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Das Fest in Corona-Zeiten Weihnachten ohne Geschenke: Geht das - und wenn ja, wie?

Das bestellte Paket kommt zu spät an, der Laden hat wegen Corona zu oder man will sich den Einkaufsstress ersparen: Weihnachten ohne Geschenke - geht das? Und wie kann man die Familie vorbereiten?

Von Gespräch: Isabelle Modler, dpa 09.12.2020, 12:07
Christin Klose
Christin Klose dpa-tmn

Heltingen (dpa/tmn) - "Ich habe kein Geschenk für dich" - dieser Satz ist hart. Allerdings kann es zu Weihnachten eine Reihe von Gründen für ihn geben: verspätete Pakete, wegen Corona geschlossene Geschäfte oder schlicht eine Absage an Konsum und Vorweihnachtsstress.

Doch wie kann man seiner Familie schonend beibringen, dass es diesmal zu Weihnachten kein Geschenk gibt? Die Psychologin Julia Scharnhorst gibt Tipps und spricht über Wege, Alternativen, Werte und Chancen.

Ich habe kein Geschenk - wie spreche ich das an?

Egal, ob es eine bewusste Entscheidung oder unfreiwillig passiert ist: "Wichtig ist in diesem Fall, es nicht erst zu thematisieren, wenn unter dem Baum kein Geschenk liegt", sagt Scharnhorst. Eltern etwa sollten die Gründe klar benennen und das Thema so früh wie möglich ansprechen, damit keine falschen Erwartungen entstehen. "Probleme entstehen da, wo unsere Erwartungen enttäuscht werden."

"Kleine Kinder, die erst ein paar Mal Weihnachten erlebt haben, haben noch nicht unbedingt diese Erwartung", erklärt Scharnhorst. Dennoch sollten Eltern ihnen häufiger erklären: dieses Jahr ist alles anders.

Oft sei es dann die größere Herausforderung den Großeltern zu vermitteln, dass sie bitte keine Geschenke besorgen. Wer dennoch etwas schenken will, sollte die Gaben verteilen. Denn: "Kleine Kinder sind oft überfordert mit zu vielen Geschenken", sagt Scharnhorst.

Bei größeren Kindern sei es wichtig, den Fokus auf andere Dinge zu lenken. "Da können wir uns an anderen Ländern orientieren. In England gestalten Familien Weihnachten beispielsweise mit Spielen." Warum nicht den Abend mit einer Scharade, Gedichten, Singen oder Musizieren füllen - und so dem Konsumzwang entgehen, schlägt Scharnhorst vor.

Wichtig ist, bei der Planung alle Familienmitglieder einzubeziehen. Also gemeinsam zusammensetzen und darüber sprechen, was jedem an dem Tag wichtig ist: Was möchtest du an Weihnachten essen, spielen, unternehmen? "Eltern können da auch Verantwortung abgeben", rät die Psychologin. Denn wenn alle gemeinsam dafür verantwortlich sind, dass Weihnachten schön wird, nimmt dies den Druck von jedem Einzelnen.

Ich habe an Weihnachten noch kein Geschenk - was nun?

Wer gerne etwas schenken will, aber das passende Geschenk noch nicht hat, kann alternativ einen Gutschein oder Geld schenken. Aber bitte nicht einfach den nackten Schein überreichen, sagt Psychologin Julia Scharnhorst: "Dann ist wichtig, alles hübsch zu verpacken. Denn beim Schenken ist der emotionale Teil ja eigentlich der Wichtigere."

Wer etwas mit Liebe verpackt oder einen Gutschein selber bastelt, kann so Wertschätzung ausdrücken und zeigen, dass er sich etwas überlegt hat.

Mir fehlt dieses Jahr das Budget für größere Geschenke - was tun?

"Auch die finanzielle Situation kann durch Kurzarbeit und Corona angespannt sein - und dadurch der Spielraum für Geschenke nur klein sein", sagt Scharnhorst. Ist das Budget knapp, könnte man etwa vereinbaren, sich nichts zu schenken oder man beschränkt sich auf ein bestimmtes Budget. Auch Selbstgemachtes ist eine Idee: "Das können dann gebackene Plätzchen, etwas Gebasteltes oder ein Gedicht sein."

Eine Alternative kann auch das sogenannte Wichteln sein. Dabei wird vor dem Fest ausgelost, wer wem etwas schenkt. Der Vorteil: Man muss nicht für alle Familienmitglieder ein Geschenk besorgen oder basteln, sondern sich nur für eine einzelne Person etwas überlegen.

Welche Chancen stecken im Verzicht auf Geschenke?

"Dieses Jahr ist alles anders. Dadurch haben wir die Chance manche Traditionen zu überdenken und zu ändern", findet Scharnhorst. Für viele dürfte sich dadurch der Stress reduzieren, noch das richtige Geschenk im Vorweihnachtstrubel finden zu müssen.

Für Kinder sei es gut, eine gewisse Frustrationstoleranz zu lernen - also zum Beispiel zu akzeptieren, dass es das gewünschte Fahrrad oder Handy erst im Sommer geben wird. "Eltern müssen nicht immer alle Wünsche sofort erfüllen. Bedürfnisse aufschieben ist eine wichtige Lernerfahrung. Sie hilft Menschen beim Wachsen und Reifen - auch wenn Kinder das zunächst oft anders sehen", erläutert die Psychologin.

Wer als Familie bewusst über das Thema spricht, kann oft neue Bedürfnisse bei den anderen entdecken. Bei manchen dürfte sich im coronageprägten Jahr 2020 auch der Fokus verschieben - da sind gemeinsame Erlebnisse und Gesundheit ganz besondere Geschenke.

© dpa-infocom, dpa:201209-99-627672/2

Fredi Lang
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BDP