Eingriff in Privatsphäre oder Beschleunigung von Verwaltungshandlungen? Wenn eine Schweigepflichtsentbindung benötigt wird ...
Zusätzlich zu ihrer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat eine Schönebeckerin einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II. Sie solle der KoBa nun eine Schweigepflichtentbindung unterschreiben, damit die Behörde von behandelnden Ärzten und auch der Rentenversicherung Befunde abfordern kann. Das greift doch wohl zu sehr in die Privatsphäre ein, meint die Leserin. Bin ich verpflichtet, diese Erklärung zu unterschreiben?, fragt sie.
Das ist sie nicht. Denn die Abgabe einer Schweigepflichtentbindung erfolgt freiwillig und kann auch widerrufen werden, so die Auskunft der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit. Die kann zwar nicht zum Vorgehen in KoBas Stellung nehmen, doch für Arbeitsagenturen und Argen. Dort gilt: Wer keine Schweigepflichtentbindung erteilt, wird zur Untersuchung beim Ärztlichen Dienst aufgefordert. Bei Nichterscheinen kann es dann durchaus zur Einstellung oder Rückforderung von Leistungen kommen.
Es sei jedoch üblich, zunächst Schweigepflichtentbindungen von Beziehern von Arbeitslosengeld abzufordern, wenn zum Beispiel bei Hartz-IV-Betroffenen wegen ihres Gesundheitszustandes anzunehmen ist, dass sie nicht mehr in Vollzeit jeder Tätigkeit nachgehen können. Beim ALG-I-Bezug wäre in solchen Fällen ärztlich zu prüfen, ob die bisher ausgeübte Tätigkeit weiterhin möglich ist. "Dies dient in erster Linie dem Schutz des Kunden, damit er nicht in Beschäftigungen und zu Arbeitszeiten vermittelt wird, zu denen er gar nicht in der Lage ist", so die Auskunft aus Halle. In falsche Hände würden die Unterlagen auch nach Abgabe einer Schweigepflichtentbindung nicht gelangen, wird versichert. Fallmanager, Leistungssachbearbeiter oder Vermittler dürften die Befunde u.ä. überhaupt nicht abfordern, da sonst die abgebende Stelle wie Ärzte oder Rentenversicherungsträger gegen die ärztliche Schweigepflicht verstoßen würde. "Medizinische Unterlagen sind – sofern eine Schweigepflichtentbindung vorliegt – ausschließlich dem Ärztlichen Dienst zur Auswertung und zur Leistungsbeurteilung zuzuleiten", wird betont. Dadurch kann dann recht zeitnah nach Aktenlage ein ärztliches Gutachten für die Behörde erstellt werden.
Ihren eigenen Ärztlichen Fachdienst unterhält die Bundesagentur für Arbeit, weil sie per Gesetz verpflichtet ist, Eignung und Leistungsfähigkeit der von ihr betreuten Kunden bei der Arbeitsvermittlung und bei Prüfung von Leistungsansprüchen angemessen zu berücksichtigen. Diese interne Einrichtung hat die Aufgabe, gesundheitliche Einschränkungen von Arbeitsuchenden festzustellen und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und/oder Eignung für bestimmte Berufe zu beurteilen.
Der Ärztliche Dienst wird nur nach Beauftragung durch die zuständige Fachkraft tätig. Dieser gegenüber braucht der Arbeitsuchende jedoch keine Auskunft zu Krankheit oder Behandlung erteilen, versichert die Arbeitsagentur auf ihrer Internetseite. Angaben auf einem speziellen Gesundheitsfragebogen sind freiwillig, unterliegen dem Datenschutz, werden in einem verschlossenen Umschlag abgegeben und nur im Ärztlichen Dienst ausgewertet. Um Betroffene möglichst wenig zu belasten und Doppeluntersuchungen zu vermeiden, kann der Ärztliche Dienst durchaus bereits vorhandene Befunde behandelnder Ärzte oder Berichte aus Reha-Kliniken zur Klärung der arbeitsmarktbezogenen gesundheitlichen Problematik nutzen – jedoch nur, wenn dafür die Zustimmung des Kunden vorliegt. Dafür bedarf es der Schweigepflichtentbindung.
Egal, ob der Ärztliche Dienst der Arbeitsagentur nach Aktenlage in Auswertung vorhandener Befunde oder durch eigene Untersuchung zu seinem Gutachten kommt – an den Auftraggeber in Arbeitsagentur oder Arge werden nur jene Sachverhalte weitergegeben, die zur Vermittlung in Arbeit oder zur Klärung des Leistungsanspruchs notwendig sind. (goe)