Wer darf Abwurfstangen einsammeln? Wer darf Tiere fotografieren? Streit zwischen Jägern und Tierfilmer in Fiener-Wäldern
Tucheim/Paplitz/Burg.
Was ist in unseren Wäldern erlaubt, was ist verboten und was dürfen ausschließlich Jäger tun? Der Tucheimer Naturfilmer Thomas Wöhling hat nicht nur Freunde in der Fienerregion. Einige Jäger werfen ihm unerlaubtes Sammeln von abgeworfenen Geweihen (Abwurfstangen) vor. Auch zum Thema Filmen von Tieren dreht sich ein jahrelanger Konflikt.
"Wenn er sammelt, geht uns was verloren. Und oftmals geht er ungestüm und ohne Sachkenntnis vor", sagt Wolf Lützow. Er ist Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Tucheim. Die Genossenschaft verpachtet die Wälder in der Gemarkung Tucheim an Jäger. Lützow: "Für Jäger ist eine Abwurfstange natürlich auch eine Trophäe. Eine Stange kann zwischen 70 und 80 Euro wert sein. In Ausnahmefällen auch 200 bis 300 Euro."
Dies bestätigt der Landkreis. "Abwurfstangen gehören nur dem Jagdausübungsberechtigten. Die rechtswidrige Aneignung kann als Wilderei geahndet werden", sagt Verwaltungssprecherin Steffi Priese auf Volksstimme-Nachfrage. Für Jagdwilderei sei laut Gesetz eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren vorgesehen.
"Ein besonders schwerer Fall ist, wenn man es gewerbs- und gewohnheitsmäßig macht. Und das ist bei Herrn Wöhling der Fall", meint Jörg Geißler. Er ist Vorsitzender der Jägerschaft Burg.
Zuständig für solche Fälle ist die Untere Jagdbehörde. "Gezielte Kontrollfahrten finden nicht statt. Werden aber beispielsweise bei angeordneter Maßnahmen Verstöße festgestellt, werden sie vom Amt geahndet", erklärt Landkreissprecherin Priese.
Im vergangenen Jahr hat der Landkreis 36 Verwarnungen mit 560 Euro Strafe ausgesprochen und neun Bußgeldbescheide mit insgesamt 368 Euro verteilt. Bis zum 15. August waren es in diesem Jahr sechs Verwarnungen mit einer Strafe von insgesamt 120 Euro.
In den Wäldern der Fienerregion ist Tierfilmer Thomas Wöhling aktiv, was bei einigen Jägern auf wenig Gegenliebe trifft. "Die Abwurfstangen lassen die Entwicklung der Population vorhersagen. Fehlen welche, fehlt es dem Jäger auch an Aussagekraft und Bestandsinformationen", sagt Lützow. In die gleiche Kerbe schlägt Johannes Graf von Wengersky, der sich für die Forst in den Gebieten Waldrogäsen und Tucheim verantwortlich fühlt. Er meint: "Wöhling verhält sich rücksichtslos und ist absolut beratungsresistent."
2003 hat Wengersky die Verantwortung auch im Bereich Tucheim übernommen. Laut seiner Schilderung haben anfängliche Gespräche mit Wöhling zu nichts geführt. Neben dem Sammeln von Abwurfstangen wirft er ihm noch weitere Vergehen vor. "Er beobachtet unangemeldet auf Hochsitzen, folgt einer frischen Rot- oder Damwildspur und scheucht die Tiere auf, was natürlich auch gefährlich werden kann. Aber ihm das nachzuweisen, ist eben schwer."
"Wir Jäger sehen die Aktivitäten sehr kritisch"
Wengerskys Vorwürfe sind damit noch nicht erschöpft: "Wöhling ergaunert sich Kleingenehmigungen und missbraucht diese. In einer früheren Gerichtsverhandlung ging es um einen Tatbestand von 30 Euro. Dort bezog er sich auf eine Genehmigung von einer bereits verstorbenen Person. Das ist an Geschmacklosigkeit nicht mehr zu überbieten."
Wengersky legt nach: "Ein Angebot auf eine Zusammenarbeit hat Wöhling bisher unbeantwortet gelassen." Deshalb habe er in bestimmten Bereichen bereits Schranken aufgestellt und Schlösser installiert. Im November 2010 initiierte Wengersky eine Unterschriftensammlung, in der es darum geht, Thomas Wöhling keine Genehmigung für das Filmen, Sammeln von Abwurfstangen oder sonstigen Sachen zu erteilen. Die bisher eingesammelten 35 Unterschriften kommentiert Wengersky so: "Eine Unterschrift steht oft für eine Jagdgenossenschaft und beinhalt acht Personen."
Als "schwierigen Fall" bezeichnet Richard Friedrich die Angelegenheit. Der Vorsitzende der Jägerschaft Genthin sagt: "Unsere Jäger sehen die Aktivitäten des Herrn Wöhling als sehr kritisch, vor allem, dass er keine Einsicht zeigt. Sammeln und mitnehmen der Abwurfstangen sind Diebstahl und das geht einfach nicht."
Allerdings sei es in der letzten Zeit etwas ruhiger geworden. "Wir als Jägerschaft verurteilen das Vorgehen. Es handelt sich hier um privaten Besitz. Ohne Genehmigung ist das Sammeln von Abwurfstangen nicht erlaubt", schließt sich Geißler an. "Ich bin immer dafür, Tierfilmer und Naturliebhaber an einen Tisch zu bringen, um eine saubere Regelung zu finden. Dabei müssen aber auch die Interessen der Jäger, der Eigenjagdbesitzer, der Grundeigentümer und der Jagdgenossenschaften fair und kulant respektiert werden. Wenn unter Eigenregie gehandelt wird, ist das einfach nur verwerflich", so Geißler.
Und: "Mit solchen Handlungen werden die Bemühungen und Ansätze der Jägergesellschaft ihr Tun der nicht jagenden Gesellschaft zu erklären, zunichte gemacht." Verhärtete Fronten sieht hier Kreisjägermeister Winfried Theß: "Über die Jahre hat sich dort ein Grabenkrieg entwickelt." Für ihn bleibt es unerlässlich, dass sich beide Parteien an einen Tisch setzen: "Es muss eine gemeinsame Lösung gefunden werden, dann lässt sich daraus auch was Vernünftiges machen." Der Kreisjägermeister sagt aber auch: "Wöhlings Ausstellungen und Filme sind interessant. Dennoch sollte er auch seine Grenzen kennen, die er wohl in letzter Zeit öfter überschritten hat. Auf beiden Seiten müssen Kompromisse gefunden werden."
Thomas Wöhling sagte zur Volksstimme: "Ich finde es sehr traurig, dass sich einige Leute von Personen beeinflussen lassen, die mich noch nie in der Natur gesehen haben. Vielleicht sollte man nicht irgendwelchen Lügnern glauben. Hier ist selber denken die schlauere Alternative."
Das Verhältnis zwischen beiden Seiten beschreibt Lützow als "gespannt".