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Hansi Rusczyk Ein Filmemacher hört auf

Radsport, Natur und Tiere bestimmten über Jahrzehnte das Leben von Hans-Jürgen Rusczyk aus Burg. Jetzt schließt er das Film-Kapitel.

Von Mario Kraus 07.01.2019, 07:00

Burg/Genthin l Irgendwann muss Schluss sein. Dann ist es Zeit, kürzer zu treten. Für Hans-Jürgen Rusczyk ist der Punkt gekommen, eine liebgewordene Leidenschaft in den Erinnerungen zu behalten und sich daran heute eher in seinem Arbeitszimmer zu erfreuen als draußen bei Wind und Wetter. Dabei waren es gerade die Momente, die ihn jung gehalten und seinen Körper immer wieder in Spannung versetzt haben. Morgens in aller Herrgottsfrühe, als die Stadt noch im Tiefschlaf lag, zog es ihn schon hinaus – mit Stativ, Kamera und Zelt „bewaffnet“.

Oftmals nur wenige Kilometer von Burg entfernt schlug er im feuchten Erlenwald sein Lager auf. Und immer wieder hoffend, Wildschweine, Rehe, Marder, Waschbären oder Fasane filmen zu können. Die Aufregung ließ ihn niemals los. „Vor allem dann, wenn ich die Schweine schon von weitem hörte, wie sie sich allmählich grunzend näherten“, schildert „Hansi“, wie ihn seine vielen Freunde nennen, mit großen Augen. „Zuerst kam die Leitbache angewechselt, und dann nach zehn oder zwanzig Sekunden war auf einmal die ganze Rotte auf der kleinen Lichtung.“ So lange der Wind günstig steht, hat auch der routinierte Filmer keine Probleme, die wühlende Wildschweinfamilie zu beobachten.

Rusczyk weiß, dass es in solchen Situationen wichtig ist, die Ruhe zu bewahren. Und auch dann noch still zu sitzen, wenn die Arme oder Beine langsam steif werden. Nach einer Viertelstunde, als die Sauen langsam von dannen zogen, ist „Hansi“ so manches Mal ein Stein vom Herzen gefallen. „Nichts ist besser, als wenn alles gut geklappt hat und die Tiere nicht vergrämt wurden“, sagt er. Dass dies trotzdem unverhofft passieren kann, wenn der Wild plötzlich küselt, „ist eine Art Berufsrisiko. Damit muss man leben. Das ist gerade auch der Antrieb, es nach solchen Begegnungen erneut zu versuchen. Bei einem passionierten Jäger ist es genauso.“

In der Tat kann Rusczyk heute von sich behaupten, wohl mit einem Großteil der heimischen Tierwelt Bekanntschaft gemacht zu haben. Ob das selten gewordene Muffelwild, kapitale Rothirsche oder Marderhunde.

Kein Wunder, dass der ehemalige Berufsschullehrer in seinen zig Vorträgen, die er entweder allein oder mit dem pensionierten Tierarzt Dr. Ulrich Weber hielt, immer wieder gemahnt hat, die breite Artenvielfalt auch für kommende Generationen zu erhalten. „Ich habe das Hobby zwar ausgeübt, weil es mir Spaß macht, aber war immer bestrebt, dass auch andere davon etwas haben“, resümiert er heute und blickt auf die 80er Jahre zurück, als er beispielsweise in einigen Gewerkschaftshotels der DDR seine Technik aufbaute. „Die Resonanz unter den Urlaubern war enorm und solche tierische Abwechslung willkommen.“

Richtig Feuer gefangen hat „Hansi“ dann Ende 1986, als er Heinz Meynhardt in Burg kennenlernte, der das Sozialverhalten der Wildschweine erforschte. Die Treffen mit ihm waren Schlüsselerlebnisse. „Dreimal hatte ich bis zu seinem plötzlichen Tod 1989 die Gelegenheit, mit ihm in sein Revier bei Grabow zu fahren.“ Da war er Zeuge, wie es Meynhardt nach und nach gelang, unter den Schweinen ein Gleichgesinnter zu werden. Rusczyk spricht noch heute von unbeschreiblichen Momenten, die sich für ihn als Natur- und Tierfreund festgebrannt haben. Auch deshalb gehörte er mit zu denen, die in Burg einen Verein zu Ehren von Meynhardt gründeten und in vielen Vorträgen vor Schulklassen, bei Treffen der Volkssolidarität und vor Heimatvereinen über seine Erkenntnisse sowie die heimische Tier- und Pflanzenwelt berichteten. „Nicht jeder hat beispielsweise schon mal einen Keiler ganz nah gesehen“, begründet er. „Und wenn ich dann staunende Gesichter sehe, bin ich zufrieden.“

Das kann „Hansi“ einige Monate vor seinem 80. Lebensjahr auf jeden Fall sein. Auf rund 900 Tier-, Natur- und Sportfilme hat er es gebracht. Mehr müssten es auch nicht sein. „Sie spiegeln auch alle ein Teil meines Lebens wider, das unter Umständen ganz anders verlaufen wäre“, meint er und schaut in seinem Zuhause auf die Bilder mit Radsportlegende Gustav Adolf Schur aus Heyrothsberge. Mit ihm gehörte er nämlich zu den Spitzen im Radsport der ehemaligen DDR. Gemeinsam haben sie von 1958 bis 1963 Wettkämpfe bestritten – bis Rusczyks Karriere abrupt beendet wurde. „Meine Brüder sind damals in den Westen gegangen. Ich konnte mich dann zwar noch beruflich fortentwickeln, aber sportlich war es staatlich verordnet vorbei“, erinnert er sich. Aber treu blieb er dem Sport trotzdem weiter – in Form von vielen persönlichen Freundschaften und natürlich mit der Kamera.

Die Technik, die mit den Jahren immer moderner wurde, liegt nun eingepackt im Schrank. Trotz vieler Ankündigungen, dass der Ruhestand nun Vorrang habe, gibt es bereits die ersten Anfragen nach Vorträgen, denn der Burger ist von Schlagenthin bei Genthin bis Steutz bei Zerbst ein gern gesehener Gast. Auch deshalb, weil er so „spannend erzählen kann“, wie vor Kurzem ein Besucher in Mützel meinte. „Hansi“ bleibt noch gelassen. Für ihn steht fest: „Das Filmen ist vorbei, das andere entscheide ich so, wie es die Gesundheit zulässt ...“