Irmgard Pischke ist im Club der Dreistelligen 100. Geburtstag: Von Krieg, Flucht und Neuanfang
Irmgard Pitschke beging in Wahlitz ihr 100. Wiegenfest. Mit der Volksstimme und den Gratulanten blickt sie auf ein ganzes Jahrhundert. Welche Höhen und Tiefen hat so ein Leben?
Gommern/Wahlitz. - „Nicht so aufgeregt, Frau Pitschke. Es ist doch ein ganz normaler Geburtstag“, scherzte gestern Gommerns Bürgermeister Jens Hünerbein. Er, Landrat Steffen Burchhardt und viele, viele andere Gäste waren ins Haus Katharina des Diakonievereins Burghof nach Wahlitz gekommen, um Irmgard Pitschke zu einem „ganz normalen“ Geburtstag zu gratulieren: Ihrem 100.
„Ach, so viel Trubel. Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt“, sagt die Jubilarin mit einem Lächeln. Doch diesmal kommt sie nicht herum. Viele Gratulanten, viele Fragen, viel hat sie zu erzählen.
100. Geburtstag: Von Schlesien allein bis nach Dresden
Als Irmgard Pitschke am 13. Januar 1925, einem Dienstag, im schlesischen Dorf Krampe das Licht der Welt erblickte, war die Welt noch eine andere. Es waren die „Goldenen Zwanziger“, Paul von Hindenburg wurde in ihrem Geburtsjahr zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt.
Irmgard Pitschke erlebte auch das darauf folgende Nazideutschland und den Krieg, flüchtete kurz vor Kriegsende mit 20 Jahren mit ihrem kleinen Töchterlein. „Die Frauen mit Kindern sollten raus, ehe der Russe kommt. Man wusste ja nicht, was passiert“, erinnert sie sich. Mit dem Zug ging es nach Dresden - allein, ohne ihren Mann - er war gefallen.
Sie war etwas außerhalb des Zentrums von Dresden untergekommen und musste die Bombardierung von Dresden mit ansehen. „Es war fürchterlich - und auch bitterkalt“, sagt Irmgard Pitschke in sich gekehrt.
Gommern brachte ihr das zweite Liebesglück
Ihre Schwägerin fand sie durch glückliche Umstände, nahm sie nach Gommern mit, wo Irmgard Pitschke einen Bekannten aus Schlesien wiedertraf. Aus dem Bekannten wurde ihr zweiter Ehemann. Aus dieser Ehe gingen nochmals fünf Kinder hervor. „Mittlerweile habe ich neun Enkelkinder, neun Urenkel und einen Ururenkel“, sagt Irmgard Pitschke stolz.
Wenn man so ein biblisches Alter wie Irmgard Pitschke erreicht, gibt es schöne Zeiten, aber auch schwere. Der Verlust ihres ersten Mannes gehört zu den traurigen Abschnitten, ebenso wie der Tod ihres zweiten Ehemannes. Auch eine ihrer Töchter ist schon vor ihr gegangen. „Warum nicht ich? Warum sie? Das habe ich mich damals gefragt“, erinnert sie sich an die schweren Tage zurück.
100 Jahre: Gibt es ein Rezpte für ein langes Leben?
Das liegt rund zehn Jahre zurück. Nun ist Irmgard Pitschke 100 Jahre alt. Zur Feier des Tages ging es mit Familie und Freunden am Nachmittag nach Gommern in den Robinienhof.
Ein Rezept, um 100 Jahre alt zu werden, hat Irmgard Pitschke nicht. „Es gab Schlechtes, es gab Gutes. Ich habe gelebt, wie jeder andere auch. Bis ich 96 war, habe ich alleine gewohnt und bin auch jeden Tag rausgegangen. Jetzt nicht mehr so. Die Ohren machen auch nicht mehr so gut mit. Aber ich lese jeden Tag meine Volksstimme“, sagt sie und lacht. Und heute steht sie selbst darin.