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Volksstimme begleitet Bundesamt für Güterverkehr bei Kontrolle auf A 2 "Du kannst den Nächsten rauswinken"

02.08.2011, 04:31

Tag für Tag sind die Beamten des Bundesamtes für Güterverkehr in Sachsen-Anhalt zu Straßenkontrollen unterwegs. Vergangene Woche waren sie auf dem Parkplatz Krähenberge auf der A2 zwischen Lostau und Burg. Der insgesamt eher ruhige Arbeitstag wurde durch die Verfolgung eines Lkw unerwartet ereignisreich. Die Volksstimme hat die Kontrolleure einen Tag lang begleitet.

Burg. Der Mann mit der knallgelben Warnweste ist nicht zu übersehen. Hunderte von Autos sind heute schon an ihm vorbei gefahren. Ruhig und konzentriert steht Helko Nahrstedt an der Einfahrt des Autobahnparkplatzes, als er eine Stimme aus seinem Funkgerät sprechen hört. "Du kannst den Nächsten rauswinken", gibt ein Kollege durch.

Wie immer folgt der Kontrolleur des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) seinem Gefühl, beobachtet die Verkehrs- situation auf der Autobahn und entscheidet sich für einen großen roten Lkw. Mit einer Verkehrskontrollekelle in der Hand hebt er seinen rechten Arm, der Linke winkt das Fahrzeug in Richtung des Parkplatzes. Normalerweise müsste der Lkw nun abbremsen und abfahren, aber er tut es nicht. Der Fahrer vermeidet jeglichen Blickkontakt mit Nahrstedt und fährt ignorant an ihm vorbei. Ohne zu überlegen sprintet der Kontrolleur in Richtung Parkplatz los. Seine hektischen Schritte reißen seine Kollegen, die um 10.53 Uhr vielleicht schon ihr Mittagessen denken, abrupt aus ihren Gesprächen. "Einer weitergefahren?", fragt der herbeieilende Michael Grabe, Nahrstedts Vorgesetzter. "Ja, aber den schnapp´ ich mir", entgegnet dieser und schmeißt die Türen des Wagens zu. "Na los, mach hin, Helko", ruft Grabe. Nahrstedt steigt ein, steckt den Schlüssel ins Zündschluss, schnallt sich an und fährt los. Mit 160 km/h rast er dem roten Lkw hinterher.

Jeden Tag sind die Kontrolleure des Bundesamtes auf Deutschlands Straßen unterwegs. "Wir sind befugt, in- und ausländische Kraftfahrzeuge anzuhalten, die Güter befördern. Das sind meist Lkw, aber auch Busse kontrollieren wir", erklärt Oberkontrolleur Michael Grabe. Unter anderem werden die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten, Gefahrgut- vorschriften oder die Sicherung der Ladungen überprüft.

So ist es auch an diesem Donnerstagmorgen, an dem sich die Beamten kurz vor acht auf dem Parkplatz Krähenberge auf der A2 einfinden. Gut gelaunt begrüßt Michael Grabe seine Mitarbeiter. Die Kontrolleure Karl-Heinz Siebert und Helko Nahrstedt arbeiten bereits in ihrem Wagen und bereiten sich auf den Tag vor. Der Innenraum ist wie ein kleines Büro gestaltet: Siebert und Nahrstedt sitzen nebeneinander an Laptops, zwischen ihnen steht ein Drucker und in den Wandschränken dicke Aktenordner.

"Ein Unfallgrund bei Busfahrern ist oft Müdigkeit"

Währenddessen sind noch weitere Beamte des Bundesamtes für Güterverkehr eingetroffen, die gerade mit der Kontrolle beginnen. Einer von ihnen ist Frank Leitmont, der zu einem herausgewunkenen französischen Bus läuft. Der Busfahrer kurbelt seine Scheibe herunter und grüßt mit einem freundlichen "Bonjour". Frank Leitmont fordert höflich seine Fahrerkarte, die die Lenk- und Ruhezeiten der vergangenen 28 Tage speichert, und überprüft die Daten mit Hilfe eines kleinen Handcomputers. Etwas genervt zeigt der Franzose symbolisch auf seine Uhr - ein bekanntes Problem: Zeitdruck. "Dauert nicht lange", entgegnet Leitmont auf Deutsch. Nach ein paar Handgriffen ist der Vorgang beendet, alles ist in Ordnung. Der Bus kann seine Fahrt fortsetzen.

"Bei Busfahrern kontrollieren wir, ob die Pausenzeiten eingehalten werden. Das ist wichtig, denn ein Unfallgrund ist oft Müdigkeit", erklärt Michael Grabe die Vorschriften. Schlimme Verstöße sind selten, aber gibt es immer wieder. So wie vergangene Woche, als die Beamten auf einem Parkplatz einen Tipp von einer Frau erhielten. "Sie erzählte uns, dass wir einen Lkw, der neben ihr hielt, kontrollieren sollen. Dieser wäre vor ihr in Schlangenlinien gefahren", sagt Grabe. Bei der Überprüfung stellten seine Mitarbeiter mit Erstaunen fest: "Der Kraftfahrer hatte 2,9 Promille. Wir dürfen den Fall nicht behandeln, aber wir haben die Polizei gerufen." Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

"In der Regel sind die Gespräche mit den Fahrern sehr ruhig. Oft geben sie uns sogar Recht", beschreibt Grabe die Kontrollen. Die meisten Fahrer würden diese sogar befürworten. "Strenge Regeln dienen schließlich auch ihrem Arbeitsschutz und ihrer Gesundheit. Der Druck von ihren Arbeitgebern ist oft sehr groß", erklärt der Oberkontrolleur und berichtet davon, dass es nicht selten auch Selbststeller gebe. Diese wollen kontrolliert werden, damit in ihren Unternehmen ein Umdenken einsetzt.

Ein Lkw folgt dem nächsten auf dem Parkplatz. Immer wenn ein Kontrolleur mit einem Fahrzeug fertig ist, wird ein weiteres auf den Parkplatz gewunken. Es ist inzwischen kurz nach halb elf. Karl-Heinz Siebert geht gerade auf einen Lastkraftwagen zu, der freiwillig abgefahren ist. Ein Trick, um nicht in die Kontrolle zu geraten? "Guten Tag, Kontrolle BAG", begrüßt Siebert den Fahrer und lässt sich seine digitale Fahrerkarte zur Überprüfung geben - doch die Lenk- und Ruhezeiten wurden eingehalten. "Dann kommen Sie mal mit und machen hinten auf", fordert der Kontrolleur, der die Sicherung der Ladung checken möchte. Der großgewachsene Fahrer zieht die Pläne wortlos ein Stück auf, ein großes landwirtschaftliches Gerät kommt zum Vorschein. "Hervorragend, das ist gut gesichert", sagt Siebert und bittet den Fahrer noch kurz zu seinem Arbeitsplatz ins BAG-Fahrzeug. Dort gibt er ihm einige aktuelle Dokumente mit und wünscht ihm eine gute Weiterfahrt, der Verdacht war unbegründet. Siebert erhebt sich und will gerade seinen Kollegen Helko Nahrstedt anfunken, der auf der Autobahn die Lkw auf den Parkplatz winkt. Da kommt dieser plötzlich angerannt, nimmt den gemeinsamen Wagen und verfolgt den ignoranten Lkw-Fahrer.

"In der Regel sind die Gespräche mit den Fahrern ruhig"

Nahrstedt gibt Vollgas, konzentriert blickt er nach vorn und versucht den großen, roten Lkw aus Polen, der sein Signal ignorierte, zu finden. Kurz vor der Abfahrt Burg-Ost hat er ihn, setzt sich davor und schaltet die Lampe "Bitte folgen" ein. Nun muss der Lkw eine Schleife zurückfahren: Burg-Ost ab und wieder auf in Richtung Hannover, dann Lostau ab und wieder auf in Richtung Berlin, damit die Kontrolle auf dem Parkplatz Krähenberge durchgeführt werden kann. Wäre der Lkw-Fahrer gleich abgefahren, hätte er nicht so viel Zeit verloren.

"Dzien dobry", begrüßt Nahrstedt den Fahrer auf Polnisch. Der Mann mit dem kurzgeschorenen Haar, vielleicht Mitte 20, blickt genervt. Das stört Helko Nahrstedt nicht, gewissenhaft geht er bei seiner Überprüfung vor. "Carta digital?", fragt Nahrstedt, der die Lenk- und Ruhezeiten kontrollieren möchte. "No", entgegnet der Fahrer und reicht ihm sogenannte Schaublätter - eine alte Variante der Fahrerkarte. Gemeinsam laufen sie zum BAG-Fahrzeug, das ein paar Meter weiter links steht.

An seinem Arbeitsplatz holt Nahrstedt eine Lupe aus einem Ziehkasten hervor. Mit dem linken Auge schaut er sich die Schaublätter akribisch an. Der Fahrer sitzt ihm gegenüber und spielt nervös mit seinem Schlüssel zwischen den Händen. Nach einer Weile blickt Nahrstedt auf, zeigt auf einem Kalender auf den vergangenen Montag. "Zu lang gefahren, zehn Stunden und 22 Minuten", sagt er, der Lkw-Fahrer nickt. Er weiß, dass er in einer Woche zweimal höchstens zehn Stunden fahren darf, sonst nur neun. Minutenlang schaut der Kontrolleur die anderen Scheiben durch, weitere Mängel findet er nicht.

Helko Nahrstedt nimmt einen Zettel aus seiner Schublade und schaut dem Fahrer ernst in die Augen. Dann schreibt er eine 35 darauf, er zeigt zur Anhaltestelle in Richtung Autobahn. "35 Euro, weil Sie nicht angehalten haben", sagt er und schreibt eine 30 darunter. "30 Euro, weil sie zu lang gefahren sind." Frustriert und mürrisch bezahlt der Fahrer die 65 Euro bar. Nahrstedt druckt ihm eine Quittung aus, setzt den Stempel drauf und verabschiedet sich. "Beim nächsten Mal gucken, nicht wegschauen, wenn ich zeige", gibt ihm der Kontrolleur noch mit auf den Weg.

Insgesamt wurden an diesem Kontrolltag sieben Fahrzeuge beanstandet, teilweise mit mehreren Verstößen. "Ein relativ ruhiger Tag", schätzt Oberkontrolleur Michael Grabe ein. Seine Mitarbeiter räumen gerade ihre Fahrzeuge ein, alles kommt wieder an Ort und Stelle. Denn bereits für morgen ist die nächste Tour geplant.