Burger Archiv Spannende Hausgeschichten aus dem Jerichower Land auf tausend Seiten
Für Häuser, die zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und 1990 gebaut wurden, lagern die Akten im Kreis- und Stadtarchiv an der Kapellenstraße.

Burg - „Wir haben das alles nach der Wende in einer Lastwagenladung bekommen“, erinnert sich Beate Blumhagel. Mit „das alles“ meint die Leiterin des Kreis- und Stadtarchivs die Bauakten, die bis dahin im Keller und auf dem Dachboden des historischen Burger Rathauses eingelagert waren. Zu DDR-Zeiten habe die Bauakte keine so große Bedeutung gehabt. Heutzutage müsse jeder, der ein Haus kaufen und einen Kredit aufnehmen will, die Akte bei der Bank vorlegen. „Die will ja eine Sicherheit haben und sich deshalb genau davon überzeugen, um was für ein Haus es sich handelt“, erklärt die Archivleiterin.
Mittlerweile liegen die Akten nicht mehr auf einem unsortierten Stapel wie bei der Anlieferung, sondern sind fein säuberlich in braunen Ordnern einsortiert, die in meterlangen Regalen stehen. „Das sind Tausende“, gibt Blumhagel eine Größenordnung. Erfasst sind die Häuser, die zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und 1990 gebaut wurden. Alle jüngeren Gebäude sind in der Registratur des Bauamtes abgelegt.
Um von einem Gebäude auf die Akte zu kommen, braucht es manchmal ein wenig Detektivarbeit. „Ich brauche so viele Angaben wie möglich“, sagt die Archivleiterin. Nicht immer gab es beispielsweise Straßennamen. In Burg wurden sie erst mit der Anlage der Entwässerung in der Stadt um 1876 eingeführt. Auf den Dörfern teilweise viel später. Zudem haben viele Straßen im Laufe der Jahrzehnte einen anderen Namen bekommen. So hieß die heutige August-Bebel-Straße zwischenzeitlich Acker- und Kaiser-Wilhelm-Straße, bevor sie wieder zu ihrem heutigen Namen kam. Die Bahnhofstraße hieß einst Hauptmann-Loeper-Straße, benannt nach dem Gauleiter von Magdeburg Dessau, die Franzosenstraße trug zwischenzeitlich den Namen Hermann Görings. Auch nach der DDR-Zeit wurden Straßen umbenannt, mehrere Gebietsreformen machten das auch notwendig, weil es beispielsweise in einer Ortschaft nicht mehrere Dorfstraßen geben kann.
Bauzeichnungen bildenVergangenheit ab
Neben den Akten sind auch weitere historische Dokumente im Kreis- und Stadtarchiv zum Thema Bauen eingelagert. Dazu gehören zahlreiche Zeichnungen, beispielsweise vom Bahngelände oder den Kasernen. Die historischen Militärgebäude haben eine Besonderheit, sind sie doch nicht vom Staat, sondern von der Stadt Burg errichtet worden. Das habe nach der Wende natürlich nachgewiesen werden müssen. „Es gibt ein altes Rechnungsbuch, in dem die Summen ganz genau aufgelistet sind“, so Beate Blumhagel.
Außerdem gibt es einen Band mit dem Titel „Vorschläge für Hütten und Ställe für Schweine“ oder auch zu „Bau und Errichtung ländlicher Volksschulhäuser in Preußen“ ebenso wie Vorschläge für „Typenprojekte für Kleineigenheime von Umsiedlern“. Wenn Häuser, dies sei zumeist auf dem Land geschehen, einer gewissen Typenbauweise folgen, ist der individuelle Grundriss nicht mehr notwendig. Anhand der Bauakte können sich nicht nur Banken, sondern auch Architekten orientieren. Die Akte ist zwar ein reicher Informationsquell, aber noch längst nicht jedem zugänglich. „Der Eigentümer muss immer damit einverstanden sein, denn es soll kein Fremder ein Haus erkunden können“, erläutert Blumhagel.
Seminararbeit über das Burger Kino
Manchmal haben aber eben auch Fremde Interesse an Burger Gebäuden. Dazu gehört die Magdeburger Straße 4, die Adresse des Burg-Theaters. Der älteste Zweckbau Deutschlands, der ein Kino beherbergt, war für einen Studenten der Hochschule Hannover von Interesse. Der Trägerverein Weitblick war damit einverstanden, und so konnte sich der angehende Fotojournalist in die Unterlagen stürzen. Seine Seminararbeit ist allerdings noch nicht abgeschlossen, wie die Archivleiterin weiß.
Der Datenschutz des Innenlebens eines Gebäudes läuft allerdings ab, wenn es nicht mehr existiert. Eine der vielen mit Liebe zum Detail erstellten Bauzeichnungen gibt es im Archiv vom Concert-Haus. Das hatte in vergangener Zeit die Adresse Markt 5. „Schon zu DDR-Zeiten wurde es abgerissen, um neuen Gebäuden Platz zu machen“, erklärte Blumhagel. Das ehrwürdige Gebäude sei einst ein wichtiger kultureller Schauplatz in der Stadt gewesen. So sei dort zur Zeit Fontanes Theater gespielt worden. Der Dichter war 1840 drei Monate in der Stadt. „Und zu meiner Zeit“, fügt die Archivleiterin schmunzelnd hinzu, „gab es dort Disco.“