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Gefeierter Auftritt Thomas Rühmann begeistert am Burger Weinberg mit Liedermacherqualitäten

Mit dem Auftritt des Thomas-Rühmann-Trios hat der Weinbergsommer eine begeisternde Fortsetzung gefunden.

Von Thomas Pusch 28.06.2021, 06:00
Thomas Rühmann überzeugte mit seinem Trio am Weinberg als Sänger und Gitarrist. Das Publikum war begeistert von amüsanten, aber auch von nachdenklichen Momenten.
Thomas Rühmann überzeugte mit seinem Trio am Weinberg als Sänger und Gitarrist. Das Publikum war begeistert von amüsanten, aber auch von nachdenklichen Momenten. Foto: Thomas Pusch

Burg - Der achte Schlag der Kirchenglocken war gerade verklungen, da ging ein Raunen durch das Publikum am Weinberg. „Da kommt er und da kommt auch mein Lieblingsgitarrist“, sagte einer der Zuschauer. Er, das war Thomas Rühmann, der Lieblingsgitarrist Jürgen Ehle, Mitbegründer der Band Pankow. Komplettiert wurde das Trio, das nun eiligen Schrittes Richtung Bühne zog, von Monika Herold. Ein wenig erinnerte es an die vielen Szenen, in denen Rühmann als Chefarzt Dr. Roland Heilmann in der Serie „In aller Freundschaft“ mit seinen Kollegen über die Krankenhausflure schreitet. Doch in Burg ging es nicht um Heilmann und das Fernsehen, sondern um den amerikanischen Liedermacher Sixto Rodriguez. Und Rühmann bewies mit Stimme und Gitarre, dass er kein musizierender Schauspieler ist, sondern ein Musiker, der eben auch die Schauspielkunst beherrscht.

Ähnlichkeit mit Bob Dylan

„Schön, dass wir wieder beisammen sind“, eröffnete er den Abend, und sprach damit aus, was wohl den meisten durch die Köpfe ging. Bevor er die tragische Geschichte von Rodriguez erzählte, kam er gleich zu deren Ende. So ganz klar sei das nicht. Manche sagen, er habe sich auf der Bühne angezündet, andere, er habe sich erschossen. Wiederum andere meinen, er habe sich im Gefängnis erhängt. Seine Lieder hat Rühmann mit deutschen Texten versehen, beispielsweise von Wenzel, Biermann, Hein und Djuik. Es seien also falsche Lieder, „die aber hervorragend zusammenpassen“.

Und damit sollte Rühmann Recht behalten. Mit „Es war einmal…“ ging es ins Detroit der 60er Jahre, wo ein Produzent auf Rodriguez erstmals aufmerksam wurde. Er erinnerte ihn an Bob Dylan, aus den Lautsprechern in Burg erklang das Original. Doch dann übernahm das Trio. „Und wir hatten keine Höhle und wir fanden kein Versteck, und wir schliefen im Gegröle und wir saßen nackt im Dreck“, passten die Zeilen von Klaus Lage zur Musik von Rodriguez. Der saß zunächst nicht im Dreck, war mit seinen beiden Alben in der Heimat aber nicht gerade erfolgreich.

Ikonenstatus in Südafrika

Szenenwechsel. „Es war einmal…“, diesmal im fernen Südafrika. Wie die Platte des nun Sugar Man genannten Musikers ins Land gekommen ist, scheint ungeklärt. Eine Amerikanerin soll sie ihrem Freund mitgebracht haben. Der nahm sie auf ein Tonband auf, davon wurde eine Kopie gemacht, davon unzählige Kopien. „Mitte der 70er Jahre standen drei Scheiben in jedem Plattenschrank eines Liberalen in Südafrika“, erzählte Rühmann, „Abbey Road von den Beatles, Bridge over troubled Water von Simon and Garfunkel und Cold Fact von Rodriguez.“ Liberale Geister waren aber in der Minderheit, das Land war auf dem Höhepunkt der Apartheid. Rodriguez galt als Rebell, wurde Ikone der Andersdenkenden.

„Jede Revolution braucht eine Hymne“, stellte Rühmann fest und schwenkte textlich weg von Südafrika, hin zu einer viel näherliegenden Revolution. „Johnny war 89 im Lenz über Ungarn nach München geflohen“, stimmte er Hans-Eckardt Wenzels „Klassentreffen“ an. Die ironisch-sarkastische Ballade aus dem Jahr 2000 bilanziert zehn Jahre deutsche Einheit und mündet in dem Refrain „Vielleicht wird uns dereinst verzieh’n, denn wir stammen ja aus dem Unrechtsregime“. Es enthält Zeilen, die zum Schmunzeln anregen, andere, die unter die Haut gehen. So spiegelt es auch den Abend mit dem Trio wider, dessen Folk-Rock zum Mitwippen und Mitnicken anregte, aber auch zum Nachdenken.

Treffen mit Wolf Biermann in Berlin

Szenenwechsel. „Es war einmal…“, Rodriguez reiste nach Europa, war in London, Amsterdam, Berlin. In der Oderberger Straße traf er Andreas F., vom Prenzlauer Berg ging es nach Mitte in die Chausseestraße, wo es zur Begegnung mit Wolf Biermann kam. „Das Lied I slip away soll Biermann inspiriert haben“, blickte Rühmann zurück. Inspiriert zu „Ich möchte am liebsten weg sein – und bleibe am liebsten hier“ „Was wird bloß aus unseren Träumen, was wird bloß aus unserem zerrissenen Land“, ging es in die deutsche Wirklichkeit der 70er Jahre.

Rodriguez’ letzter Auftritt. Ein schlechter Veranstaltungsort, ein schlechtes Konzert. „Danke für eure Zeit“, ruft er dem Publikum zu, „forget it“. Dann nimmt er eine Pistole und drückt ab. Doch so war es nicht. Rodriguez freut sich noch immer seines Lebens, so wie die drei Musiker, die den Weinbergsommer bereichert haben. Für die Zeit bedanken brauchen sie sich beim Publikum nicht. Und das wird diesen Abend auf keinen Fall vergessen.