1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Burg
  6. >
  7. „Pimmelbude CDU“: Umstrittenes Bild von Burger Linksjugend-Schatzmeisterin sorgt bundesweit für Aufregung

Interview „Pimmelbude CDU“: Umstrittenes Bild von Burger Linksjugend-Schatzmeisterin sorgt bundesweit für Aufregung

Ein Bild, schon vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt auf Instagram gepostet, sorgt bundesweit für Reaktionen. Was folgte, waren unter anderem sogar Morddrohungen. Im Volksstimme-Interview mit Redakteur Sebastian Rose erklärt Rebekka Grotjohann, was es mit dem Post auf sich hat. Über Sexismus, gewollte Kommentare, rechte Kräfte und Frauen in der Politik.

Von Sebastian Rose 15.07.2021, 13:47
Mit diesem Sharepic sorgt Rebekka Grotjohann für Aufsehen.
Mit diesem Sharepic sorgt Rebekka Grotjohann für Aufsehen. Screenshot: instagram.com

Burg - Zur Person: Rebekka Grotjohann ist am 24. Oktober 1998 in Velbert (NRW) geboren, zog 2001 nach Haldensleben und machte dort später ihr Abitur. Seit 2020 ist sie Bundesschatzmeisterin der Linksjugend und war 2021 Kandidatin zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt für den Wahlkreis 6 (Burg). Sie studiert Sozialwissenschaften an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität und ist zurzeit Mitarbeiterin der Landtagsabgeordneten Nicole Anger.

Volksstimme: Mit welcher Intention haben Sie das Instagram-Bild „Pimmelbude CDU: Bitte abwählen“ hochgeladen?

Grotjohann: „Das war auf jeden Fall nicht als große Kampagne angedacht. Ich habe den Listenentwurf zur Landtagswahl der CDU gesehen und war mindestens überrascht, eher schockiert. Dort ist auf den ersten 15 Plätzen nicht eine Frau aufgetaucht. Da fing mein feministisches Herz an, schneller zu schlagen. Ich habe dann einfach überlegt: Was symbolisiert diesen Missstand am besten? Ganz klar: Eine Pimmelbude, das sind ja nur Männer.

Natürlich auch, um ein bisschen zu provozieren. Derartig drastische Formulierungen durchstoßen immer eine gewissen Aufmerksamkeitsdecke. Aber ich habe nicht gedacht, dass dies so viral geht.“

Welche Reaktionen gab es auf das Bild?

„Zunächst viele Gute. Viele haben mich bestärkt. Sicherlich gab es auch da schon kritische Stimmen, ob für dieses Thema die verwendete Sprache im Bild auch die richtige sei, aber krasse Kommentare hielten sich in Grenzen. Richtig los ging es erst im Mai, wo ich auf einmal um die 60 Twitter-Benachrichtigungen hatte. Verschiedene Akteurinnen haben darüber dann diskutiert und bewusst einen Shitstorm losgetreten. Oft gilt aber: Die Fans sind schlimmer als die Idole.

Das was die Kommentare begleitet hat, waren viele Nachrichten, unter anderem Sexanfragen von über 50-jährigen Männern, Todeswünsche und Morddrohungen. Zwei Kommentare auf Twitter waren zum Beispiel 'Da möchte jeder Jungkommunist mal ablaichen' und 'Chronisch untervögelt? Anders kann ich es mir nicht erklären'.“

In einem kurzen Interview mit der Zeit, in dem es um Frauen in der Politik ging, sagten Sie, Sie wollten mit dem Posting auch pöbeln. Was meinen Sie damit?

„Ich würde jetzt nicht in einem ernsthaften Gespräch mit einem Mann der CDU sagen: 'Hey, du bist doch von der Pimmelbude'. Mir war natürlich auch bewusst, das Konservative sich daran stören würden. Die Reaktionen waren ein kleines Stück weit mit eingerechnet. Frauen haben es immer noch sehr schwer in der Politik. Das löst in mir Wut aus.

Und dann versuche ich, möglichst viele Menschen darauf aufmerksam zu machen, auch mal mit drastischen Worten. Diese spielen außerdem auf den goldenen Pimmel an, den die Linksjugend bei der vorletzten Landtagswahl der Staatskanzlei überreicht hat.“

Sind diese Reaktionen dann nicht sogar gewollt?

„Ich hatte damals noch keine große Öffentlichkeit, die ich erreicht habe. Ich habe es damals in dem Glauben geschrieben, dass es nach drei Tagen wieder vergessen ist. Das ein paar Typen etwas darunterschreiben: ja, mein Gott. Aber ich hätte niemals damit gerechnet, dass drei Monate später ich mit dem Posting eine noch die da gewesene Aufmerksamkeit erreiche.

Was dann kam, waren ekelhafte Kommentare über meinen Körper und widerliche Wünsche. Diese kommen erstaunlicherweise oft nicht von jungen Nazis, sondern von Mit-50ern. Klar habe ich mit Kommentaren gerechnet, aber nicht in dieser Form.“

Ist die „Pimmelbude CDU“ nicht dafür verantwortlich, dass die AfD, die Sie nicht unbedingt mögen, nicht stärkste Kraft im Land geworden ist? Muss man dieser „Pimmelbude“ nicht sogar dankbar sein am Ende?

„Nein! Dankbar nicht. Ich bin froh, dass die AfD nicht stärkste Kraft geworden ist und erkenne an, dass dies auch an der CDU liegt, aber ich kann einer Partei nicht dankbar sein, die immer wieder am rechten Rand fischt und trotzdem mit dafür verantwortlich ist, dass die AfD so groß ist. Die CDU regiert, ist eben für den gesellschaftlichen Wandel verantwortlich und trägt deshalb auch die Schuld, dass so viele Menschen hier Nazis wählen.“

Sie beschweren sich über die sexistischen Kommentare und Nachrichten nach dem Posting. Ist die Aussage nicht an sich sexistisch? Werden hier nicht die CDU-Männer auf ihr Geschlechtsmerkmal reduziert?

„Jein, es gibt zwei Theorien, die Sexismus beschreiben. Das eine ist die Reduktion auf Geschlechtsmerkmale. In dem Fall stimmt es schon, ich kann es beziehungsweise aus diesem Aspekt nachvollziehen. Aber den hierarchisierenden Aspekt, dass sich alle Männer angegriffen fühlen, sehe ich nicht. Mir geht es ja eher um die Strukturbeschreibung.

Das Geschlecht, welches mein Geschlecht seit Jahrhunderten diskriminiert, beschwert sich über Pimmelbude? Das finde ich ganz schlimm! Ich nehme das mit einem Lächeln hin. Im Vergleich dazu, wie systematisch Frauen in der CDU kaum politische Chancen haben, finde ich Pimmelbude nicht wirklich krass.“

Auf der Direktkandidatenliste der Linkspartei zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt standen mehr Frauen als Männer. Auch forderten Sie im Wahlkampf, dass mindestens die Hälfte aller im Landtag vertretenden Personen Frauen seien müssen. Ist dies nicht Ausgrenzung gegenüber Männern?

„Ich möchte sicherstellen, dass es 50 Prozent Frauenanteil im Landtag gibt. Das sehe ich auch als realistisch an. Man muss sich bei Quoten aber immer in Erinnerung rufen, wenn es mal mehr Frauen sind, okay, dann sind es halt mal mehr Frauen. Das gab es in den letzten 100 Jahren nicht. Da sage ich scherzhaft, dass die Männer damit auch etwas ihrer historischen Schuld an uns Frauen ausgleichen könnten. Ich hoffe trotzdem, dass Quoten irgendwann nicht mehr nötig sind. Solange Frauen aber strukturell diskriminiert und uns Machtchancen verwehrt werden, brauchen wir ja offensichtlich eine Quote.

Wenn ich mir aber mal die rechten Parteien im Landtag anschaue, da liegt der Frauenanteil noch deutlich unter 50, 40 und 30 Prozent. Deswegen auch der Seitenhieb mit mindestens 50 Prozent.“

Was muss sich ändern, damit junge Frauen präsenter in der Politik sind?

„Wir müssen uns darüber unterhalten, was Frauenförderung überhaupt bedeutet. Oft wird ja behauptet: Frauen haben gar keine Lust auf Politik. Das stimmt nicht. Aber die Strukturen innerhalb der Politik müssen hinterfragt werden. Es ist ja nicht so, dass Frauen geboren werden und sofort keine Lust auf Politik haben.

Politikerinnen werden zum Beispiel immer auch anhand ihres Aussehens bewertet. Wie oft ich schon Kommentare über den Kleidungsstil von Frau Merkel gelesen habe; dazu habe ich über Herrn Scheuer nie etwas gehört. Akzeptanz und Verständnis sind da wichtige Stichwörter.“