Tierschutz Prinzesschens Reise
Vor zehn Jahren ist die wohl berühmteste Störchin Deutschlands in Südafrika gestorben. Die Rede ist von „Prinzesschen“.
Loburg l Hoopstadt, Südafrika: Am 23. Dezember 2006 um 11 Uhr bemerkt der Farmer Buks de Klerk auf seinem Farmgelände einen geschwächten Storch. 40 Minuten später ist der schwarz-weiße Vogel tot. Der südafrikanische Landwirt entdeckt am Bein des toten Vogels eine Marke und am Rücken des Tieres einen Sender. Darauf liest er einen Namen und eine Telefonnummer. Wenig später erschüttert seine Mitteilung an den Loburger Ornithologen und Geschäftsführer der Vogelschutzwarte „Storchenhof Loburg“ Dr. Michael Kaatz in Loburg die gesamte Storchenhof-Mannschaft: „Prinzesschen“ ist tot.
Nach der traurigen Botschaft aus Südafrika wollte Michael Kaatz noch einmal zu dem Storch, der ihm in all den Jahren ans Herz gewachsen war. Er machte sich auf die 18-stündige Reise nach Hoopstadt, mit einem sehr mulmigen Gefühl, wie er sagt.
Der südafrikanische Farmer zeigt Michael Kaatz die Stelle, an der er den toten Vogel vergraben hat, und entschuldigt sich, dass er den toten Vogel einfach auf dem Acker vergraben hat. „Ich wusste ja nicht, dass es so ein besonderer Storch war“, sagt er und bietet Kaatz an, das Tier an einer besseren Stelle zu beerdigen. Michael Kaatz ist gerührt, dass sich diese Menschen um den sterbenden Vogel gekümmert haben, ohne zu wissen, wer „Prinzesschen“ war. Er wählt einen Platz unter einem Baum am Eingang zur Farm: „Hier ist ein guter und würdiger Platz, an dem Prinzesschen auch in Afrika immer zu finden sein wird“, sagt Kaatz. „Besser, als wenn sie auf dem Feld liegt, wo sie vielleicht noch einmal umgepflügt wird.“ Zu sehen ist diese bewegende Abschiedsszene in einem Film, der die letzte Reise von „Prinzesschen“ dokumentiert. Dieser Film zeigt auch die Reise der Störche in den Süden. Michael Kaatz und ein Filmteam begleiteten „Prinzesschen“ in den Jahren 2004 und 2005 nach Südafrika.
„Ich hätte mir gewünscht, wenn der Sender mit Prinzesschen einige Jahre länger unterwegs gewesen wäre“, sagt Kaatz, mit Prinzesschens Datensender und der Erkennungsmarke der Vogelschutzwarte Hiddensee in der Hand.
Auf dem Stein, den Michael Kaatz vor seiner Abreise bestellt, erinnert eine Inschrift in englischer Sprache an Prinzesschen: „The White Stork Princess – a wonderful Journey finds its end here“. Auf Deutsch: „Die Weißstörchin Prinzesschen – eine wundervolle Reise fand hier ihr Ende.“
Der Gedenkstein ist nur eine von drei Erinnerungen, die den Menschen die Storchendame Prinzesschen im Gedächtnis erhalten werden.
Auf dem Gelände des Storchenhofes in Loburg wurde „Prinzesschen“ am 3. Juli 2010 ein Denkmal gewidmet. Die von der Künstlerin Heike Landherr entworfene Bronzeskulptur steht auf dem Storchenhof Loburg nur wenige Meter von Prinzesschens damaligem Horst entfernt. Es zeigt die fliegende Storchendame über einer Bronzeplatte mit einer Zugkarte. An einer der drei Säulen, die den berühmten Vogel halten, ist ihr Vogelring angebracht. Auf dem Sockel eingeritzt sind die Koordinaten von Prinzesschens letzter Reise zu lesen: Hoopstadt/Südafrika 27°/43’ Süd, 26°/10’ Ost – Loburg/Sachsen-Anhalt 52°/7’ Nord, 12 °/4’ Ost. Die Statue wurde allein durch Spenden finanziert.
Eine weitere Erinnerung ist die Sonderbriefmarke, auf der die Storchendame abgebildet ist. Philatelisten mit einer Vorliebe für „Luftpost“ werden es vielleicht noch wissen: Am Ausgabetag, 7. April 2004, konnten sie erstmals die 46 mal 27,32 Millimeter große Briefmarke in ihre Alben sortieren.
Der Entwurf stammt von Prof. Peter Steiner und Regina Steiner aus Stuttgart. Die beiden setzten sich damals durch gegen Entwürfe von Peter Nitzsche, Prof. Günter Jacki, Karin Blume-Zander und Andre Zander. Das Motiv zeigt Prinzesschen fliegend, die Marke gehört zur Serie „Bedrohte Tierarten“ und besitzt einen Wert von 55 Cent. Gedruckt wurde sie in einer Auflage von 26,5 Millionen Exemplaren.
Die Vorstellung der Prinzesschen-Briefmarke auf dem Storchenhof Loburg erfolgt am 19. April. Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Finanzen stellte die Briefmarke persönlich vor. „Das gab es noch nie, dass einem Tier sein Name zugeordnet wird!“, heißt es dazu stolz im Internetauftritt der Vogelschutzwarte. Auch auf den Etiketten der Loburger Spirituose „Storchenbiss“ hat das Abbild von Prinzesschen Verwendung gefunden.
Wie aber kam der Vogel, der über ein Dutzend Jahre für die Wissenschaft fliegen sollte, zu seinem Namen? Alles begann im Jahre 1993, schreibt Erika Herbst in ihrem „Prinzesschen-Tagebuch“: „Wir trauerten noch um unser Storchenpaar, das nicht zurückgekehrt war, als ein neuer Storch den Horst anflog und ihn ausgiebig in Augenschein nahm. Dann war er fort, aber bald kehrte er zurück und klapperte: Sollte das heißen „es gefällt mir hier“? Er nahm wohl auch das Umfeld unter die Lupe, denn seine Ausflüge waren nur von kurzer Dauer.
Eine Schulklasse besuchte den Storchenhof und Dr. Kaatz war bemüht, den Kindern zu erklären, dass sie sich ruhig verhalten müssten: Der Storch ist neu hier, wir wollen ihn doch nicht vergraulen! Die Kinder waren brav und zur Belohnung durften sie den neuen Storch taufen. Ziemlich schnell waren sie sich einig: ‚Prinz‘ soll er heißen! Nun brauchte er nur noch eine Gattin....
Am 23. April flog dann ‚Sie‘ ein, deren Leben so viele Menschen beschäftigen sollte! Der Prinz hatte eine Prinzessin, wenig später wurde Prinzesschen daraus und wir haben mit ihr eine seltene Erfolgsgeschichte erlebt...“
So beginnt die Geschichte der berühmtesten Adebarin Loburgs. Die Geschichte sollte 14 Jahre lang währen. So lange wie bei keinem anderen Vogel konnte die Reise der Weißstörche über Kontinente erforscht werden. „Prinzesschen“ hat in ihrem Leben viel für die Wissenschaft und den Storchenschutz getan.