Angriffe Erfahrungen mit Hass aus sozialen Medien
Die Volksstimme befragt Kommunalpolitiker aus dem Jerichower Land, unter anderem aus Burg, zu negativen Erfahrungen in sozialen Netzwerken.
Burg/Genthin l Hockenheim, Wolfshagen, Körbelitz. Nur drei Orte, die für Angriffe auf Politiker stehen. Hockenheims Bürgermeister Dieter Grummer ist schwer verletzt worden, Regierungspräsident Walter Lübcke ist auf seiner Terrasse in Wolfhagen erschossen worden und der Körbelitzer Ortsbürgermeister Eckhard Brandt fiel im April nach einer lebensgefährlichen Attacke ins Koma. Doch Übergriffe dieser Art sind nur der radikalste Ausdruck von Hass, der schon mit Tiraden in den sozialen Netzwerken beginnt. Die Volksstimme befragte Kommunalpolitiker aus dem Jerichower Land nach ihren Erfahrungen.
Auf gute und schlechte Erfahrungen blickt Thomas Barz (CDU), stellvertretender Landrat und zuvor Bürgermeister von Genthin. „Manche lassen sich mit sachlichen Argumenten nicht verwirren“, betrachtet er die Auseinandersetzungen eher humorvoll. Allerdings habe er durchaus auch aggressive und bedrohliche Post bekommen. „Bürgermeister oder auch Landräte machen auch Dinge, die nicht schön sind“, ist seine Erklärung. In seinem Fall hatten die aufgeputschten Kommentare zumeist mit gefährlichen Hunden zu tun. „Dann darf man aber auch nicht den Kopf in den Sand stecken, wer sich für das Medium entscheidet, muss sich auch der Diskussion stellen“, lautet seine Devise. Allerdings – und da verweist er auf seinen Eingangssatz – habe die dann auch irgendwann ein Ende.
Genthins parteiloser Bürgermeister Matthias Günther weiß auch von Wellen der Ablehnung auf Facebook zu berichten. Teilweise sei es dabei unter die Gürtellinie gegangen, sogar mit Klarnamen. Die Möglichkeit, aus der Anonymität heraus andere zu beleidigen, hält er auf der anderen Seite für unanständig. „Beleidigungen gelten genauso wie in der Realität“, sagte er. Die Wellen hätten mittlerweile etwas nachgelassen, als bedrohlich habe er sie nie empfunden, sich sehr wohl aber über Unwahrheiten und Übertreibungen geärgert.
Er selbst sei bislang durchaus von Anfeindungen auf Facebook verschont geblieben, sagte AfD-Kreisvorsitzender Gordon Köhler. „Es wurde mal auf einen Infostand von uns gespuckt oder wir wurden am Büro beschimpft“, berichtet er von Begegnungen in der Realität. Sein Stellvertreter Philipp Rau habe da schon ganz andere Begegnungen gehabt und zwar auch in der realen, nicht in der virtuellen Welt. So sei sein Wohnhaus mit Luftdruckgeschossen befeuert, die Fenster und die Fassade mit Farbe besprüht worden.
SPD-Kreisvorsitzender Kay Gericke, der auch Ortsbürgermeister von Biederitz ist, hat eine zunehmende Aggressivität auf Facebook festgestellt. „Vor allem hinter der Maske der Anonymität geht es sehr heftig zu“, sagte er. Das habe bei ihm auch schon dazu geführt, dass er Personen für sein Account gesperrt habe. Man könne doch politisch unterschiedlicher Meinung sein, könne miteinander diskutieren, „darf aber nicht die Kinderstube vergessen“.
Für den Landtagsabgeordneten Markus Kurze (CDU), der auch im Burger Stadtrat und im Kreistag sitzt, ist die Aggression kein aktuelles Phänomen, das mit den sozialen Netzwerken verknüpft ist. „Mir sind neulich zwei alte Ordner in die Hände gefallen, darin sind schon Briefe und ausgedruckte E-Mails, die auch schon vor Jahren meistens anonym und fast immer mit Fäkaliensprache gespickt waren. Teilweise habe er besonderen Schutz gebraucht, teilweise sei Post auch an seine Familie gegangen. „Das ist schon sehr belastend, und manchmal fragt man sich auch, warum man das eigentlich macht“, fasste er zusammen. Doch klein beigeben, da ist er sich mit den anderen Befragten einig, will auch er nicht. Umso wichtiger sei es aber, Menschen zu haben, mit denen man über solche Vorfälle reden könne, mit der Familie und richtigen Freunden.
Zum Angriff auf Eckhard Brandt hat die Landtagsabgeordnete Henriette Quade (Die Linke) eine Anfrage an die Landesregierung gestellt, wollte vor allem wissen, inwiefern der Täter schon vorher auffällig geworden war. Bis auf die Antwort, dass der Angreifer dem Verfassungsschutz bekannt war, sind die Informationen aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. „Deswegen kann ich dazu auch nicht viel sagen“, meinte Quade im Gespräch mit der Volksstimme. Sie sei aber zu dem Schluss gekommen, dass der Angriff nicht in eine Reihe mit den anderen Attacken passe. Letztlich gehe es aber auch um Aggression gegen Politiker. Die habe sie, deren Hauptthema der Rechtsradikalismus ist, auch zur Genüge erlebt. Und das nicht nur virtuell und anonym, sondern auch mit Briefen und Klarnamen. „Man darf sich nicht einschüchtern lassen, denn das ist deren Ziel. Aber man muss abwägen, was rechtsrelevant ist“, sagte sie.
Nach Volksstimme-Informationen ist Eckhard Brandt mittlerweile auf dem Weg der Besserung.