Reibeisenstimme Schlagersänger Henry Valentino wird 90
"Rada rada radadadada, rada rada radadadada." Na, erkannt? Der größte Hit von Henry Valentino - bürgerlich Hans Blum - heißt "Im Wagen vor mir". Heute ist der Komponist vor allem noch Musikliebhabern bekannt - dabei ist er einer der großen Schattenmänner des deutschen Schlagers.
Overath (dpa) - Hans Blum sitzt an einer Kaffeetafel mit Mohnkuchen, Erdbeerschnittchen und Schlagsahne. Er möchte etwas klarstellen, es geht um sein Lied "Im Wagen vor mir", das er einst unter dem Namen Henry Valentino mit einer gewissen Uschi im Duett aufgenommen hat.
Uschi war darin das "junge Mädchen", von dem Blum alias Valentino mit tiefer Reibeisenstimme nur zugern wissen wollte, wo sie hinfährt und was sie gerade denkt. Dabei rückt er ihr zunehmend auf die Pelle. Über den Text ("So weiches Haar!") mag manch einer heute die Stirn runzeln. Ein Ohrwurm ist das Lied definitiv.
"Die Uschi ist ja leider verstorben", sagt Blum. Danach habe er das Lied noch mal mit Daffi Cramer aufgenommen. Aber stets habe eisern gegolten: "Unter Kollegen wird nichts angefangen!" In Liebesdingen sei das immer sein Prinzip gewesen, betont er. Er lacht. Am anderen Tischende hat seine Frau Ingetraut gleichwohl eine Anmerkung: "Aber die Caterina hat sich auf deinen Schoß gesetzt." Kurzes Nachdenken. "Ach ja", sagt Blum. "Die Caterina Valente!" Gelächter am Tisch.
Wer Hans Blum in seinem Haus in Overath bei Köln trifft, kann sich kaum vorstellen, dass dieser Mann Henry Valentino sein soll. Er ist ein eher leiser Mensch, sehr zuvorkommend, mit klarer Stimme. Dass man sich so sehr über die Schoß-Geschichte mit Caterina Valente amüsieren kann, liegt daran, dass Blum und seine Frau eine Muster-Ehe führen. Die beiden sind seit 1956 verheiratet, sichtlich glücklich, sie haben drei Kinder. Am Mittwoch (23. Mai) wird Blum 90 Jahre alt.
Es ist nicht so ganz einfach, zu ihm zu kommen. Der Weg windet sich an Hügeln, Weiden und Wäldern vorbei bis zu einem Haus. Eine Mail-Adresse hat er nicht, nur eines dieser dunkelgrünen Telefone aus der alten Bundesrepublik. Es steht in der Nähe seines Flügels. "Daran ist alles entstanden", sagt er. Er hat auch einen Anrufbeantworter, allerdings eines der ersten Modelle. Es ist absurd groß. Hans Blum ist einer der großen Schattenmänner des deutschen Schlagers.
Wer nicht gerade auf Schlager steht, kennt wahrscheinlich "Im Wagen vor mir" und ist schon froh, wenn er noch den Namen Henry Valentino hervorkramen kann. Die Liste der Künstler, für die Hans Blum im Hintergrund Lieder geschrieben hat, ist aber nahezu endlos. Eine kleine Auswahl: Howard Carpendale mit "Das schöne Mädchen von Seite eins", Wencke Myhre mit "Beiß nicht gleich in jeden Apfel", Erik Silvester mit "Zucker im Kaffee", Hildegard Knef mit "Der alte Wolf", Boney M. mit "El Lute", Alexandra mit "Zigeunerjunge" - auch das ein Text, den man wohl im historischen Kontext sehen muss. Viermal gingen Lieder von ihm beim Grand Prix Eurovision de la Chanson ins Rennen.
Dass er eher hinter der Bühne wirkte, hat einen Grund. Blum sagt, dass er nie berühmt werden wollte. So sei es auch zur Kunstfigur Henry Valentino gekommen, die Mitte der 70er entstand. Blum hatte damals das Lied "Ich hab' dein Knie geseh'n" geschrieben. Der Text fiel ihm nach eigenen Angaben ein, weil auf einem sehr alten Familienfoto einst der Knöchel seiner Tante wegretuschiert werden musste. Nackte Beinpartien waren damals noch ein Skandal.
Zunächst war es schwierig, das Lied bei einer Plattenfirma unterzubringen. Aber Blum war von der Nummer überzeugt. Er nannte sich also Henry Valentino, setzte eine Melone auf und imitierte stimmlich Louis Armstrong. Alles eine Maskerade, zu der auch noch ein breiter Schnäuzer gehörte. "Den Bart habe ich noch", sagt seine Frau. Das Haus ist voll mit Erinnerungsstücken aus jener Zeit. Der Grundstein für Blums Karriere wurde noch in den letzten Kriegsjahren auf der Heeresmusikschule gelegt, Hauptinstrument war Kontrabass.
"Warten Sie", sagt er und holt eine Programmzeitschrift vom Jahresende 1957, die er aufgehoben hat. Unter anderem wird darin die "Weihnachtsbescherung der Waisenkinder durch den Bundeskanzler Dr. Adenauer" angekündigt. Weiter vorne ist allerdings ein langer Text über das Hansen-Quartett zu lesen. Mit der Gruppe war Blum lange vor seiner Zeit als freier Komponist in den 50er Jahren erfolgreich unterwegs. Zuvor hatte er schon im Geller-Quintett gespielt.
Das Hansen-Quartett bildeten damals Blum, ein Kollege und zwei Schwestern. Eine davon war Ingetraut, seine heutige Frau. "Unter Kollegen wird nichts angefangen!" habe man sich auch damals versprochen, sagt Blum. Den Grundsatz hat er dann gebrochen. Einmal.