Streit um Anmeldeverfahren Wenn Eltern um einen Schulplatz kämpfen
Eltern haben das Recht, die Schule für ihr Kind frei zu wählen. Doch wenn die Wunschschule mehr Anmeldungen als Plätze hat, hagelt es Absagen. Nicht immer geht es bei den Auswahlverfahren mit rechten Dingen zu, hat jetzt das oberste Verwaltungsgericht in NRW gerügt.
Münster (dpa) - Wie viele seiner Freunde hatte er ab der fünften Klasse auf die Gesamtschule in der Nachbarstadt gehen wollen, erzählt sein Anwalt Dirk Speker. Doch weil es deutlich mehr Bewerber als Schulplätze gab, wurde er abgelehnt - wie Dutzende an der Wunschschule.
Seine Mutter zog gegen die Ablehnung vor Gericht und hat mit der Entscheidung der obersten nordrhein-westfälischen Verwaltungsrichter eine neue Chance für ihren Sohn erstritten, doch noch die gewünschte Schule zu besuchen.
Der Grund: Die Richter hatten erhebliche Zweifel, dass das Anmeldeverfahren an der Schule in Heiligenhaus im Kreis Mettmann sauber abgelaufen ist. Die deutlich geäußerte Kritik der Richter an fehlender Transparenz in den Verfahren ist auch als Botschaft zu verstehen an alle Schulen und Eltern im Land, die sich in diesen Wochen mit genau jenem Thema beschäftigen.
Denn wenn Anfang Februar die Viertklässler ihre Halbjahreszeugnisse in den Händen halten, gehen sie los: Die Anmeldeverfahren zu den weiterführenden Schulen. Und je nach Region, Stadt und Wunschschule beginnt damit auch ein Verteilungskampf.
Angebot und Nachfrage passen vor allem bei Gesamtschulen, aber auch bei einigen städtischen Gymnasien mit besonders gutem Ruf nicht immer übereinander, heißt es bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW. "Es ist die große Offenheit und Durchlässigkeit dieser Schulform, die Eltern reizt", sagt deren Vorsitzende Dorothea Schäfer. Außerdem seien fast alle Gesamtschulen im Land als gebundener Ganztag organisiert - für viele berufstätige Eltern schlagendes Argument für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch im kommenden Jahr rechnet sie in Nordrhein-Westfalen wieder mit einen Run auf die in manchen Städten und Regionen raren Plätze.
Tränen und Enttäuschung bei einer Ablehnung kennt auch Christian Birnbaum, Anwalt für Schulrecht und Experte für Schulplatzklagen. Weit über hundert solcher Fälle hat er in den vergangenen Jahren durchgefochten. "Es gibt Eltern, die glauben, dass mit einer Absage die Laufbahn ihrer Kinder ein für alle mal verbaut ist", erklärt er die Motivation seiner Mandanten. Andere fühlten sich ungerecht behandelt, wenn etwa alle Nachbarskinder einen Platz haben und sie leer ausgehen.
Der Gesetzgeber sieht in einer Verordnung mehrere Kriterien vor, nach der die Schulleitung auswählen kann: Besuchen beispielsweise Geschwister schon die Schule? Gibt es ein ausgewogenes Geschlechter-Verhältnis sowie zwischen guten und schlechten Schülern?
Ein Problem sieht Anwalt Birnbaum vor allem in der gängigen und ebenfalls erlaubten Praxis, das Los mitentscheiden zu lassen. "Da wird regelmäßig gemauschelt. Schulleiter bekommen so die Möglichkeit, ihre Wunschkandidaten unterzubringen - zu Lasten anderer abgelehnter Schüler", glaubt er.
Auch in Heiligenhaus bemängeln die Richter Fehler im Losverfahren: Hier seien in den vergangenen Jahren regelmäßig ortsansässige Schüler bevorzugt worden, obwohl Schüler jenseits der Stadtgrenzen die gleiche Chance auf einen Gesamtschulplatz haben müssen. Den Richtern war aufgefallen, dass ausgerechnet in dem Jahrgang, in dem eine andere Person das Auswahlverfahren an der Schule geleitet hatte, der Anteil der Schüler aus Heiligenhaus und solchen aus den Nachbarstädten ausgewogen war und zur Zahl der Bewerbungen passte. Auch bei anderen Kriterien sei die Schulleitung nicht konsequent vorgegangen. "Wir haben deutliche Zweifel, dass hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist", sagte der Vorsitzende Richter mit Blick auf die Auswahlverfahren der anderen Jahre.
Vertreter der Schule und der beklagten Bezirksregierung Düsseldorf waren nicht zur Verhandlung gekommen. Sie hatten im Verfahren schriftlich zu Protokoll gegeben, die Unterstellung, die Schulleitung habe sich zu Unregelmäßigkeiten hinreißen lassen, sei abwegig.
Die Richter haben noch einen weiteren Kritikpunkt: Zwar gibt es klare Kriterien, nach denen Schulleitungen ihre Auswahl gestalten. Doch wenn überprüft werden soll, ob sie eingehalten wurden, mauern die Behörden oft. So habe die Bezirksregierung Düsseldorf bisher Schülerdaten mit dem Verweis auf Datenschutz unzulässigerweise zurückgehalten. Nur könne so kein Gericht überprüfen, wie etwa das geforderte ausgeglichene Verhältnis von leistungsstarken oder leistungsschwachen Schülern hergestellt wurde. "Schulaufnahmeverfahren müssten deutlich transparenter gestaltet werden", betonte vor diesem Hintergrund auch der Vorsitzende Richter.