarzts Maximilian Pick. „Sehr viele Rennpferde erholen sich gerade von den seelischen Schäden nicht mehr. Es ist immer ein Lotteriespiel, ob man aus einem Rennpferd ein gutes Reitpferd machen kann. In der Regel funktioniert es nicht“, warnt dieser. Die Pferde überforderter Neubesitzer gingen anschließend durch unzählige Hände oder landeten beim Schlachter, gibt der Tierschutzbund zu bedenken.
„Bei uns gilt „Platz vor Preis““, betont Dahlhaus. Bislang seien alle Kandidaten erfolgreich umgeschult und vermittelt worden, im Schnitt 25 Tiere im Jahr. Der Tierschutzgedanke stehe im Vordergrund. Sie schaue sich Interessenten genau an und weise Leute ab, wenn es nicht passe. Die Pferde sollten nicht zum „Wanderpokal“ werden und schlimme Schicksale erleiden.
Verkauf findet erst nach erfolgreicher Schulung statt
Auf der idyllisch gelegenen Reitanlage des kleinen Vereins kümmern sich vier Reiterinnen größtenteils ehrenamtlich um die Ex-Rennpferde, zudem hat Dahlhaus eine Trainerin engagiert. Die Umschulung dauert in der Regel einige Monate, bezahlt wird sie vom jeweiligen Eigentümer. „Meist ist die Nachfrage nach unseren Pferden höher als das Angebot“, berichtet Dahlhaus. Verkauft werden die Tiere erst, wenn sie die Grundzüge ihrer neuen Aufgabe verstanden haben.
Wann Eaststorm ein neues Zuhause finden wird, ist allerdings noch fraglich. Es gab zwar schon einige Interessenten, aber der oder die Richtige war laut Dahlhaus noch nicht dabei: „Er ist zwar sehr hübsch, aber ein anspruchsvoller Charakter und braucht auf jeden Fall einen guten Reiter.“