Kahler Krempling kann für Entgleisung des Immunsystems sorgen / Symptome sind Erbrechen und Schwächegefühl Wie aus einem Speisepilz ein "Giftpilz" wurde
In älteren Büchern wird der Kahle Krempling als Speisepilz eingestuft, in den neuen gilt er als Giftpilz. Warum?
Es antwortet der Magdeburger Pilz-Experte Prof. Dr. Wulf Pohle: Der Kahle Krempling (Paxillus involutus) wird in älteren Pilzbüchern als wohlschmeckender Speisepilz gelobt. Allerdings müssen die Pilze gründlich gegart werden, da der Kahle Krempling roh giftig ist und es zu einer heftigen Gastroenteritis kommen kann. In der aktuellen Pilzliteratur wird der Kahle Krempling allerdings anders beurteilt.
Der Tod erfolgt im Schock
Während des Zweiten Weltkriegs erkrankte ein Pilzexperte nach dem Genuss des Kahlen Kremplings. Da Fliegeralarm war, stand kein Fahrzeug zum Transport in die Klinik zur Verfügung und der Patient verstarb. Es war auffällig, dass die Tischgenossen nicht erkrankten. In den folgenden Jahren häuften sich die Zwischenfälle mit dem Kahlen Krempling, obwohl die Pilze in diesen Fällen gut gegart wurden. Der Pilz wurde schließlich als "giftig" eingestuft.
Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine wirkliche Vergiftung, sondern um eine Entgleisung des Immunsystems. Offensichtlich hat sich im Laufe der Jahre eine gefährliche territoriale Mutante gebildet, die ein gefährliches Antigen enthält.
Die Pilzsporen werden durch den Wind verbreitet und bei vorherrschendem Westwind bevorzugt in Richtung Ost. Die Mutante scheint sich aber nur sehr langsam nach Osten auszubreiten, denn aus Russland ist mir bisher keine Vergiftung bekannt geworden. Der Kahle Krempling wird in Russland nach wie vor gesammelt, gehandelt und gegessen.
Nach Untersuchungen des Universitätsklinikums Hannover beinhalten etwa die Hälfte der untersuchten Populationen des Kahlen Kremplings ein Antigen, das nach mehrmaligem Genuss zu einer Sensibilisierung führt. Wird dann nochmals der Kahle Krempling verzehrt, kommt es als Folge einer Immunreaktion zu einer immunhämolytischen Anämie, die meist zum Tode führt. Hierbei kommt es zur Zerstörung von roten Blutkörperchen, wobei Hämoglobin freigesetzt wird.
Tückisch ist, dass man Kremplinge, die das gefährliche Antigen enthalten nicht von solchen unterscheiden kann, die das Antigen nicht haben. Die Unterscheidung ist nur im immunologischen Labor möglich. Außerdem sind die entstehenden Antikörper sehr langlebig, sodass sie sich auch aus lange zurückliegenden Mahlzeiten im Körper anreichern, bis eine kritische Grenze erreicht ist. Bei einem erneuten Genuss droht dann die Immunreaktion. Vom Genuss des Kahlen Kremplings ist also abzuraten. Wer den Kahlen Krempling isst, spielt also "Russisch Roulett".
Nach wiederholtem Genuss kann es nach ein bis zwei Stunden zu Schwächegefühl, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall mit kolikartigen Schmerzen kommen. Weiter treten Gerinnungsstörungen, Hämolyse, Anurie und Fettembolie der Lunge auf; Gelbsucht ist möglich, aber nicht obligat. Der Tod erfolgt im Schock. Das Symptombild ist eine Immunhämolytische Anämie.
Bei einer "Vergiftung" sind allgemeine Maßnahmen wie Magenspülung, Kohle und Abführmittel sowie eine Antischocktherapie notwendig. Speziell und besonders wichtig bei der "Vergiftung" mit dem Kahlen Krempling ist eine Austauschtransfusion, um das freigesetzte Hämoglobin und Zelltrümmer aus dem Blutkreislauf zu entfernen.
Woran erkennt man den Kahlen Krempling? Die Oberseite des Hutes ist ockerbraun, olivbräunlich oder rotbraun. Die Huthaut ist filzig, aber bei feuchtem Wetter schmierig. Der Hutrand ist stark nach innen eingerollt. Die Lamellen sind gelblich, stehen gedrängt und laufen am Stiel herab. Sie bräunen bei Druck. Der Stiel ist zylindrisch gelblich bis bräunlich und bräunt bei Verletzung. Das Fleisch ist gelbbräunlich. Geruch und Geschmack sind herb säuerlich.
Der Pilz wächst im Laub- und Nadelwald und geht mit verschiedenen Bäumen eine Mykorrhiza ein.