Schifffahrt Böhmische Schönheit aus Derben
Die erste Fahrt des größten deutsch-tschechischen Projektes im Bereich der Binnenschifffahrt. Das Schiff lief in Derben vom Stapel.
Derben l Wer kennt sie nicht, die Moldau aus dem sinfonischen Zyklus „Mein Vaterland“, komponiert von Bedřich Smetana. Die Melodie zeichnet musikalisch ein Bild des beeindruckenden Flusses. Auf einer Strecke von 31 Kilometern begleitet der Fluss Prag. Er fließt unter 18 Brücken hindurch, so auch unter der Karlsbrücke, eine der ältesten Steinbrücken Europas.
Der Blick der Familie Bolle, deren Schiffswerft in Derben, Teil der Einheitsgemeinde Elbe-Parey, ansässig ist, geht gerne in die goldene Stadt. Davon erzählt der 33-jährige kaufmännische Leiter des Unternehmens Mario Bolle. Wir haben gute Kontakte nach Tschechien“, sagt er. Und nun ist es das dritte Schiff, das in Kooperation mit dem tschechischen Betreiber Prague Boats vom Stapel gelaufen ist. Die „Grand Bohemia“ ist die Krönung des jahrelangen fruchtbaren Miteinanders. „Die Investitionssumme bewegt sich im siebenstelligen Bereich“, sagt Werft-Geschäftsführer Lothar Bolle. Eine genaue Zahl will der Chef auf Nachfrage nicht nennen.
Ein Rundgang ist ein Erlebnis besonderer Art. Das AquaCaprio, wie der Schiffstyp genannt wird, ist 73 Meter lang und 9,60 Meter breit. Die Arbeiten sind fast abgeschlossen. Und bis zur Schiffstaufe am 7. Juni in Prag muss alles erledigt sein. „Wir haben versucht, regionale Unternehmen für die Arbeiten an dem Schiff zu gewinnen“, sagt Mario Bolle. Das Schiff soll den Touristen, die der Betreiber Prague Boats mit an Bord nimmt, höchste Qualität bieten.
„Das Boot ist für Events, für VIP-Reisen geplant“, erzählt Bolle weiter. 550 Passagiere können an Bord, und die wollen nicht nur einfach reisen, sondern sich verwöhnen lassen. Und Prague Boats präsentiert sich gut im Netz.
Das Schiff ist eine Jubiläumsüberraschung. Seit 25 Jahren bietet das Unternehmen Schiffsfahrten an, und laut Homepage befinden sich in der Flotte unterschiedliche Schiffstypen, auch mit Solar- beziehungsweise Hybridantrieb. Das Angebot reicht von Firmenveranstaltungen, Konferenzen bis hin zu privaten Feiern und Hochzeiten.
Schon beim Rundgang ist der versprochene Hauch von Luxus auf der „Grand Bohemia“ zu spüren. Die Treppen führen ganz nach oben zum Sonnendeck. Ein Blick lässt ahnen, wie gemütlich es dort die Passagiere bei gutem Wetter haben. Es ist geräumig und bietet die Möglichkeit, den Blick auf dem Wasser schweifen zu lassen.
Die Hauptattraktion ist der Caprio-Bereich im Hauptdeck. Bei Regen bietet ein fahrbares Glasdach den Gästen Schutz vor dem Regen. Hier gibt es Bars, die moderne Beleuchtungstechnik wird noch einmal getestet, und schon Hörproben zur Feineinstellung lassen auf eine ausgefeilte Beschallung schließen. Gut vorstellbar ist, mit welchem Komfort die Bootsbesucher auf Moldau-Reise gehen.
Ungefähr 100 Handwerker seien am Bau der „Grand Bohemia“ beteiligt gewesen. „Vor gut einem Jahr haben wir mit dem Bau des Schiffes begonnen“, erzählt Mario Bolle. Zirka 20 Kilometer pro Stunde schnell kann das Schiff die Flüsse entlang gleiten. Es kann mit drei Besatzungsmitgliedern unterwegs sein. „Dazu kommt das Personal im gastronomischen Bereich“, erzählt Mario Bolle.
Donnerstag um 10 Uhr ist der große Tag, da beginnt die erste – zunächst – kurze – Reise der „Grand Bohemia“. „Wir sind 15 Minuten nach Parey unterwegs“, sagt Bolle. Leider sei die Neuderbener Brücke so niedrig, dass das Werft-Team 300 Tonnen Ballast in die Tanks pumpen musste. Am Sonnabend bricht das Schiff dann Richtung Prag auf. „Rund vier Stunden brauchen wir auf dem Elbe-Havel-Kanal bis Magdeburg“, sagt er weiter. Vier Tage dauere die Fahrt schließlich insgesamt bis zum Zielort.
„Jetzt im Augenblick ist erst einmal ein wenig die Luft raus“, sagt Mario Bolle. Aber der Bau des nächsten Fahrgastschiffes ist in Vorbereitung. Seit 1990 ist die „Grand Bohemia“ das Schiff mit der Baunummer 205. Die Tradition reicht jedoch viel weiter zurück. In der sechsten Generation betreibt die Familie die Werft. 1972 wurde sie enteignet, nach der Wende kauften die Bolles die Werft zurück. 2011 wurde das 150-jährige Bestehen gefeiert. „Ich bin seit 2010 kaufmännischer Leiter beim Unternehmen“, sagt der diplomierte Wirtschaftsingenieur Mario Bolle. „Gott mit uns seit 1861“, so steht es in Stein geschlagen am Kontor des Unternehmens.