Klinik gibt eine Jubiläums-Broschüre heraus / Historische Filmaufnahmen am 3. April im Burger Kino 100 Jahre Medizin Die Kreisstadt feiert ihr Krankenhaus
Sie wirkt so frisch wie ein Frühlingshauch und ist doch so betagt wie eine Urgroßmutter: Das Burger Kreiskrankenhaus wird am 2. April 100 Jahre alt. Eine Festbroschüre und mehrere Veranstaltungen werden in den kommenden Wochen dieses Jubiläum verkünden.
Burg l "Unser Krankenhaus hat sich zu einem Zentrum umfassender medizinischer Versorgung in der Region entwickelt. Die Unterbringung in den neuen Bettenhäusern entspricht gutem Hotelstandard." Das sagt der Ärztliche Direktor Dr. Christoph Theodor Beck auf der Internet-Seite der Klinik.
Internet?
Mit diesem Begriff konnte 1913 niemand etwas anfangen. Die neuesten Nachrichten verbreitete seinerzeit das "Tageblatt". In dem Anzeiger "für die Jerichowschen und benachbarten Kreise" vom 3. April findet der geneigte Leser folgende Zeilen: "Gestern Mittag hat in schlichter aber eindrucksvoller Weise die Einweihung unseres neuen Kreiskrankenhauses stattgefunden. Im oberen Saal der Anstalt versammelten sich gegen 1 Uhr die Mitglieder des Kreistages fast vollständig. Außerdem anwesend waren Konsistorialpräsident Steinhausen nebst Gemahlin, Herr Pastor Schumann von St. Nikolai, der Herren Anstaltsärzte, die Schwester sowie sonstiges Personal. Bald nach viertel 2 Uhr erschien, geleitet von Herrn Landrat von Pieschel, auch der Herr Oberpräsident unserer Provinz, Exzellenz von Hegel. Ein aus Schwestern gebildeter Chor leitete mit einer Motette ,Er ist Gott Zebaoth\' die Feier ein..."
Nachlesen kann man einen größeren Auszug des Tageblatt-Artikels in der großen Festbroschüre zum 100-jährigen Jubiläum, das im Öffentlichkeitsbüro der Klinik um Leiter Dr. Dieter Thielemann entstanden ist. Liebevoll aufbereitet finden sich dort jede Menge historische Fakten und Fotos, die die Entwicklung des Hauses dokumentieren. Beispielsweise eine Fliegeraufnahme des Krankenhaus-Areals aus dem Jahr 1925 oder eine Weihnachtsfeier mit Kreisarzt Dr. Norbert Hahn aus den 80er Jahren. Thielemann: "Wir haben 2000 Broschüren drucken lassen."
Entstanden ist das Krankenhaus auf der grünen Wiese (inklusive fünf Morgen großem Park und gleichgroßem Gemüsegarten) mit einem Hauptgebäude, Infektionshaus, Wirtschaftsgebäude und Sektionshaus. Interessant: Die Patienten der Inneren Abteilung wurden in Klassen aufgeteilt. Dazu heißt es im Tageblatt: "Auf jeder Seite ist ein Saal für die Kranken der 3. Klasse mit je zwölf Betten vorgesehen. Für die Kranken der 2. Klasse ist ein Zimmer mit zwei Betten vorhanden, für die Kranken der 1. Klasse zwei Zimmer mit je einem Bett." Und: "In den Gängen befinden sich Zapfhähne für Warm- und Kaltwasser. Abort und Badeeinrichtungen bestehen aus bestem Weißmetall."
Neben dem Tageblatt spielte ein weiteres Medium eine dokumentarische Rolle: Der frühere Ärztliche Direktor und Chirurgie-Chefarzt Dr. Wilhelm Röse war ein begeisterter Schmalfilmer. Sein Sohn, Prof. Dr. Wolfgang Röse, hat zahlreiche Filmrollen im 8- und 16-Millimeter-Format mit historischen Aufnahmen vom Krankenhausalltag und den Baumaßnahmen in den fünfziger und sechziger Jahren zur Verfügung gestellt. "Filmemacher haben das Material im Auftrag des Krankenhauses digitalisiert und aufbereitet. Der so entstandene Film wird am 3. April um 17 Uhr im Burger Kino der Öffentlichkeit präsentiert", erklärt Dieter Thielemann. Der Eintritt ist frei.
Aktuell präsentiert sich das Krankenhaus als eine Klinik der Basisversorgung, die laut Direktor Beck als akademisches Lehrkrankenhaus der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg in der Region und darüber hinaus agiert. Beck: "Jährlich werden hier mehr als 10 000 Patienten stationär behandelt. Über 13 000 ambulante Behandlungen kommen hinzu." Das auf 240 Betten verteilte Leistungsspektrum reicht von der Inneren Medizin mit Geriatrischem Zentrum über verschiedene Bereiche der Chirurgie sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe bis hin zur Kinder- und Jugendmedizin und der HNO-Abteilung.
"Ein Krankenhaus ist immer nur so gut wie seine Mitarbeiter", sagt Direktor Beck. Und Dr. Hans Ulrich Trebst stimmt ihm zu. Der 86-jährige Genthiner Mediziner hat die Umstrukturierung zur neuen Frauenklinik um das Jahr 1963 hautnah miterlebt: "Ich bin 1960 mehr oder weniger zufällig Chefarzt geworden, weil der Arzt Dr. Rupp, den ich eine Zeit lang vertreten sollte, im Westen geblieben war." Seinerzeit wandelte sich die Gynäkologie vom Teilbereich der Chirurgie zur eigenständigen Abteilung. Trebst erinnert sich: "Es gab nicht nur Sonnenschein, manchmal war es eine harte Zeit. Wir haben häufiger um Menschenleben gezittert." Der Arzt sagte kürzlich: "Ich hatte großen Respekt vor jeder einzelnen Operation. Und immer auch ein klein wenig Angst." 1963 bezeichnet er als "das fruchtbarste Jahr meiner Laufbahn. Wir hatten hier 1300 Geburten, darunter nur 13 Kaiserschnitte. Diesbezüglich haben sich die Zeiten deutlich geändert."
Ein Parteiverfahren beendete seine Chefarzt-Zeit in Burg 1971: "Mir wurde unsittliches Verhalten vorgeworfen, weil ich ein Verhältnis mit einer OP-Schwester hatte - mit dieser Frau bin ich noch heute verheiratet."
Trebst setzt seine medizinische Karriere fort, arbeitet in Elsterwerda, Malchin und seit 1977 in seiner Praxis in der Genthiner Poliklinik ("Der stetige Wind in Mecklenburg hat meiner Frau nicht mehr gefallen"). Er macht 1992 Schluss, kann aber immer noch nicht ohne Kittel, hilft bis 2009 dem DRK-Blutspendedienst. "Damals und heute kann man nicht vergleichen", sagt Trebst. "Ich habe es mir nie nehmen lassen, auch mal beim Patienten auf der Bettkante zu sitzen." Über den heutigen Ärztlichen Direktor Dr. Beck sagt Trebst: "Er ist ein Glücksfall für das Krankenhaus."