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Abitur in der Tasche - Lostauer sucht berufliche Perspektive und neue Herausforderung im Sport Auf dem Sprung über den großen Teich

Von Andreas Mangiras 18.07.2012, 05:27

Sein Ziel sollte eigentlich das nahe Magdeburg sein. Nun zieht es den Lostauer Christian Falk (19) gleich ganz weit weg - nach Tennessee/USA. Was dem talentierten FCM-Fußballer hier versagt blieb, erhofft er sich dort: Fußball spielen und gleichzeitig eine berufliche Perspektive gewinnen.

Lostau l ,,Christian hat schon lange immer zweigleisig gedacht und zu planen begonnen", sagt Mutter Annette Falk. Neben dem Fußball sei für ihn die schulische Ausbildung und berufliche Zukunft schon früh wichtig geworden. Von daher kommt der Schritt nicht von ungefähr. ,,Wenn diese doppelte Perspektive bei seinem Club, dem 1. FC Magdeburg, ja in Deutschland nicht da ist, ist das nur konsequent", findet Vater Achim.

Christians Eltern sehen den Weg ihres Sohnes voller Stolz, wenn auch mit etwas Wehmut. Als linker Verteidiger hätte der Vater seinen Jungen als nächsten Schritt gern bei seinem Club oder in einer Regional- oder Oberligamannschaft in Deutschland gesehen. ,,Das Zeug hat er, wie es viele richtig gute Leute in der alten U 19 gab." Angebote gab es auch. Doch der FCM backt kleine Brötchen - seit Jahren. Da ist es eng für den gut ausgebildeten Nachwuchs, selbst für talentierten, scheint es. Und Deutschland? Auch hier kamen Anfragen und Angebote. Doch stets ging es den Vereinen nur ums Fußballspielen, so Achim Falk. Studieren oder Unterstützung dabei? Fehlanzeige.

Und so geht es jetzt über den großen Teich.

Alles begann vor über zwei Jahren, während eines Lehrgangs der Landesauswahl in Duisburg. Vermittler waren dort, Vorträge gab es, neue Wege einzuschlagen. Es klang spannend, für den damals 17-Jährigen. Man kam in Kontakt. Während sich bei seinem Heimatclub, an dem sein Herz nach wie vor hängt, nur wenig bewegte, es eher bergab ging, reifte die Entscheidung, einen neuen Weg einzuschlagen. Dann der Entschluss.

Zwei Englischtest besteht er. Das Abitur hat er in der Tasche. Wo soll es jetzt hingehen? Ein Online-Profil wird erstellt. Ein Video, das ihn zeigt, in seinem Fußballspiel.

Und dann kommen die Anrufe - aus den Staaten. Vier, fünf sind es, selbst aus Hawaii. "Das war schon komisch", erinnert sich Christian.

Wohin nun? Es wird Henderson/Tennessee. Überschaubar, hofft er. Wenn er nicht dem runden Leder hinterherjagt, will er dort Sportbuisiness studieren. Das ist naheliegend. ,,Aber die wollen erstmal das ich Fußball spiele", schmunzelt Christian.

Tennessee. Das zählt zu den Südstaaten, Nashville und Memphis stehen für Countrymusic und Rock\'n Roll. Seine künftige Heimatstadt Henderson hat gut 6000 Einwohner. Und die Freed Hardman University. eine 1869 gegründete private Hochschule mit gut 2000 Studenten, 1400 Absolventen, 480 Doktoranden. Die Schatulle der auf wirtschaftliche Eigenständigkeit ausgerichteten FHU ist gut gefüllt. 24,4 Millionen Euro Stammkapital sind ausgewiesen.

Das US-amerikanische Studiensystem ist anders aufgebaut als in Europa und Deutschland. Ohne Studiengebühren geht so gut wie gar nichts. Aber dafür mit Stipendien und über den Sport. Unter den fast 30 Sportarten, für die an Hochschulen Stipendien vergeben werden, gehört neben Baseball, Basketball, Eishockey oder American Football, Fußball - Soccer - zu den beliebtesten Sportarten.

Das lassen sich die Schulen auch einiges kosten. Ein Studienjahr kann nach Angaben einer der deutschen Vermittleragenturen Scolar-Sportship in Münster schon 35 000 Dollar im Jahr kosten. Auf vier Jahre gerechnet sind das stattliche 140 000 Dollar. Wer kann sich das leisten? Da kommen die Stipendien ins Spiel. Es gibt zunächst einen hohen Grundsockel von gut 80 Prozent. Den Rest muss der Student aufbringen. "Das heißt Jobben", sagt Christian. Oder die Eltern schießen monatlich zu. Je besser er im Fußball ist - und beim Studieren -, um so höher kann ein Leistungszuschlag ausfallen. Und wenn es sportlich gut läuft, für das Uni-Team, ist das ein Image-Gewinn für die Schule. Das erhöht deren Attraktivität für Sponsoren, Geldgeber und Unterstützer. Ist dann mehr Geld im Topf, können neue Stipendien ausgelobt werden. Der Kreislauf hält die Hochschule am Laufen - und junge Leute wie Christian Falk gewinnen eine Perspektive.

Nach dem Einstieg in den Fußball in der SG Hohenwarthe schaffte Christian 2004 den Sprung zum Traditionsverein 1. FC Magdeburg, seinem Lieblingsclub. Hier durchlief er alle Nachwuchsteams bis zur U 19. ,, Das erste Jahr bei Günther Braun in der U 13 hat mich am stärksten geprägt. Es ging hart, aber gerecht zu", erinnert sich der heute 19-Jährige. Der Clubnachwuchs spielte in den Regionalligen. Dann der Aufstieg ins Oberhaus in der Saison 2010/11 - ein Riesenerfolg. ,,Das Jahr in der Bundesliga, wo wir auf Gegner wie Werder Bremen trafen, hat mir am meisten gebracht", erinnert er sich. Waren sie zu Beginn der Saison oft chancenlos, wuchsen sie übers Jahr. In den letzten fünf Saisonspielen holten sie 13 von 15 möglichen Punkten. Dennoch: ,,Das Jahr hat mir aber auch Grenzen aufgezeigt", sagt Christian. "Einige von unseren damaligen Gegnern spielen heute in der 1. Bundesliga."

Vier Jahre USA - und dann? So weit schauen, ist ihm jetzt noch nicht möglich, will er auch nicht. Mal sehen, was dann ist. Er wäre dann 23 Jahre alt. Er könnte dann auch hier noch Fußballspielen, höherklassig. Er käme reifer wieder. Den Horizont geweitet.

Doch vor dem zweiten Schritt kommt der erste: der Einstieg, das erste Jahr packen.

Im August geht es über den großen Teich. Dann beginnt schon die Fußballsaison. Sie dauert drei Monate bis Dezember. Alle zwei bis drei Tage gibt es ein Punktspiel in der Trans-South-Conference. Gutes Oberliganiveau, nach unseren Maßstäben. In der Liga kicken Hochschulteams aus mehreren Bundesstaaten: neben Tennessee Arkansas, Indiana, Oklahoma, Kentucky und Texas.

Mit einem Freund aus der alten U 19 geht Christian Falk jetzt nach Amerika. ,,Ich mache mir keine Platte. Das wird schon, ich bin gespannt." Sein Trikot ist schon gedruckt. Mit der Nummer 5, seiner Nummer bisher beim FCM. Ob es dabei bleibt? Sie hat aktuell ein künftiger Mitspieler inne, auch ein Deutscher. Er müsste sie abgeben. Ob da Stress vorprogrammiert ist?

,,Christian hat sich schon immer durchgebissen. Er ist sehr selbstständig. Er wird auch mit der großen Entfernung zurecht kommen. Er weiß, was er will", ist sich Mutter Annette sicher. Ihr wird es schwerer fallen, Vater Achim nickt. Und Christian lächelt - in sich hinein.