Ausfahrt zum 80. Geburtstag „Jawa-Doktor“ hat Benzin im Blut
Anlässlich des 80. Geburtstages von Georg Kottke, Gründungsmitglied der Jawa-Freunde Magdeburg, fand ein kleines Jawa-Treffen in Gommern statt. 30 restaurierte Maschinen waren zu bewundern.
Gommern - Radfahrer und Spaziergänger blieben staunend stehen, Autofahrer gingen vom Gas, um einen Blick zu erhaschen. Es war ein Anblick, den man relativ selten zu sehen bekommt. An der Ecke Salzstraße zur Wiesenstraße standen am Sonnabend in Gommern 30 säuberlich aufgereihte Morräder. Nicht irgendwelche: Jawas.
Anlass des kleinen Jawa- und Oldtimertreffens war der Geburtstag von Georg „Schorsch“ Kottke. Er ist Gründungsmitglied der Jawa-Freunde Magdeburg und hat Benzin im Blut. Das war schon immer so. Jetzt ist der „Jawa-Doktor“ 80 Jahre alt geworden.
Jawa-Doktor? „Naja, so nennen sie mich wohl manchmal“, lacht Schorsch und winkt ab. „Ich bastele ja seit Jahrzehnten an den Motorrädern herum. Da bleibt auch mal ein bisschen Fachwissen hängen, mit dem man anderen helfen kann“, stapelt er tief.
Gerald Hilliger ist der „Chef“ der Jawa-Freunde Magdeburg, die sich vor 19 Jahren zusammengeschlossen haben. Er rückt Georg Kottkes sympathische Tiefstapelei etwas gerade: „Schorsch ist absoluter Profi. Er zerlegt und überholt Motoren, lackiert selbst und hat auch schon ein Motorrad-Prototyp nachgebaut. Bei ihm steht er in der Garage - fahrbereit. Wer irgendein Problem mit seiner Jawa hat, der findet bei Schorsch immer Rat und Hilfe. Er ist unser Jawa-Doktor!“
Auf den Prototyp angesprochen, plaudert Georg Kottke dann doch ein wenig aus dem Nähkästchen. „Es ist eine Maschine, die so nie in Produktion gegangen ist. Es gab Zeichnungen und Fotos. Sie war 1950 auf einer Ausstellung in Paris zu sehen, wurde dort vorgestellt. Allerdings ging sie nicht in Serie. Bei mir steht sie fahrbereit in der Garage. Eine Jawa 500 OHC. Obenliegende Nockenwelle, Königswellenmotor und all so'n Schnulli“, lacht er.
Er wirft mit Fachbergifen um sich, ist voll in seinem Element. Er spricht über Antrieb, Schneckenmotor, Aufhängung, Getriebe. „Ich weiß, für den Laien ist das alles schwer verständlich und auch sicher nicht sofort zu erkennen“, lächelt er gewinnend. Recht hat er. Dem Reporter schlackern die Ohren - böhmische Dörfer bei einem tschechischen Motorrad.
Hatte er schon immer dieses technische Interesse und Geschick? „Schon immer, als Kind schon. Wenn die anderen Pferd und Wagen im Sandkasten gespielt haben, war es bei mir ein Trekker“, erinnert er sich und lacht.
Und natürlich erinnert er sich auch an sein erstes Motorrad. „Es war eine DKW mit 98 Kubikzentimetern Hubraum. Es war ein Vorkriegsmodell, Baujahr 1932. Die habe ich mir zum Beginn meiner Lehrzeit geholt, 1957 mit 16 Jahren. Aus dem Modell wurde später dann die bekannte RT, die ja viele gefahren sind.“
Hinter vorgehaltener Hand sagt er, dass das Motorrad nicht zugelassen war. „Mit einem Kumpel bin ich aber immer zusammen querfeldein gefahren. Im Wald crossen und springen. Und ich musste den Motor etliche Male auseinander bauen und wieder zusammensetzten. Irgendwas war immer. Lang ist's her.“
Später hatte er eine RT125. „Das war mein erstes, richtiges Motorrad. Aber mein Herz hing schon immer an den Jawas. 1960 habe ich dann meine erste 350er Jawa gekauft. Da hat mir mein Opa finanziell geholfen. Allein konnte ich das nicht stemmen. Die hat ja 3600 Mark gekostet. Von meinen Eltern habe ich für den Motorrad-Blödsinn nichts gekriegt“, sagt Schorsch und muss herzlich lachen. „Aber ich habe meinem Opa alles zurückgezahlt.“
Die Maschine hatte er viele Jahre. „Und dann war's erstmal aus mit dem Motorrad. Frau, Kind, Wohnung, Auto - die 350er habe ich verkauft. Das tut mir heute noch weh“, gesteht er. Als Sohn Torsten in einem Alter war, dass er sich auch für Motorräder interessierte, ging es wieder los - gemeinsam. Bis heute - und ein Ende ist nicht abzusehen.
An einer Maschine hängt Georg Kottkes Herz besonders. „Es ist eine 500er OHC. Jawa hat ja über eine Million Fahrzeuge gebaut. Von dem Modell aber lediglich 2000 Stück. Und sie ist ein Exot. Alle Jawas haben Zwei-Takt-Motoren, die 500er OHC ist ein Viertakter. Wenn ich die Maschine starte, hört man mich unter allen anderen Jawas heraus - ich schmeiß schon ganz schöne Klänge“, sagt er mit breitem Lächeln.
Georg Kottkes sympathische Art ist vermutlich einer der Gründe, warum es sich kaum ein Mitglied der Jawa-Freunde Magdeburg nehmen lies, ihm zu seinem Ehrentag die Aufwartung zu machen. Sie kamen aus Gommern, Prödel, Magdeburg und Umgebung. Einer sogar aus Ahlen - knapp 350 Kilometer Fahrstrecke.
Die Jawa-Freunde Magdeburg sind ein Zusammenschluss von Liebhabern der unverwechselbaren tschechischen Motorräder, die schon zu DDR-Zeiten viele Fans hatten. „Wir sind kein Verein, sondern eine Gemeinschaft“, unterstreicht Gerald Hilliger, Chef der Biker. „Früher waren viele von uns beim Verein Jawa-Wings, aber das hat uns aus verschiedenen Gründen nicht gefallen. So haben wir uns zu den Jawa-Freunden zusammengeschlossen.“
Hauptaugenmerk liegt natürlich auf den tschechischen Motorrädern, aber viele der Mitglieder haben mehr als nur eine Maschine - auch anderer Hersteller. „RT, BK, AWO, MZ, SR2, Spatz, Star, Schwalbe - hier ist alles vertreten“, zählt Gerald Hilliger auf.
„Die Jawas sind natürlich besonders“, schwärmt er. „Speziell bei der großen Maschine, der 350er, die zu DDR-Zeiten importiert wurde, ist der zweizylindrige Zwei-Takt-Motor. Der Klang ist besonders und unverwechselbar. Und von der Form her sind die Jawas zeitlos schöne Motorräder.“
Regelmäßig treffen sich die Jawa-Freunde einmal im Monat, um zu reden, fachzusimpeln, Tipps und Tricks rund um die Maschinen auszutauschen - und natürlich um Ausfahrten zu machen. Immer mit dabei Jawa-Doktor Schorsch Kottke.
So auch am Sonnabend bei einer etwa anderthalbstündigen Geburtstagsausfahrt.