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Jakobsweg Pilgern gibt es in Hohenwarthe vor der eigenen Haustür

Der Jakobsweg verläuft durch ganz Europa – auch durch Sachsen-Anhalt. Das ist gar nicht so bekannt. Auch die evangelische Kirche von Hohenwarthe zählt dazu.

Von Raphael Irmer 07.08.2023, 06:00
Die evangelische Kirche von Hohenwarthe steht unmittelbar am Hochufer der Elbe. Sie wurde durch Prämonstratenser-Mönche aus Magdeburg um 1250 aus Bruchsteinen im spätromanischen Baustil  errichtet und beeindruckt heute durch ihre barocke Ausstattung.
Die evangelische Kirche von Hohenwarthe steht unmittelbar am Hochufer der Elbe. Sie wurde durch Prämonstratenser-Mönche aus Magdeburg um 1250 aus Bruchsteinen im spätromanischen Baustil errichtet und beeindruckt heute durch ihre barocke Ausstattung. Fotos: Raphael Irmer

Hohenwarthe - Weil sie gerade Rentnerin geworden ist und ein Herzschrittmacher im Raum stand, hatte sich Annegret Paul aus Köthen dazu entschieden, körperlich aktiver zuwerden. Sie pilgerte im Jahr 2020 mehrere Tage auf dem Jakobsweg in Sachsen-Anhalt. Die Volksstimme hat darüber berichtet.

Zuerst wanderte Paul von Wolmirstedt nach Magdeburg-Herrenkrug, dann weiter bis nach Egeln. Eine Besonderheit der Teilstrecke um Hohenwarthe sei die Krug- und Trogbrücke. Die Strecke von der evangelischen Kirche Hohenwarthe bis zum Magdeburger Dom ist rund 16 Kilometer lang.

Die Pilgerin berichtete: „Ab Hohenwarthe war der Weg gut ausgeschildert. Ich hatte mich aber auch mit einigen Apps bewaffnet. Die waren wirklich hilfreich, wenn es mal nicht gut ausgeschildert war. Wie zum Beispiel eine Stelle am Kanal, die ich anfangs nicht eindeutig fand.“

Spätgotische geschnitzte Jakobusfigur in der Kirche

Viele Menschen im Salzland wüssten aber gar nicht, dass der Jakobsweg nicht nur in Spanien, sondern europaweit, auch hier durch Sachsen-Anhalt führt, erklärt Sebastian Bartsch auf Volksstimme-Anfrage. Der Pfarrer ist Präsident der im Jahre 2005 gegründeten St.-Jakobus-Gesellschaft Sachsen-Anhalt.

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Trotzdem würden jedes Jahr rund 3000 Pilgerausweise verkauft. Die können nur bei zugelassenen Verkaufsstellen erworben werden. Während der Corona-Pandemie habe es einen deutlichen Rückgang bei den Pilgern gegeben. Aber aufgehört habe es nie. „Es gibt hier immer Menschen, die auf dem Weg sind“, so Bartsch.

Seit dem Ende der Corona-Pandemie habe sich „der Pilgerverkehr und die Beantragung von Pilgerpässen“ in Sachsen-Anhalt wieder normalisiert, berichtet Bartsch nun. Die Herbergen und Pensionen hingegen seien noch nicht alle wieder „erwacht“, fügt der Pfarrer hinzu.

Dass die Anzahl der Pilger auf diesem Teilabschnitt überschaubar ist, berichtet auch Wolfgang Rust. Seine Pension „Unser Paradies“ in Hohenwarthe ist auf der Liste der Pilgerherbergen der St. Jakobus Gesellschaft genannt. „Pro Jahr kommen hier nur rund sechs Pilger vorbei“, berichtet er im Gespräch mit der Volksstimme. Meistens seien es Einzelpersonen, die über 60 Jahre alt sind. Dass sich pro Jahr nur noch eine Handvoll Menschen für das Pilgern entscheiden liegt laut Rust auch an der Infrastruktur. „Nach der Wende gab es eine Euphorie wegen des Jakobsweges. Das war ja was Neues. Aber heute haben wir kaum noch Cafés hier, wo die Pilger einkehren können“, sagt er. Nach seiner Schätzung entspricht das heutige Pilgeraufkommen nur noch 20 Prozent des einstigen.

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Rust erinnert sich gerne an die Pilger, die ihm begegneten. „Manchmal haben die uns eine Postkarte geschickt, wenn sie in Santiago de Compostela angekommen sind. Zum Beispiel ein 40-jähriger Pilger aus Rügen“, erzählt er. Auch der Pfarrer Bartsch bestätigt, dass die meisten Pilger auf dem Jakobsweg in Sachsen-Anhalt Mitte 50 bis 80 Jahre alt seien. Aber es gäbe auch immer mal wieder jüngere Leute, etwa Schulklassen.

Etwas, das diese Menschen mit unterschiedlichen Motivationen vereint, so Bartsch, sei eine Art sportlicher Kampfgeist. Gemeint ist damit das Ziel, eine bestimmte Etappe in einer bestimmten Zeit zu schaffen.

Als Nachweise dienen ihnen die Stempel, die es an jeder Pilgerstation gibt, so Bartsch. Bei den Stationen handelt es sich meistens um Kirchen – etwa die Evangelische Kirche von Hohenwarthe aus dem 13. Jahrhundert. In der Herberge von Wolfgang Rust ist so ein Stempel nicht erhältlich, wohl aber in der Evangelischen Kirche. Die Besonderheit der Kirche ist auch ein hölzerner Altaraufsatz. Dieser ist ein spätgotisches Schnitzretabel aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und stellt auch den heiligen Jakobus dar.

Unterschiedliche Motivationen der Pilger

Die Gründe, sich als Pilger auf den Jakobsweg zu begeben, können unterschiedlich sein, weiß Bartsch: „Die meisten Pilger sind einfach Kulturinteressierte. Die haben oft das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt.“

Und er fährt fort: „Andere versprechen sich vom Pilgern in der Natur eine therapeutische Heilung von Körper und Geist. Dann haben wir diejenigen, die vor einem neuen Lebensabschnitt stehen. Zum Beispiel Schüler und Studenten, die oft auch auf der Suche nach einem gemeinsamen Abenteuer sind. Und es gibt natürlich die ganz Religiösen, die sich auf dem Weg nach Gott hin orientieren.“

Ein religiöses Grundgefühl, so Bartsch, werde dennoch bei jedem Pilger angesprochen. Hier liege der Unterschied zu Wanderern.

Um in der Kathedrale von Santiago de Compostela ein Zertifikat zu erhalten, müssen die Pilger (zu Fuß) mindestens 100 Kilometer gewandert sein. Das weisen sie durch die Stempel nach.
Um in der Kathedrale von Santiago de Compostela ein Zertifikat zu erhalten, müssen die Pilger (zu Fuß) mindestens 100 Kilometer gewandert sein. Das weisen sie durch die Stempel nach.
Foto: Raphael Irmer

Der Jakobsweg

Der Jakobsweg hat seinen Namen von einem der zwölf Apostel aus dem Neuen Testament: Jakobus dem Älteren. Der Legende nach soll dieser ein Schutzpatron der Christen im Kampf gegen die arabische Besetzung gewesen sein. Seine Gebeine sollen noch immer in Spanien in der Kathedrale von Santiago de Compostela liegen. Deswegen ist die Stadt zu einem Pilgerort geworden.

Jakobus wurde zum Schutzpatron aller Pilger. Im Mittelalter gingen die Pilger mit drei Dingen auf Reisen: mit der Jakobsmuschel, einem Lederbeutel für Proviant und einem Pilgerstab. Die Jakobsmuschel ist geblieben. Seit den 1980er Jahren gibt es immer mehr Wegweiser in ganz Europa. Die Hauptroute des Weges nennt sich „Camino Frances“. Viele starten auf dieser Route aber erst ab der Grenze zwischen Frankreich und Spanien: wahlweise im französischen Saint-Jean-Pied-de-Port oder im spanischen Roncesvalles.