20.000 Gefangene vor Todesmarsch bei Möckern Mit Video: Die Retter aus dem Himmel - Wie US-Soldaten 1945 bei Möckern Kriegsgefangene gerettet haben
Das Kriegsgefangenenlager Stralag XI A bei Möckern war im zweiten Weltkrieg eines der größten in Mitteldeutschland. 1945 steht ein Todesmarsch an, der mit der Operation Violet abgewendet wurde. Impressionen vom 80. Jahrestag.

Dörnitz/Altengrabow. - Die Militäraktion „Operation Violet“ zur Rettung der Insassen vom Kriegsgefangenenlager Stralag XI A bei Grabow (Möckern) ist waghalsig: Per Fallschirm springen 18 alliierte Soldaten hinter den feindlichen Linien ab. Und landen ganz woanders. Und doch folgen sie ihrer Mission - mit Erfolg. Jetzt - 80 Jahre später - wurde der mutigen Tat gedacht.
Es ist ein turbulenter Tag. Die Ausführung des Befehls zur Evakuierung von Tausenden Menschen wird vorbereitet. Eine kleine Gruppe um den britischen Major Philip Worrall versucht unermüdlich, dagegen zu steuern und redet auf die Kommandantur ein. Die gibt schließlich nach und sieht vom Vorhaben, dass für viele der Betroffenen den sicheren Tod bedeuten würde, ab.

Dies ist eine kurze Zusammenfassung dessen, was sich vom 26. April bis 1. Mai 1945 im Kriegsgefangenenlager Stalag XI A abspielt. Es ist das finale Szenario der Operation Violet (deutsch: Veilchen), das sich nun zum 80. Mal jährt.
Und der am Mahnmal vom Förderverein „Mahnmal Kriegsgefangenenlager“, Vertretern der Bundeswehr und aus der Politik sowie der französischen Botschaft und Gesellschaft gedacht wird. „Damit das Geschehene nicht in Vergessenheit gerät“, wie Dirk Grill vom Förderverein „Mahnmal Kriegsgefangenenlager“ sagt.
Video: 80 Jahre danach: Erinnerung an die Rettung von Kriegsgefangenen 1945 - Teil 1
(Video: Marco Pappritz)Hinweis: Sollte das Video nicht angezeigt werden, laden Sie bitte Ihren Browser neu.
Zehntausende Gefangene im Kriegsgefangenenlager Stralag XI A in Altengrabow
Das Geschehene, das ist das Kriegsgefangenenlager, das größte in Mitteldeutschland, in dem von 1939 bis 1945 mehrere Zehntausend Menschen aus 13 Nationen gefangen gehalten werden. Sie müssen Zwangsarbeit verrichten, in Unternehmen und der Landwirtschaft, vermittelt durch das Arbeitsamt.

Im April vor 80 Jahren spitzt sich die Lage zu. Die Alliierten haben die Elbe erreicht, die Rote Armee kämpft sich im Osten weiter vor. Die Operation Violet ist eine riskante Aktion der westlichen Alliierten, um die Evakuierung des Lagers und die Misshandlung der Kriegsgefangenen durch die deutschen Bewacher zu verhindern, wie es Bernhard Sterz, Staatssekretär a. D. und ehemaliger Oberbürgermeister von Burg in einer Rede beschreibt.

Am Abend vom 25. April machen sich 18 Mitglieder des SAARF-Kommandos (spezialisierte Luftklärungskräfte) zu sechs Teams nordöstlich von London auf, um hinter den deutschen Linien per Fallschirm zu landen.
Ziel: Kontakt zu den Lagerverantwortlichen aufnehmen und die Lage stabilisieren. Die Operation gerät aus dem Ruder, die Teams verfehlen aufgrund von Wind und Navigationsproblemen ihr Ziel.

Die meisten Mitglieder werden entdeckt und ins Lager gebracht. Dies geht aus einem Bericht von Major Worrall hervor, der in einem Kriegsmuseum in London liegt. Ihm soll es nach stundenlangen Gesprächen gelingen, Lagerkommandant Oberst Theodor Ochernal von seinem Vorhaben, die Lagerinsassen „zu evakuieren“ und damit auf einen Todesmarsch zu schicken, abzubringen.
Dabei soll es auch zu einem Sitzstreik der Insassen gekommen sein. Wenig später treffen westliche Alliierte im Lager ein und übernehmen es. Einige Tage darauf wird es von der Roten Armee übernommen.

Durch die Operation, die als unrealistische Aktion der Extraklasse beschrieben wird, werden rund 20.000 Kriegsgefangene gerettet. Wie kann es sein, dass so wenig bekannt ist? Viele der Unterlagen seien zum Kriegsende vernichtet worden, zudem hätten auch Alliierte einige mitgenommen, so Bernhard Sterz.

Umso wichtiger sind Unterlagen und Schilderungen, die dem Förderverein von ehemaligen Kriegsgefangenen und deren Hinterbliebenen übermittelt werden. Zu ihnen zählt Hans Steynebrugh.
Der Vater des Niederländers war einst in Stalag XI A untergebracht. „Zwar nur wenige Wochen, aber die haben ihre Spuren hinterlassen“, so der 70-Jährige, der zum Gedenktag angereist war. Etwa beim Thema Trauer.
Video: 80 Jahre danach: Erinnerung an die Rettung von Kriegsgefangenen 1945 - Teil 1
(Video: Marco Pappritz)Hinweis: Sollte das Video nicht angezeigt werden, laden Sie bitte Ihren Browser neu.
Wie 1945: Fallschirmspringer steuern das Kriegsgefangenenlager bei Möckern an
Mit dem Förderverein steht er seit Jahren in Kontakt. So auch andere Hinterbliebene, die sich zum Beispiel im Gästebuch auf der Internetseite des Vereins mit zum Teil sehr bewegenden Erinnerungen zu Wort melden. „Meine Familie ist dem Verein sehr dankbar, dass die Geschichte des Lagers nicht in Vergessenheit gerät“, so Steynebrugh.

Bemerkenswert: Anlässlich des 80. Jahrestages der Operation Violet schlüpfen Mitglieder des Fallschirmsportvereins Zerbst sowie Freunde aus Polen und Belgien in die Rolle der alliierten Soldaten. Sie springen 450 Meter über dem Mahnmal am Truppenübungsplatz aus einer Antonow An-2 ab und landen sicher auf einem Feld.